Donald Trumps »Deal des Jahrhunderts«

Hässliche Wahrheiten

Mit seiner neuen Initiative für den Nahen Osten verabschiedet sich US-Präsident Donald Trump von einigen alten Grundsätzen.

Disruption ist sein Hobby. Egal ob Pariser Klimaabkommen oder das Nuklearabkommen mit dem Iran – wenn US-Präsident Donald Trump irgendetwas in der Weltpolitik nicht passt, packt er gerne die Axt aus. Dieses Prinzip scheint auch für seinen jüngst vorgestellten Plan für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zu funktionieren. 181 Seiten ist das Dokument lang, es trägt den Titel »Peace to Prosperity: A Vision to Improve the Lives of the Palestinian and Israeli People«.

Anders als frühere Initiativen orientiert sich das Konzept nicht mehr an den Grenzen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, wie sie im Jahr 1967 aussahen. Zwar sind Eckpunkte des Plans altbekannt, so zum Beispiel die Einverleibung großer Siedlungsblöcke im Westjordanland wie Ma’ale Adumim, Ariel oder Gush Etzion in das Staatsgebiet Israels. Die Palästinenser sollen israelisches Territorium als Kompensation erhalten. All das gab es bereits im Sommer 2000 in Camp David. Gleiches gilt für die Idee, einen Außenbezirk von Ostjerusalem, aller Wahrscheinlichkeit nach Abu Dis, zum Regierungssitz eines palästinensischen Gemeinwesens zu machen. Neu dagegen ist die US-amerikanische Bereitschaft, Israel die Annexion des Jordantals zu gewähren sowie ganz Jerusalem unter israelischer Kontrolle zu lassen.

Es handele sich dabei um eine »realistische Zweistaatenlösung« und dies sei ein »großer Schritt in Richtung Frieden«, so Trump. Wenn die Palästinenser mitspielten, dann winke ihnen ein wahrer Tsunami an finanziellen Wohltaten. Von 50 Milliarden US-Dollar ist die Rede. Zugleich warnte Trump sie davor, seinem »Deal des Jahrhunderts« eine Absage zu erteilen. Die Initiative sei vielleicht die letzte Chance, überhaupt einen Staat zu bekommen.

Das alles klingt ein wenig nach der Devise: »Friss oder stirb!« Auch deswegen kam der sogenannte Friedensplan in Ramallah und Gaza nicht gut an. Mahmoud Abbas, Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde (PA), sprach von einem »tausendfachen Nein«, in den Palästinensergebieten wurde – wenig originell – zum »Tag des Zorns« aufgerufen. »Ich werde niemals diesem Lösungsvorschlag zustimmen«, so Abbas am Wochenende auf der eiligst einberufenen Zusammenkunft der Arabischen Liga in Kairo. »Ich will nicht als derjenige in die Geschichte eingehen, der Jerusalem verkauft hat.« Zudem erklärte er jegliche Form der Zusammenarbeit mit Israel und den Vereinigten Staaten für beendet.

Angesichts dieser kategorischen Ablehnung des Friedensplans forderte US-Außenminister Mike Pompeo die Palästinenser dazu auf, doch ein »Gegenangebot« zu unterbreiten. Sie seien herzlichst dazu eingeladen, selbst Vorschläge zu machen. Damit sprach er ein Kernpro­blem an. Es gibt keine Konzepte der Palästinenser. Ihr Mantra ist nach wie vor: Israel soll sich auf die Grenzen von 1967 zurückziehen, Ostjerusalem muss Hauptstadt eines palästinensischen Staates werden und alle Flüchtlinge dürfen zurückkehren. Die Anerkennung des Existenzrechts Israels aus dem Jahr 1993, so ihre Überzeugung, war der eigentliche und zugleich letzte Kompromiss. Das »tausendfache Nein« von Abbas ist also keine leere Formel, sondern steht symptomatisch für eine Verweigerungshaltung. Es gibt nicht einmal die Bereitschaft, Israel als »jüdischen Staat« zu akzeptieren.

»Es ist Zeit, die Märchen der Vergangenheit einfach mal hinter sich zu lassen, weil sie sowieso nie in Erfüllung gehen werden«, hatte Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Sonderbeauftragter für die Region, in einem Interview mit al-Jazeera betont. Die neue Initiative räumt von vornherein mit der Illusion auf, alle palästinensischen Flüchtlinge beziehungsweise deren Nachkommen könnten im Rahmen einer Friedenslösung in ihre alten Herkunftsgebiete, also auch in das Staatsgebiet Israels, zurückkehren. Genau dieser Punkt hatte in der Vergangenheit jede Gesprächsrunde gesprengt. »Unglücklicherweise wurden die palästinensischen Flüchtlinge in der Vergangenheit als Bauernopfer im nahöstlichen Schachspiel missbraucht, ihnen und ihren Gastländern dabei zahlreiche leere Versprechungen gemacht«, heißt es dazu in »Peace to Prosperity«. Nur die Ansiedlung im zukünftigen palästinensischen Staat oder die Integration in einem ihrer Aufenthaltsländer seien Optionen.

