Land der aufgehenden Schwarzen Sonne
Erst kam der Streit über die geplante Berufung des für seine rechtspopulistischen Ansichten bekannten Polizeilobbyisten Rainer Wendt als Staatssekretär im Innenministerium, dann eine Auseinandersetzung wegen eines CDU-Kommunalpolitikers mit neonazistischen Verbindungen: In den vergangenen Wochen geriet die Regierung des Landes Sachsen-Anhalt gleich zwei Mal in eine heftige Koalitionskrise.
Im November wollte der CDU-Landesvorsitzende und Innenminister, Holger Stahlknecht, den umstrittenen Vorsitzenden der »Deutschen Polizeigewerkschaft« (DPolG), Rainer Wendt, zum Staatssekretär machen. Die mit der CDU in Sachsen-Anhalt regierenden Sozialdemokraten und Grünen – die 2016 gebildete Regierung war bundesweit die erste sogenannte Kenia-Koalition – hatten heftig gegen diese Personalentscheidung protestiert, zumal gegen Wendt in Nordrhein-Westfalen seit 2017 ein Disziplinarverfahren lief. Stahlknecht musste sein Ansinnen zurückziehen.
»Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?« Die Landesvorsitzenden der Grünen in Sachsen-Anhalt, Susan Sziborra-Seidlitz und Sebastian Striegel
Kaum war ein Bruch der Koalition wegen der Causa Wendt abgewendet, drohte er bereits Mitte Dezember erneut. Gegenstand des Konflikts waren diesmal die neonazistischen Verbindungen eines CDU-Kommunalpolitikers. Einem Twitter-Nutzer war aufgefallen, dass auf dem Profilbild des Christdemokraten Robert Möritz ein Abzeichen des extrem rechten Vereins Uniter zu sehen ist, dessen Gründer André S. alias »Hannibal« auch als Adminstrator eines bundesweiten Chat-Netzwerks extrem rechter Prepper fungierte (Jungle World 48/2018). Möritz war zu diesem Zeitpunkt gewähltes Mitglied im Kreistag von Anhalt-Bitterfeld und Beisitzer im dortigen Kreisvorstand der CDU. Zudem gehörte er dem sachsen-anhaltinischen »Konservativen Kreis« an, der für ein Ende der Koalition von CDU, SPD und Grünen und eine von der AfD tolerierte CDU-Minderheitsregierung eintritt.
Nachdem zunächst Möritz’ Twitter-Profilbild für Aufmerksamkeit gesorgt hatte, wurde zusätzlich bekannt, dass er im Mai 2011 als Ordner auf einer Nazidemonstration in Halle fungiert hatte und auf einem Arm eine »Schwarze Sonne« als Tätowierung trägt. Das Symbol, das auf einer Kombination von drei Hakenkreuzen basiert und von der der SS verwendet wurde, dient im rechtsextremen Milieu seit den neunziger Jahren als Ersatz- und Erkennungssymbol. Zudem tauchten Bilder aus dem Jahr 2014 auf, auf denen Möritz mit Mitgliedern der Hallenser Naziband Barricades posierte.
Mit seiner Ordnertätigkeit konfrontiert, sagte Möritz zunächst, er sei »zu keiner Zeit als Ordner für eine links- oder rechtsextremistische Organisation« tätig gewesen, sondern habe die Ordnerfunktion als Angestellter eines Sicherheitsunternehmens erfüllt, das »diverse Veranstaltungen absicherte«. »Die politischen Gegner meiner CDU versuchen mit allen Mitteln, unsere Partei, den Konservativen Kreis und in Teilen unsere Mitglieder zu beschädigen«, klagte Möritz. Das seien »typische Methoden von Diktaturen«.
