Hannah Eitel über die Normalisierung der Rechten in Dresden

»Wer vom Verfassungs­schutz nicht als rechts­extremistisch bezeichnet wird, gilt als akzeptabel«

Hannah Eitel, Bildungsreferentin bei »Weiterdenken«, über den Umgang mit AfD und Pegida in Dresden.
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Sie arbeiten zur Normalisierung der extremen Rechten in Dresden. Was tut sich dort zurzeit?
Um ein lokales Beispiel zu bringen: Es gibt einen Verein, der heißt »Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlosen und Bedürftigen«. Den Verein kann man als völkisch oder rassistisch bezeichnen. Sein Vorsitzender ist Ingolf Knajder, von dem viele rassistische Beleidigung auf Facebook dokumentiert sind. Obwohl bekannt ist, wer den Verein betreibt und dass dieser explizit keine Asylsuchenden unterstützt mit seinen Angeboten, kann der Verein jährlich ein großes Weihnachts­essen ausrichten. Dieses Jahr soll es in der Ballsportarena stattfinden, einem großen Sportkomplex. 
Der Verein hat einige Unterstützer in der Stadt. Wenn man sich die Sponsoren anschaut, sind darunter viele Bäckereien, die wahrscheinlich Lebensmittel spenden. Zugleich unterstützt die Gruppe »Ein Prozent für unser Land« den Verein, die zum Umfeld der ext­remen Rechten und der sogenannten Identitären gehört. Das wurde in der Lokalpresse schon aufgegriffen, es findet aber keine Debatte statt. Es scheint sich kaum jemand daran zu stören.

Sie bezeichnen Dresden als Labor für die Normalisierung extrem rechter Ideen. Was ist in diesem ­Labor geschehen?
Kritik an rassistischen Aussagen steht stets unter dem Verdacht, intolerant und undemokratisch zu sein. Die hohe Akzeptanz rechter Ideen hat in Dresden Tradition. Schon in der Auseindersetzung mit der NPD war es ein harter Kampf, Leuten klarzumachen, dass es sich um eine extrem rechte Partei handelt, mit der man nicht diskutieren darf.
Seit dem Aufkommen von Pegida und der AfD wiederholt sich diese Geschichte. Pegida galt in Dresden von Anfang an nicht – und das ist dort immer allen sehr wichtig – als »rechts­extremistisch«. Wer vom Verfassungsschutz nicht als rechtsextremistisch bezeichnet wird, gilt als akzeptabel. Die Erzählung, rassistische Proteste gingen von »besorgten Bürgern« aus, ist nach wie vor stark. Statt der extremen Rechten Grenzen zu setzen, sucht man den Dialog mit ihr.

Stammt die Bezeichnung »besorgte Bürger« eigentlich aus Dresden?
Ich weiß nicht, wo sie ursprünglich herkommt, aber sie hat hier an Bedeutung gewonnen, wie so manches andere unerfreuliche Phänomen. Einer, der die Redewendung prägte, war Frank Richter. Er war in Sachsen Leiter der Landes­zentrale für politische Bildung, als ­Pegida aufkam und nannte Kritik an Pegida »Ausgrenzeritis«.
Außer ihm gab es noch eine Reihe in der Öffentlichkeit stehender Männer, die lange wenig anderes taten, als Pegida zu verharmlosen. Statt von Rassismus sprachen sie von Sorgen, Nöten und Ängsten, die man ernst nehmen müsse, und dementsprechend auch immer von Menschen, die man nicht ausgrenzen dürfe. Immer war von der Notwendigkeit des Dialogs die Rede. Kritik an Pegida galt ihnen bereits als Ausgrenzung.