Für Benjamin Netanyahu hätte die Initiative zu keinem passenderen Zeitpunkt kommen können. Denn er ist der erste Ministerpräsident in der Geschichte Israels, der sich wegen krimineller Vergehen demnächst wohl vor Gericht verantworten muss. Außerdem steht im März die dritte Wahl zur Knesset innerhalb von zwölf Monaten an. Vor diesem Hintergrund ist die Tatsache zu verstehen, dass die für Israel sehr positiven Inhalte des Friedensplans – das einzige Zugeständnis wäre ein vierjähriger Stopp des Siedlungsbaus – gerade jetzt, so kurz vor dem Wahltermin, bekannt gemacht wurden.

Trump hatte den »Deal des Jahrhunderts« bereits vor über drei Jahren angekündigt. Nur hörte man seither nie etwas Konkretes – die US-Regierung wolle sich nicht in den israelischen Wahlkampf einmischen, so die Begründung. Nun zählt das wohl nicht mehr. »Ame­rikanische und israelische Regierungschefs haben sich schon öfters in der Vergangenheit gegenseitig geholfen, um Wahlen zu gewinnen«, hieß es dazu in der Fachzeitschrift Foreign Policy. »Aber US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Er verwandelte eine Zeremonie zur Vorstellung des Friedensplans für den Nahen Osten in eine Propaganda-Show für seine Wiederwahl und die von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu.« Ginge es nach dessen Willen, soll bereits auf der nächsten Kabinettssitzung in der kommenden Woche die Annexion über die Bühne gehen. Ob dies auch klappt, das steht auf einem anderen Blatt.

So sehr Trumps Plan Israel entgegenkommt, so bemerkenswert sind die Reaktionen in der arabischen Welt. Die Vereinigten Arabischen Emirate sprachen davon, dass es sich »um eine seriöse Initiative handelt, die durchaus viele Themen anspricht, die in den vergangenen Jahren aufgetaucht sind«. Sogar Saudi-Arabien ließ Interesse erkennen. Denn um die bis dato klandestinen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel auf eine andere, offiziellere Ebene zu heben, bedarf es aus saudischer Sicht einer Beilegung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern – wie diese dann am Ende aussieht, ist dem Herrscherhaus ziemlich egal. Auch Massendemonstrationen der viel beschworenen »arabischen Straße« blieben aus.

All das zeigt, wie sehr sich die Palästinenser politisch in die Sackgasse und damit in die Bedeutungslosigkeit manövriert haben. Zudem ist Mahmoud Abbas mittlerweile 84 Jahre alt. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht, so dass der Kampf um seinen Posten turbulent werden dürfte. Darüber hinaus ist die PA im Dauerclinch mit der Hamas in Gaza, weshalb es schon länger niemanden mehr gibt, der für die Palästinenser insgesamt sprechen könnte. Auch das war in der Vergangenheit immer ein Problem: Mit wem soll man verhandeln und wer hält Vereinbarungen dann auch ein? Deshalb benennt die Initiative Trumps eine Demilitarisierung des Gaza-Streifens sowie die Entwaffnung der Hamas als eine der Grundvoraussetzungen für eine Friedenslösung. Doch darin ist eigentlich schon ihr Scheitern angelegt. Denn wie so etwas bewerkstelligt werden soll, weiß keiner genau.

Trotzdem bleiben die Grundzüge interessant, weil endlich einige hässliche Wahrheiten angesprochen werden, die man bislang tabuisiert hatte. »Viel wichtiger jedenfalls ist, was der Plan den einfachen Palästinensern zu bieten hat – und was er von ihren Anführern fordert«, bringt es der Pulitzer-Preisträger Bret Stephens in der New York Times auf den Punkt. »Angeboten wird ein souveräner Staat, ein halbwegs ­zusammenhängendes Territorium, die Freilassung von Gefangenen sowie eine Verbindung zwischen Gaza und dem Westjordanland und 50 Milliarden Dollar Wirtschaftshilfe. Was im Gegenzug gefordert wird, ist eine Ende der antisemitischen Bigotterie in den Schul-Curricula, die Rückkehr einer legitimen politischen Autorität in Gaza sowie die Auflösung der Terrormilizen.«