Debatte um chinesische Industriespionage

China am Apparat

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Besonders die USA drängen ihre Verbündeten dazu, auf chinesische 5G-Technik zu verzichten. Im September war der Vorsitzende der US-Telekommunikationsbehörde, Ajit Pai, wegen des Themas zu Gast in Berlin. Japan, Australien, Neuseeland und Taiwan haben bereits entsprechende Gesetze erlassen. Auch die EU-Kommission hatte Anfang des Jahres erwogen, ein europäisches Cybersicherheitsgesetz so zu ändern, dass Huawei in der EU vollständig aus 5G-Netzwerken ferngehalten würde. Daraus wurde jedoch nichts, und inzwischen scheinen sowohl Frankreich als auch Deutschland Huawei beim Netzaufbau zulassen zu wollen. Ausschlaggebend für die Entscheidung dürften die wirtschaftlichen Interessen europäischer Großkonzerne sein. Für Siemens, Bosch, VW und Daimler ist China ein enorm wichtiger Markt mit riesigem Wachstumspoten­tial. Für VW ist China mit einem vor­aussichtlichen Umsatz von rund 65 Milliarden Euro im Jahr 2019 sogar der wichtigste Absatzmarkt überhaupt. Daher will man es sich mit dem Land nicht verscherzen.

In Deutschland formiert sich dagegen der Widerstand derjenigen, die für eine harte Politik gegenüber China sind. Diese Kreise haben auch wirtschaft­spolitische Argumente vorzubringen: Wolle man die technologische Sou­veränität und Eigenständigkeit Europas schützen, wie es der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) immer betont, müsse man sich für die europäischen Anbieter der 5G-Technologie entscheiden, nämlich die skandinavischen Firmen Ericsson und Nokia.

Die deutschen Telekommunikationsfirmen, etwa die Deutsche Telekom, sprechen sich hingegen dafür aus, Technologie von Huawei zu nutzen. Sie haben bei der Versteigerung der 5G-Lizenzen in Deutschland etwa 6,5 Milliarden Euro ausgegeben und wollen den Ausbau des Netzes künftig so günstig wie möglich gestalten. Huawei ist tatsächlich billiger als die europäische Konkurrenz. Eine vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) in Auftrag gegebene Studie besagt, dass ein Verbot chinesischer Technik den Ausbau des europäischen 5G-Netzes um 55 Milliarden Euro verteuern und um etwa 18 Monate verzögern würde. Allerdings legte die Consulting-Firma Strand kürzlich eine Studie vor, der zufolge der Netzausbau nicht verzögert und kaum verteuert würde, sollte Huawei ausgeschlossen werden.

 

Welche Studie recht hat, dürfte kaum eine Rolle spielen. Für die Gegner von Huawei handelt es sich sowieso nicht um eine rein wirtschaftliche Frage, für sie steht Wichtigeres auf dem Spiel. »Im Konfliktfall mit dem Westen könnte Huawei nicht nur theoretisch zu Sabotagehandlungen an deutschen Netzen gezwungen werden«, warnten Thorsten Benner vom Think Tank Global Public Policy Institute und Janka Oertel vom Think Tank German Marshall Fund in der FAZ. Auch Bruno Kahl, der Leiter des Auslandsgeheimdiensts BND, sagte in einer Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags, dass Huawei von Infrastruktur ferngehalten werden sollte, die die »Kernsicherheitsinteressen« Deutschlands betreffe. Diese seien kein tauglicher Gegenstand für einen Konzern, dem man nicht voll vertrauen könne.

Der bisherige Entwurf des BSI sieht vor, dass die Hersteller der 5G-Techno­logie eine Vertrauenswürdigkeitserklärung abgeben müssen; sollte es zu Spionage oder dergleichen kommen, könnte die Bundesregierung dann rechtlich gegen Huawei vorgehen. Außerdem soll das BSI alle zentralen Komponenten auf Sicherheitsrisiken überprüfen. Dass eine solche Überprüfung zuverlässig möglich ist, muss ­bezweifelt werden. Noch 2012 hatte die Bundesregierung genau das verneint.

Auch die US-Regierung betont, dass Huawei ein Sicherheitsrisiko darstelle. Man müsse den Konzern als Instrument des chinesischen Staats verstehen, der den Westen ausspionieren und überwachen könne. Huawei bestreitet das: Man sei ein unabhängiges, privat geführtes Unternehmen. Aber Huawei ist wie jedes bedeutende chinesische Unternehmen eng an die Kommunistische Partei Chinas gebunden. Und schließlich können auch im Westen nominell unabhängige Unternehmen leicht zum Werkzeug ihrer Staaten werden. Das hatte der NSA-Skandal gezeigt, bei dem enthüllt wurde, dass Firmen wie Google und Facebook dem US-amerikanischen Staat bei der globalen Überwachung halfen. Dass die USA sogar das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin Angela Merkel heimlich ­abgehört hatte, kommentierte diese damals mit dem Satz: »Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.« Die Überwachung durch die USA war für Deutschland aber relativ unproble­matisch, weil es sich um einen strategischen Partner handelte.