Argentinien nach der Wahl

Die Rückkehr der Peronisten

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Nach vier Jahren Macri steht das Land schlechter da als zuvor. Bei dessen Amtsantritt betrug das Jahreswachstum des Bruttoinlandsprodukts 2,7 Prozent, im laufenden Jahr wird es Schätzungen des IWF zufolge um 3,1 Prozent schrumpfen. Der argentinische Peso befindet sich in freiem Fall, die Inflationsrate ist nach Venezuela und Zimbabwe die dritthöchste der Welt und mit derzeit 57,3 Prozent beinahe doppelt so hoch wie 2015. Die Armut in Argentinien wächst, über ein Drittel der Bevölkerung gilt mittlerweile als arm. Unmittelbar nach seiner Wahlniederlage führte Macri jene Beschränkungen des Dollarkaufs (auf 200 US-Dollar pro Person und Monat) wieder ein, die er einst abgeschafft hatte. Damit soll der rapide Rückgang der Einlagen der Notenbank gestoppt werden.

Alberto Fernández steht vor enormen Herausforderungen. Wird der Währungsverfall nicht unter Kontrolle gebracht, droht die Schuldenlast des Landes so erdrückend zu werden, dass es zahlungsunfähig wird – wie zuletzt 2001. Wie Fernández vorgehen will, ist bisher nicht ganz klar. In seiner Siegesrede versprach er, das Land werde »solidarischer und egalitärer«. Dafür will er in Bildung und Gesundheit investieren. Außerdem will er die Binnennachfrage stärken, indem er Arbeitsplätze schafft: »Wir werden alles dafür tun, dass die Fabriken wieder öffnen.«

Die Zeit drängt. Der IWF erwartet im kommenden Frühjahr bereits die erste Teilrückzahlung seines Kredits über 57 Milliarden US-Dollar. Das sei, so Fernández, in der derzeitigen Lage unmöglich. Er will neu verhandeln, wofür er gute Voraussetzungen mitbringt: unter Präsident Néstor Kirchner (2003 bis 2007), dem 2010 verstorbenen Ehemann von Cristina Fernández de Kirchner, spielte er als Kabinettschef bei der Umschuldung Argentiniens eine zentrale Rolle.

Erschwerend für Fernández kommt hinzu, dass die Frente de Todos in der Abgeordnetenkammer keine Mehrheit erhielt, im Senat nur eine knappe. Das gute Abschneiden von Juntos por el Cambio sorgt für ein ausgeglichenes Kräfteverhältnis, in dem Kleinparteien und jene Peronisten den Ausschlag geben, die sich nicht der neuen Regierungsallianz angeschlossen haben. Diese ist sehr hete­rogen, Fernández de Kirchners Anhänger bilden zwar eine starke Fraktion, ihre vormaligen Kritiker kamen nur dank Alberto Fer­nán­dez hinzu. Er muss unter den ­Peronisten vermitteln.
Ein wenig Hoffnung gibt es in der Gesellschaftspolitik: Fernández gibt sich betont modern, verwendete im Wahlkampf inklusive Sprache und befürwortet die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Das Thema hatte im vergangenen Jahr Hunderttausende Befürworter und Gegner auf die Straße gebracht. Ein Gesetzentwurf, der eine Lockerung des ­Abtreibungsverbots vorsah, war jedoch an den konservativen Senatoren gescheitert (Jungle World 33/2018). Ob Fernández sich an dieses polarisierende Thema wagt, bleibt abzuwarten.