Im US-Justizministerium sorgt der Fall Roger Stone für Ärger

Zoff um den »dirty trickster«

Im Fall von Roger Stone, dem langjährigen Berater von US-Präsident Donald Trump, sind vier der beteiligten Staatsanwälte zurückgetreten. 1 100 ehemalige Mitarbeiter des Justizministeriums fordern nun den Rücktritt von Justizminister William Barr.

Wenn US-Republikaner über die Verdienste des derzeitigen Präsidenten sprechen, ist es vor allem ein Punkt, der ­ihnen wichtig ist: Bis zum 1. Februar hat Donald Trump 192 konservative Richter benannt, darunter mit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh zwei, die nunmehr auf Lebenszeit am Obersten Gericht tätig sind. Damit sei, so die Erwartung, der Grundstein dafür gelegt, dass die Rechtsprechung in den kommenden Jahren oder vielleicht sogar Jahrzehnten liberale Politik verhindere.

Dass auch das Department of Justice (Justizministerium, DoJ) unter Trump zu einer zugunsten des Präsidenten intervenierenden politischen Institution wurde, thematisieren die Republikaner hingegen kaum. Am Dienstag vergangener Woche ließ sich das allerdings nicht mehr vermeiden, als vier Staatsanwälte zurücktraten, nachdem das Justizministerium die von ihnen im Fall des Trump-Vertrauten Roger Stone geforderte Haftstrafe als »exzessiv und ungerechtfertigt« bezeichnet und ein »deutlich geringeres« Strafmaß empfohlen hatte. Sieben bis neun Jahre Haft hatten die Staatsanwälte für den 67jährigen gefordert, den eine Jury in mehreren Punkten, unter anderem Beeinflussung von Zeugen und Lügen in einer Kongressanhörung, bereits im Dezember schuldig gesprochen hatte.

Kurz vor der außergewöhnlichen Intervention des DoJ war Präsident Trump auf Twitter aktiv geworden und hatte das geforderte Strafmaß heftig kritisiert. Es handele sich dabei um eine »Verfehlung der Justiz«, das Straßmaß sei »eine schreckliche und sehr unfaire Situation«. Der Verdacht lag nahe, dass der Präsident und der Justizminister William Barr die Intervention vorab geplant und Trump wie üblich ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen seinen Gefühlen per Tweet umgehend freien Lauf gelassen hatte. Oder hatte Barr blitzschnell auf Trumps Einwurf reagiert? War vielleicht doch alles nur ein großer Zufall?

Die Staatsanwälte ließen jedenfalls keinen Zweifel daran, dass ihre Amtsniederlegungen koordiniert und aus politischen Gründen erfolgten: In Zeitabständen, die gerade lang genug waren, dass jede einzelne Amtsaufgabe in Breaking News und folgenden Kommentaren verkündet werden konnte, ­veröffentlichten sie nacheinander ihre Rücktrittsschreiben.

Unterstützung erhielten sie ein paar Tage später von mehr als 1 100 Juristen und Staatsanwälten, die in der Vergangenheit im Justizministerium gearbeitet hatten und Barrs sofortigen Rücktritt forderten. Regierungen, die die »enorme Macht der Strafverfolgung nutzen, um ihre Feinde zu bestrafen und ihre Verbündeten zu belohnen«, seien Autokratien, hieß es in der gemeinsamen Erklärung. Die ehemaligen Staatsbediensteten, die sowohl unter demokratischen als auch republikanischen Präsidenten berufen worden waren, bezeichneten überdies Barr als jemanden, der nach der Pfeife von Trump tanze.

Genau diesen Eindruck hatte Barr eigentlich vermeiden wollen. Nach dem Rücktritt der vier Staatsanwälte hatte er am Donnerstag ein Interview gegeben, in dem er Trump aufforderte, künftig Einmischungen per Twitter zu unterlassen. Viele Kommentatoren hielten das allerdings für ein Ablenkungsmanöver.

Barr hatte sich nicht zum ersten Mal als Justizminister mit zweifelhaften Aussagen auf die Seite des Präsidenten gestellt. Nachdem der Sonderermittler Robert S. Mueller im März 2019 dem DOJ seinen Bericht über die Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahl 2016 durch Russland vorgelegt hatte, veröffentlichte Barr beispielsweise eine Zusammenfassung. Mueller verweigerte ­damals eine klare Aussage darüber, ob Trump und seine Berater im Wahlkampf wissentlich Hilfe von Russland angenommen hatten, und verwies ­darauf, dass über eine Anklage gegen einen amtierenden Präsidenten zu entscheiden Sache der Politik sei. Barr und sein damaliger Stellvertreter Rod J. Rosenstein bezeichneten den Report dagegen – unter Auslassung diverser Fakten – als Freispruch für Trump. Zudem hatte Barrs DoJ das Telefongespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, das zum erfolglosen Amtsenthebungsverfahren gegen Trump führte, für unbedenklich erklärt.

Die Verurteilung von Roger Stone hat nun eine heftige Kontroverse ausgelöst. Trump attackierte zudem die zuständige Richterin Amy Berman Jackson, die der dirty trickster, so Stones Selbstbezeichnung, bereits während ­seines Prozesses auf seinem Instagram-Account heftig angegriffen hatte. Das Foto, das ursprünglich von einem antisemitischen Verschwörungsblog namens »Cosmic Convergence« stammte, zeigte ein Bild der Frau, in das links neben ihrem Kopf ein Fadenkreuz und rechts ein Warnschild mit einem Totenkopf und dem Wort Attorney montiert worden war. Stone schrieb darunter auf seinem Instagram-Account, durch juristische Tricks habe »der Hitman des deep state Robert Mueller sichergestellt«, dass sein Verfahren vor Richterin Berman Jackson stattfinde, die von Präsident Barack Obama berufen worden sei. Stone entschuldigte sich schließlich, wurde aber von der Richterin mit einer gag order belegt, einem Verbot, öffentlich über das Verfahren zu reden.

Kommentatoren wie der prominente konservative Trump-Gegner Rick Wilson gehen im Übrigen davon aus, dass Stones Chancen auf eine Begnadigung durch den Präsidenten sehr hoch sind, zumal dieser durch das für ihn erfolgreich verlaufene Impeachment-Verfahren Oberwasser zu haben glaubt. Am Freitag voriger Woche wurde indessen bekannt, dass das Justizministerium nicht juristisch gegen den ehemaligen FBI-Direktor Andrew McCabe vorgehen wird. McCabe war 2018 auf Veranlassung von Präsident Trump vom damaligen Justizminister Jeff Sessions zwei Tage vor Erreichen der Pensionsberechtigung entlassen worden. Entsprechend wenig begeistert war der Präsident von der Entscheidung des DoJ, wie Mitarbeiter der Regierung der Washington Post mitteilten. Er habe ­vorab nicht davon erfahren und sei wütend, hieß es. Für manche Trump-Anhänger war diese Nachricht ein schwerer Schlag, McCabe gilt ihnen als ­Symbol des verhassten deep state, der FBI, CIA und NSA angeblich fest im Griff habe.

Gleichzeitig beauftragte Barr auswärtige Staatsanwälte mit der Untersuchung einiger Strafverfahren; dazu gehören Prozess und Verurteilung des ehemaligen Sicherheitsberaters von Donald Trump, General Michael Flynn, der unter Verschwörungstheoretikern immens beliebt ist. Dies könnte, so Beobachter, eine Begnadigung Flynns durch den Präsidenten vorbereiten.