Das neue Album der Swans

Vergessen, Verschwinden, Verstecken

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Nach der jüngsten Trilogie hatte Gira offenbar das Gefühl, die Richtung wieder einmal ändern zu müssen. Dafür hat er zunächst die Besetzung der Band ein wenig modifiziert. Für »Leaving Meaning« stellte er eine Art Allstar-Team der experimentellen (Pop-)Musik zusammen, zu dem neben Anna von Hausswolff auch das US-World-Folk-Duo A Hawk and a Hacksaw und das australische Improv-Trio The Necks gehören. Daneben sind Stammspieler wie der Bassist Christopher Pravdica, der Multiinstrumentalist Thor Harris und der Gitarrist Kristof Hahn dabei, die bereits bei jüngeren Inkarnationen der Swans oder bei Giras Interimsband Angels of Light mitwirkten. Insgesamt würde das Albumpersonal für zwei Fußballmannschaften reichen – inklusive Ersatzspieler: 26 Musikerinnen und Musiker waren an den Aufnahmen beteiligt.

Bild:
Jennifer Gira

»Leaving Meaning« kommt nicht so laut, wuchtig und wummernd daher wie die vorherigen Alben, es ist eine Platte zwischen Folk, choraler Musik und Experimenten geworden, das ebenso klug arrangiert und komponiert ist wie die Vorgängerwerke. Der Rockfaktor ist hörbar runtergeschraubt, der Anteil freier Musik allein durch das Mitwirken von The Necks gestiegen (etwa in »The Nub«).

Das eingangs erwähnte »Amnesia« bildet mitsamt dem Titelstück »Leaving Meaning« (und vielleicht dem darauf folgenden »Sunfucker«) thematisch und inhaltlich gewissermaßen das Herzstück des Albums. Beide Stücke beginnen mit völlig unspektakulären Folk-Akkorden auf dem Klavier und der Gitarre, um dann gleichermaßen zu riesengroßen, Musik gewordenen Melancholieklößen heranzuwachsen. In diesen zentralen Stücken ist »Leaving Meaning« gezeichnet von sich wiederholenden Motiven und Phrasen, sowohl musikalisch als auch textlich. Im Titelstück pocht unermüdlich ein von Piano und Akustikgitarre getragener 3/4-Takt, dazu singt Gira in fast immer gleicher Stimmlage: »I can see it/ut not see it. I can feel it / but not keep it (…) I can be it / But not feel it. I can steal it / but not keep it. I can break it / but not heal it.« Das Erzähler-Ich wird immer wieder von einem »aber« unterbrochen, das Stück kommt zunächst resignativ daher, gegen Ende aber kehrt es sich ins Positive: »Let’s go!« singt Gira da.