In Hannover demonstrierten Neonazis gegen ihnen unliebsame Journalisten

Feindbild »Lügenpresse«

In Hannover demonstrierte die NPD am Samstag gegen mehrere Journalisten, die über die extreme Rechte berichten. Gleichzeitig gingen mehrere Tausend Menschen für den Schutz der Pressefreiheit auf die Straße.

Auf dem Fronttransparent der NPD prangte das durchgestrichene Foto eines Journalisten. Darunter stand der Satz: »Feldmann in die Schranken weisen!« Gemeint war der Journalist Julian Feldmann, der seit Jahren unter anderem für den NDR über die extreme Rechte berichtet. Seit er für das Fernsehmagazin »Panorama« vor einem Jahr ein Interview mit dem ehemaligen SS-Mann und Kriegsverbrecher Karl M. führte, ist der Reporter ein Hassobjekt des Neonazimilieus.

Mit einem Großaufgebot räumte die Polizei den Neonazis immer wieder den Weg frei. 

In dem Beitrag hatte Feldmann M.s Beteiligung am Massaker im nordfranzösischen Ascq 1944 beschrieben und ihn mit seinen Taten konfrontiert. Im Interview zeigte der damals 96jährige keine Reue für seine Verbrechen und relativierte den Holocaust. 1949 war M. von einem französischen Gericht zum Tode verurteilt worden, das Urteil wurde jedoch nie vollstreckt.

Im NDR-Medienmagazin »Zapp« sagte Feldmann: »Als ich von der Demonstration erfahren habe, da war ich schon erschrocken, das macht einem auch Angst.« Neben ihm hatte die NPD in ihrem Aufruf zehn weitere Personen namentlich genannt, darunter überwiegend Journalistinnen und Journalisten, aber auch die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane. Online forderten die Neonazis vorab »Rache für Karl« und sprachen von einem »Tag der Abrechnung«. Die Polizei hatte daraufhin die Demons­tration verboten. Der Polizeipräsident von Hannover, Volker Kluwe, sprach von einem »fundamentalen Angriff auf die Pressefreiheit«. Es sei mit Bedrohungsszenarien und Einschüchterungsversuchen gegen weitere Journalisten zu rechnen. Die NPD stellte allerdings gegen das Verbot erfolgreich einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Hannover. Mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss scheiterte die Polizei Hannover schließlich vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg.

Nur wenige Hundert Meter von den etwa 120 Neonazis der NPD entfernt demonstrierten nach übereinstimmenden Angaben von Medien und Polizei zur gleichen Zeit etwa 7 000 Menschen für die Pressefreiheit. Ein breites Bündnis aus Gewerkschaften und Parteien hatte zu einer Demonstration unter dem Motto »Bunt statt braun« aufgerufen. Belit Onay (Grüne), der neue Oberbürgermeister von Hannover, sagte in seiner Rede: »Ich bin froh, in einer Stadt OB sein zu dürfen, die eine so große Solidarität zeigt für eine breite und bunte Stadtgesellschaft. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit haben in Hannover keinen Platz.« Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte noch am Morgen dazu aufgerufen, sich an der Demonstration zu beteiligen. »Ich möchte nicht zulassen, in einer Gesellschaft leben zu müssen, wo Journalisten Angst haben müssen, kritische Recherchen anzustellen«, so Weil.

Bereits zu Beginn der Demonstration bedrängten NPD-Anhänger Reporter. Es kam zu Rangeleien, bei denen Neonazis Kameraobjektive verdeckten und beschmierten. Die Polizei schritt nur zögerlich ein und drängte Pressevertreter zurück, die sie für angebliche Provokationen verantwortlich machte. Auf Twitter sprach die Polizei davon, sie habe »die Gruppen deeskalierend getrennt«.