Urteil zum Lohnbetrug bei der »Mall of Berlin«

»Konservative Rechtsprechung«

Am Mittwoch voriger Woche wies das Bundesarbeitsgericht in Erfurt die Klage von Ovidiu Mindrila und Niculae Hurmuz gegen den In­vestor des Einkaufszentrums »Mall of Berlin« zurück. Die rumänischen Bauarbeiter hatten auf Zahlung des Lohns geklagt, den sie von den Subunternehmen, bei denen sie beschäftigt waren, bislang nicht erhalten haben. 2015 hatte das Berliner Arbeitsgericht entschieden, dass die Unternehmen den ausstehenden Lohn zahlen müssen. Sowohl diese als auch das Generalunternehmen, das sie beauftragt hatte, waren jedoch zahlungsunfähig. Die Jungle World hat mit Klaus Stähle, dem Anwalt der Kläger, über das Urteil des Bundesarbeitsgerichts gesprochen.

Hat Sie das Urteil überrascht?
Aus rechtlichen Gründen war ich nicht überrascht. Schließlich hatten die Kläger das Bundesarbeitsgericht aufgefordert, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen und auch die Auftraggeber beim Bau in die Haftung einzubeziehen. Wäre das Gericht unserer Argumentation gefolgt, hätte es Rechtsgeschichte geschrieben. Es hat aber die bisherige konservative Rechtsprechung mit der Ablehnung der Klage fortgeschrieben. Das Urteil wird der sozialen und wirtschaftlichen Situation in vielen Branchen, nicht nur im Baugewerbe, nicht gerecht.

Stimmen Sie der Einschätzung der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU) zu, dass vor dem Bundesarbeitsgericht die »Perspektive der Unternehmen« deutlich wurde, wie es in einer Pressemitteilung der Basisgewerkschaft heißt?
Ja. Der Rechtsanwalt des beklagten Investors sagte, dass die Annahme der Klage »preispolitische Auswirkungen« haben würde. Damit hat er explizit erklärt, dass es sich hier um ein Geschäftsmodell handelt.

Wie beurteilen Sie die Öffentlichkeitsarbeit des Gerichts in dem Fall?
Jede Kammer entscheidet selbst, ob sie vor ­einer Gerichtsentscheidung mit einer eigenen Erklärung an die Öffentlichkeit geht. Das hat sie in diesem Fall nicht gemacht, weil sie die Entscheidung nicht für relevant hielt.

War es überhaupt sinnvoll, den Rechtsweg zu beschreiten?
Ohne die große Unterstützung, die die beiden Kläger vor allem von der FAU bekommen haben, hätte ich ihnen von der Klage abgeraten. Weil sie diese Unterstützung hatten, war die Beschreitung des Rechtswegs trotz der Niederlage vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt sinnvoll. Die beiden Kläger haben deutlich gemacht, dass es ihnen nicht nur um den vorenthaltenen Lohn, sondern auch um Gerechtigkeit geht. Sie wollten verhindern, dass Unternehmer weiterhin so mit ihren Beschäftigten umgehen können.

Sind weitere rechtliche Schritte denkbar, etwa auf europäischer Ebene?
Wir werden uns das Urteil genau ansehen und dann entscheiden, ob wir auf europäischer Ebene klagen. Ich würde aber in diese Option keine zu großen Hoffnungen setzen. Die europäischen Gerichte haben den Mitgliedsstaaten der EU einen großen Spielraum bei der Umsetzung des Arbeitnehmerentsendegesetzes gelassen.

Wie soll es im Kampf der Arbeiter weitergehen?
Da das Gericht mit seiner Entscheidung den juristischen Weg verschlossen hat, sehe ich jetzt nur noch in einem verstärkten gesellschaftlichen Kampf von Gewerkschaften und politischen Gruppen einen Weg. Hier könnte auch Druck auf die Politik ausgeübt werden, diesem Lohnraub endlich auf gesetzlichem Wege einen Riegel vorzuschieben.