»Charme des Alternativen«

Seit Dezember vorigen Jahres ist die Kollektivkneipe »Syndikat« im Berliner Ortsteil Neukölln von der Räumung bedroht. Am Dienstag voriger Woche verlor das Kollektiv vor dem Berliner Landgericht seinen Räumungsprozess. Das schriftliche Urteil liegt noch nicht vor. Der Barbetrieb läuft weiter. Christian Müller vom »Syndikat« hat mit der Jungle World gesprochen.
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Was ist das besondere an der Kneipe und was hat es mit dem Eigentümer auf sich?

Die Kneipe gibt es seit 1985. Seit Beginn wird sie von einem Kollektiv betrieben. Wir sind durch diese lange Zeit im Schillerkiez äußerst gut mit der Nachbarschaft und unseren Stammgästen verbunden. Wir haben seit Mitte vergangenen Jahres Probleme mit dem Eigentümer, Firman Properties, der uns im Juli 2018 durch die Hausverwaltung eine Kündigung zukommen ließ – anfangs noch mit dem Hinweis, dass wir gerne über einen neuen Vertrag verhandeln könnten. Am 11. September 2018 kam die Nachricht, dass es keine Verhandlungen über einen neuen Vertrag geben werde und wir zum 31. Dezember 2018 raus müssten. Wir sind aber bekanntlich noch immer da.

Das Unternehmen Pears Global Real Estate, zu dem Firman Properties gehört, verweigerte in der Vergangenheit den Kontakt zu Ihnen. Hat sich daran etwas geändert?

Sowohl Pears Global als auch unsere Hausverwaltung, die Deutsche Immobilien Management, sprechen nicht mit uns. Wir haben ­keinen Kontakt zu den Eigentümern, obwohl wir es oft versucht haben. Auch Journalisten und unsere Anwälte haben es probiert. ­Sogar Bezirkspolitiker aus Neukölln haben versucht, mit ihnen in Kontakt zu kommen.

Was ist bei Ihrem Prozess in der vorigen Woche geschehen?

Das Urteil wurde verkündet, allerdings nur mündlich. Die schriftliche Version liegt uns noch nicht vor. Aus der mündlichen Version geht hervor, dass wir verloren haben, aber welche rechtlichen Schritte wir noch einleiten könnten und ob das überhaupt Sinn hätte, wissen wir noch nicht. Dafür brauchen wir die schriftliche Fassung. Wir können im Moment also noch nichts zu unserer weiteren Verteidigungsstrategie sagen. Natürlich bleiben wir weiter optimistisch.

Sie haben sich kürzlich mit linken Berliner Projekten in der Kampagne »Kein Haus weniger« zusammengeschlossen. Was ist deren Ziel?

Das ist ein Zusammenschluss mehrerer Häuser und Projekte, die sagen: »So kann es nicht weitergehen.« Es kann nicht sein, dass Hausprojekte, Kollektivbetriebe und selbstverwaltete Jugendzentren immer weiter verdrängt werden. Denn Berlin lebt ja nach wie vor von seinem Charme des Alternativen. Mit der Kampagne fordern wir einen Bestandschutz für alternative Projekte und Kleingewerbe, eine Aussetzung der Zwangsräumungen und die Straffreiheit für Besetzer.

Besteht für Sie auch die Möglichkeit, in andere Räume umzuziehen?

Wir haben geguckt, ob es im Kiez noch etwas gibt, aber wer sich in Berlin oder im Schillerkiez ein bisschen auskennt, weiß, dass dort in den vergangenen zehn Jahren die Mieten und das Gewerbe explodiert sind. Es gibt jede Menge Restaurants und Kneipen für Touristen. Da bleibt für Alteingesessene nicht viel übrig. Es gibt einfach keine Gewerberäume, die wir nutzen könnten. Wenn man uns in einen neuen Kiez verpflanzen würde, ginge die familiäre Atmosphäre verloren. Unsere Stammgäste kommen zum Großteil aus dem Kiez und nutzen das »Syndikat« als Wohn- und Lebensraum. Ich glaube nicht, dass wir das mitnehmen können, wenn wir woanders hingehen.