Rechtsextremistischer Anschlag in Frankreich

Ein mörderischer Rentner

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Umso unverständlicher erscheint es, dass die Staatsanwaltschaft sich entschloss, nur wegen Straftatbeständen wie Körperverletzung, nicht jedoch wegen Terrordelikten zu ermitteln. Nicht nur Méhana Mouhou, der Anwalt des halbseitig gelähmten Opfers, empört sich darüber und argumentiert, hätte ein Täter mit muslimischem Hintergrund in vergleichbarer Weise eine Kirche attackiert, würde der Tatvorwurf längst auf Terrorismus lauten.

Wie der öffentlich-rechtliche Radiosender France Info unter Berufung auf Polizei- und Militärquellen berichtete, handelt es sich bei Sinké, anders als etwa vom privaten Fernsehsender TFI berichtet, nicht um einen ehemaligen Militärangehörigen, sondern lediglich um einen Militärschulabsolventen. Später verlegte er sich auf das Anfertigen von Skulpturen. Eines seiner bekannteren Werke zeigt etwa die Fahne der USA; in die Skulptur sind auch ein Dollarzeichen und eine Schusswaffe integriert.

Öffentlich in Erscheinung trat Sinké als Kandidat bei den französischen Départmentswahlen im März 2015. Damals trat er für den Front National (FN) an, die Partei von Marine Le Pen, die sich im Juni 2018 in Rassemblement National (RN, Nationale Sammlungsbewegung) umbenannte. Ein Foto vom 14. März 2015, das die Regionalzeitung Sud Ouest vorvergangene Woche publizierte, zeigt die Parteivorsitzende Le Pen mit Sinké sowie weiteren Kandidatinnen und Kandidaten des FN. Später wurde er aus der Partei ausgeschlossen – wohl weil er zu unkontrollierten rassistischen und homophoben Ausfälle neigte, die der rechts­extremen Partei in dieser Form und diesem Ausmaß eher kontraproduktiv ­erschienen. Der Abgeordnete der Nationalversammlung, Lionel Causse, der zwischen 2014 und 2017 Bürgermeister in Saint-Martin-de-Seignanx gewesen war, sagte dem öffentlich-rechtlichen Radiosender France Bleu, Sinké habe häufig rassistische und homophobe Positionen vertreten. Von seiner rechtsextremer Gesinnung hätte man bereits vorher wissen können. Im September 2014 hatte er das Buch »Frankreich mit offenem Herzen oder Blicke auf das menschliche Elend« veröffentlicht, in dem es von Ausfällen gegen Mus­lime und gegen Homosexuelle wimmelt.

Der betagte Rechtsextreme trat auch durch mehrseitige, teilweise wirre Schreiben an die Staatsanwaltschaft von Bayonne in Erscheinung. So schrieb er an die Behörde, er erstatte Strafanzeige gegen Staatspräsident Emmanuel Macron wegen »Nichtanwendung der Menschenrechte«. Es folgten seitenlange Ergüsse über die soziale Lage in dem Land, die Bewegung der »Gelben Westen« und Ausländer.

Claude Sinké handelte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht im Rahmen einer wie auch immer gearteten Organisation. Wirklich isoliert war er jedoch nicht, jedenfalls nicht mit seinen Ideen. Der rechts­ex­treme Bürgermeister von Béziers, Robert Ménard, bestätigte etwa dem von der Tageszeitung Libération betriebenen Rechercheportal Checknews, einen Beitrag mit einer Information über das Attentat von Ba­yonne von seiner Facebook-Seite gelöscht zu haben, weil zu viele zustimmende und die Tat offen bejubelnde Kommentare gepostet worden seien. »Bravo, Opi«, »Das ruft doch Freude hervor« und »Man müsste alle Moscheen hochgehen lassen«, hieß es dort etwa, wie screenshots von Ménards Facebook-Seite belegen. Auch die offi­zielle Website des RN und rechtsextreme Medien wie Fdesouche sahen sich zu ähnlichen Schritten gezwungen wie Ménard.