Allerdings lässt das sachsen-anhaltinische Ordnungsrecht gar keine gewerbsmäßigen, sondern ausschließlich ehrenamtliche Ordner zu. Zudem trug Möritz bei seiner Ordnertätigkeit ein T-Shirt der Naziband Endstufe, wie Fotos zeigten. Darauf gab der CDU-Mann an, die Ordnerfunktion aus »falsch verstandener Loyalität« übernommen zu haben und als 19jähriger politisch noch nicht gefestigt gewesen zu sein. Tatsächlich war er zum fraglichen Zeitpunkt bereits 21 Jahre alt. Zudem trug er auch im Dezember 2019 noch unverändert die Tätowierung der Schwarzen Sonne.
Der CDU-Kreisverband Anhalt-Bitterfeld mit Sitz in Köthen nahm Möritz seinen vorgeblichen Gesinnungswandel dennoch ab. Bereits vor einer Sondersitzung, die der Kreisverband auf Druck des Landesverbands für den 13. Dezember einberufen hatte, verkündete Matthias Egert, der Vorsitzende sowohl des Kreisverbands als auch des Konservativen Kreises: »Ich halte die Vorwürfe für absurd.« Nachdem Möritz sich in der Sitzung zu seiner Vergangenheit erklärt hatte, sprach ihm der Kreisvorstand einstimmig das Vertrauen aus.
Zwei Tage später trat Möritz bei Uniter aus. Die Satzung des Vereins sieht einen sofortigen Austritt zwar gar nicht vor. Jedoch habe der Verein dem Austrittsgesuch dennoch stattgegeben, da Möritz mit seiner Austrittserklärung lediglich einem Ausschlussverfahren zuvorgekommen sei, teilte Uniter mit. Der Verein dulde keine »extremistischen Einstellungen«.
Kai Mehliß, ein CDU-Mitglied aus dem nahegelegenen Bernburg und ebenfalls Mitglied des Konservativen Kreises, trat im Zuge der Enthüllungen über Möritz ebenfalls bei Uniter aus. Noch am 11. Dezember hatte der Bundeswehrreservist in Bernburg nach Informationen von Spiegel Online einen »Security Round Table« des Vereins organisiert.
Der Landesverband der CDU stellte sich seinen pflichtschuldigen Bekenntnissen zur Demokratie zum Trotz erst einmal hinter Möritz und den Kreisverband Anhalt-Bitterfeld. Das rief scharfen Protest der Koalitionspartner hervor. »Wie viele Hakenkreuze haben Platz in der CDU?« fragten die beiden Landesvorsitzenden der Grünen, Susan Sziborra-Seidlitz und Sebastian Striegel, in einer Pressemitteilung am 14. Dezember. Sven Schulze, der Generalsekretär des CDU-Landesverbands, erwiderte noch am selben Tag, der Beitrag sei inakzeptabel und stelle eine pauschale Vorverurteilung der gesamten CDU dar. Er forderte, auch im Namen des Landesvorsitzenden Stahlknecht, eine umgehende Entschuldigung. »Ohne diese ist eine Fortsetzung der Koalition kaum denkbar«, so Schulze via Twitter.
Zum Bruch kam es dann doch nicht. Offenbar mahnte im Hintergrund die CDU-Bundesführung eine klarere Haltung des Landesverbands gegen Neonazis an. Auf einer Sondersitzung am 19. Dezember beschloss der Landesvorstand, dass Möritz bis zum 27. Dezember eine umfassende Stellungnahme über seine Verbindungen in das rechtsextreme Milieu abzugeben habe und erklären solle, dass NS-Symbolik mit einer CDU-Mitgliedschaft unvereinbar sei. Auch solle er sich seine Tätowierung entfernen lassen. Möritz reagierte am Folgetag, indem er alle Parteiämter niederlegte und aus der CDU austrat. »Um weiteren Schaden von der Partei abzuwenden und politische Diskussionen zu befrieden, möchte ich hiermit ein persönliches Zeichen setzen«, sagte Möritz und fügte an: »Manchmal bedarf es der Besinnung auf die wahren Prioritäten im Leben.« So uneindeutig wie dieser Satz war auch der Umgang der sachsen-anhaltinischen CDU mit der Causa Möritz.