Rumänien hat eine neue Minderheitsregierung

Der andere Orban

Rumänien hat seit dem 4. November eine neue Minderheitsregierung unter Ludovic Orban. Unterstützung erhielt sie bislang von Präsident Klaus Johannis, der sich diesen Monat zur Wiederwahl stellt.

In Bukarest und Budapest regieren nun Ministerpräsidenten mit ähnlichem Nachnamen. Seit dem 4. November ist Ludovic Orban Rumäniens neuer Ministerpräsident. Zwar ist der Rumäne mit seiner Nationalliberalen Partei (PNL) ebenso Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) wie die Partei Fidesz seines ungarischen Amtskollegen Vik­tor Orbán, doch nationalistische Propaganda gegen Migranten, die EU oder George Soros ist von ihm nicht zu erwarten. In Rumänien ist es eher die postkommunistische Sozialdemokratische Partei (PSD), die nationalistische Positionen vertritt wie schon die Kommunistische Partei unter Nicolae Ceaușescu. Sie tut dies allerdings weit zurückhaltender als die Rechten in Polen oder Ungarn und wendet sich nicht gegen die EU oder Flüchtlinge, sondern stichelt lieber gegen die Minderheiten im ­eigenen Land oder appellieren vage an den Wunsch nach nationaler Größe oder Unabhängigkeit.

Die PNL präsentiert sich als marktliberale Alternative zur Linken, befürwortet einen ausgeglichenen Haushalt und ist nicht für soziale Forderungen bekannt.

Von bürgerlichen Regierungen erwartet man in Rumänien hingegen eine EU-freundliche und proatlantische Politik. Innenpolitisch will die neue Regierung vor allem gegen die Korruption vorgehen, die viele Rumäninnen und Rumänen mit der PSD verbinden, die nach der Wende wichtige Posten in Staatsbetrieben und Verwaltungen unter ihren Funktionären aufteilte. Die sozialdemokratische Regierung unter der Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă war am 10. Oktober durch ein erfolgreiches Misstrauensvotum im Parlament abgewählt worden. Der rumänische Präsident Klaus Johannis – offiziell parteilos, aber untersützt von der PNL – hatte daraufhin Orban mit der Regierungsbildung beauftragt. Orban führt nun eine Minderheitsregierung, die ohne stabile Mehrheit im Parlament bis zum turnusgemäßen Wahltermin in einem Jahr durchhalten will.

Am Sonntag fand zudem die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Johannis' Slogan für die Wiederwahl lautete schlicht: »Für ein normales Rumänien«. »Normal« soll vor allem ohne Korruption und mit Wohlstand wie in Westeuropa bedeuten. Johannis erhielt etwa 38 Prozent der Stimmen. Ob die PNL-Regierung weiterhin auf die Unterstützung des Präsidenten hoffen kann, soll sich am 24. November entscheiden. Für diesen Tag ist die zweite Runde der Präsidentschaftswahl angesetzt. Als Favorit gilt Johannis, seine Herausforderin in der Stichwahl ist Dăncilă, die in der ersten Runde 22 Prozent erreichte. Sie und ihre Partei von der Macht fernzuhalten, ist Johannis’ erklärtes Ziel. In einer ersten Reaktion auf die Hochrechnungen am Wahl­abend des 10. November sprach Johannis von einem großen Sieg über die PSD und raunte, es wäre möglicherweise die letzte freie Wahl gewesen, hätte sich Dăncilă durchgesetzt. Bei den 675 000 Rumäninnen und Rumänen, die im Ausland wählten, kam die Kandidatin in der ersten Runde nur auf 2,7 Prozent der Stimmen; Johannis auf 52,9 Prozent. Das illustriert die Kluft zwischen denen, die es nicht abwarten können, dass Rumänien »im Westen ankommt«, und deshalb bereits selbst dorthin gegangen sind, und denen, die Angst haben zurückzubleiben und Sicherheit bevorzugen.