Debbie Harrys Autobio­graphie »Face It«

Punk in Blond

Debbie Harry berichtet in ihrer Autobiographie von den Anfängen des Punk in den USA, ihrer Band Blondie und zeigt Bilder, die ihr von Fans geschickt wurden.

Gegen schlechte Laune, Trübsal oder simple Langeweile gibt es ein gutes Gegenmittel: In der Internet-Bildersuche einfach »Debbie Harry« oder gleich »Blondie« eingeben, die Enter-Taste drücken und durch die Ergebnisse scrollen: sogleich erfasst einen ein wohliger Schauer voll Freude. Debbie Harry schürzt ihre herzförmigen Lippen, klettert aus Autowracks heraus, liest Zeitung mit riesigen Schlagzeilen, trägt T-Shirts mit witzigen Aufschriften oder tut das, was sie in ihrem Leben am ­erfolgreichsten getan hat: sie singt. Wüsste man es nicht besser, man könnte meinen, sie sei die meistfotografierte Frau der Welt.

Debbie Harry war, wie jeder große Star, zuallererst einmal selbst Fan, und zwar schon als Kind, nämlich von Judy Garland und Marilyn Monroe.

Aber auch kurze Videoclips lassen sich finden, beispielsweise einer, in dem Harry ihrem Publikum erklärt, wie man Pogo tanzt. Das passt viel besser zu Harry, denn sie war kein Supermodel, sondern Sängerin, und in den frühen Siebzigern zu Beginn ihrer Karriere fest entschlossen, »das Tanzen in der Rockmusik wieder salonfähig zu machen«, wie sie jetzt in ihrer Autobiographie »Face it« erzählt. Debbie Harry, geboren als Angela Trimble, von ihren Pflegeeltern Deborah genannt, taufte sich in den frühen Siebzigern selbst Blondie, ein Name, der ihr von Bauarbeitern hinterhergerufen wurde, nachdem sie sich ihre Haare gebleicht hatte, aber auch der Name einer ­Comicfigur des Zeichners Chic Young, deren Image Harry sich ausleihen und mit dem sie kokettieren wollte: die dumme Blondine, die aber eigentlich schlauer als alle anderen ist.

Schon mit 19 zog Harry nach New York und fing an, im sagenumwobenen Max’s Kansas City zu arbeiten, einem Nachtclub, in dem sie auf all die frühen Punker traf. Besonders beeindruckt war sie von den New York Dolls, einer Band, die Hard Rock und Glam perfekt miteinander kombinierten und deren heterosexuelle Mitglieder aufgefummelt allesamt aussahen wie Transvestiten. »Tatsächlich wollte ich sie sein«, dachte sich Harry und gründete ihre erste Band, die Stilettos.

Nicht sehr lange sollte es dauern, bis dann die Band entstand, der sie wiederum ihren eigenen Künstlernamen lieh: Blondie. 1974 gründete Harry sie mit dem Gitarristen und ihrem zwischenzeitlichen Lebens­gefährten Chris Stein. Die Combo war außergewöhnlich, denn abgesehen von Patti Smith gab es bei Bands ­Mitte der Siebziger kaum Frontfrauen, geschweige denn Frauen in anderen Positionen. Vor allem Blondie ist es zu verdanken, das sich das bald ­änderte. Harry geht sogar so weit, zu sagen, dass sie es viel schwerer als beispielsweise Patti Smith hatte, denn die kleidete sich laut Harry eher männlich, während Harry den »provokanteren« Weg ging und als selbstbestimmte, sehr weibliche Musikerin, die sich gleichzeitig nicht devot gab, das Macho-Umfeld herausforderte. Was Geschlecht anging, war Harry ohnehin eine Grenzgängerin: indem sie gleichzeitig Sexsymbol war und viele ihrer Texte doch mit Ambivalenzen spielten, Harry zum Beispiel bei einem Lied wie »One Way or Another« (dessen Text auf Harrys Erfahrung mit einem Stalker basiert, das sich aber in ein Lied über eine obsessive Liebe verwandelt) aus einer männlichen Perspektive darüber sang, eine Frau ins Bett zu bekommen. »Oh ja, du warst damals definitiv eine Dragqueen«, sagten befreundete Dragqueens zu Harry, wie sie stolz im Buch berichtet.