Die schlechten Gedichte in Noah Van Scrivers Comic Fante Bukowki sind eine Freude

Kampf an der Schreibmaschine

In seiner Comictrilogie »Fante Bukowski« schildert der US-amerikanische Zeichner Noah Van Sciver, wie ein nerdiger Möchtegernschriftsteller im Literaturbetrieb untergeht. Der sarkastische Dreiteiler erscheint nun in deutscher Übersetzung.

Ein junger Mann träumt davon, ein berühmter Autor zu werden, und schmeißt den verhassten Job in der Kanzlei seines Vaters hin. Aus dem Rechtsanwaltsgehilfen Kelly Perkins wird Fante Bukowski, der angehende Schriftsteller. Er lässt sich die Haare wachsen, legt sich einen Bart zu, trägt eine schmuddelige Tweedjacke, um ein Markenzeichen zu haben. In einem schäbigen Hotelzimmer sitzt er stundenlang vor seiner Schreibmaschine und wartet auf Inspiration für seine Gedichte, die niemand lesen will. Vorerst nicht, denn Fante Bukowksi ist davon überzeugt, richtig gut zu sein. Unfähige Lektoren seien von seiner Genialität eben überfordet. Wie jeden großen Künstler plagen ihn Selbstzweifel. Etwa, wenn er an Bret Easton Ellis’ Erfolg in jungen Jahren denkt, oder wenn der Applaus bei einer Open-Stage-Lesung ausbleibt. Trost sucht er im Suff oder bei einer Prostituierten.

»Fante Bukowski« ist eine ätzende Parodie auf den US-amerikanischen Literaturbetrieb, in dem Autoren wie Popstars gecastet werden und das schriftstellerische Vermögen nur eine Voraussetzung unter vielen ist.

Fante Bukowski ist der erstaunlich unsympathische Protagonist der gleichnamigen Comictrilogie des US-amerikanischen Zeichners Noah Van Sciver, der für seine Arbeiten mit zahlreichen Preisen, darunter der renommierte Eisner Award, ausgezeichnet wurde, hierzulande aber weitgehend unbekannt ist. Sein bei Fantagraphic Books publizierter Dreiteiler über einen nach Ruhm strebenden nerdigen Möchtegerndichter erscheint nun als seine erste größere Veröffentlichung im deutschsprachigen Raum bei dem auf Comics spezialisierten Berliner Avant-Verlag. »Fante Bukowski. Ein amerikanischer Traum« enthält alle drei zwischen 2015 und 2018 erschienenen Bände.

Im ersten Teil der im groben Cartoon-Stil Roberts Crumbs gezeichneten Reihe treibt Fante sich auf Dichterlesungen herum, um die richtigen Leute kennenzulernen, begegnet eitlen Kritikern, sich nach oben schleimenden Jungstars und hat ­einen One-Night-Stand mit Audrey Catron, einer Frau mit kahlgescho­renem Kopf und seltsamem Humor, die gerade ihr erstes Buch veröffentlicht hat. Außerdem beginnt er die Arbeit an einem in der Tschechischen Republik der Sechziger angesiedelten Generationenroman. Als er von einer zufälligen Kneipenbekanntschaft erfährt, dass es die Tschechische Republik vor 1993 als eigenständigen Staat noch gar nicht gab, wirft er das Manuskript in den Müll. (Der durchschnittlich belesene Mensch hat natürlich erkannt, dass die Romanidee noch einen weiteren Haken hat). Im zweiten Teil sieht Fante die Konkurrenz nur so an sich vorbeiziehen, bis sich im dritten und letzten Teil immerhin die Chance ergibt, als Ghostwriter für eine Influencerin namens Royella zu arbeiten.

Überschrieben sind die niederschmetternden Szenen aus dem Leben des verkannten Genies mit Schriftstellerzitaten wie das von Stephen King: »Amateure sitzen rum und warten auf Inspiration, der Rest von uns macht sich an die Arbeit.«

Klingt das witzig? Der Humor der in abgeschlossene Strips mit eigener Pointe gegliederten Comicerzählung ist von der fieseren Sorte. »Fante Bukowski« ist eine ätzende Parodie auf den US-amerikanischen Literaturbetrieb, in dem Autoren wie Popstars gecastet werden und das schriftstellerische Vermögen nur eine Voraussetzung unter vielen ist. Jugendlichkeit, ausgefallene Ernährungsgewohnheiten und Traumata in der Kindheit sind genauso wichtig. Van Sciver lässt keinen Zweifel daran, dass Fante nicht nur langweilig, sondern auch ein unfassbar schlechter Schreiber ist, der lediglich Trash (»Ich, gefangen in einem Käfig aus Fleisch … «) und Plagiate (»Die Leichtigkeit des Seins«) produziert. Einem auf Repräsentation und Diversität bedachten Kulturbetrieb hat der junge Mann aus Denver so gar nichts anzubieten. Das schwierige Verhältnis, das er zu seinem Vater hat, könnte etwas hergeben, aber außer ressentimentgela­denem Gestammel bringt Fante auch dazu nichts zustande.

Aufs Korn genommen wird die Literaturszene der nuller Jahre. Etwa zu der Zeit, als die Popkultur mit ­ihrem Starsystem an Strahlkraft verloren hat und die Musik nicht länger als Leitwährung der Jugendkultur gelten konnte, wandelte sich die Rolle des Schriftstellers: Der unschein­bare Büchermensch wurde abgelöst durch den sexy Intellektuellen, der, begehrt, umschwärmt und vermögend, zu einer Ikone der Internetkultur wurde.

Fante enpuppt sich denn auch als früh gescheiterter Rockstar mit Emo-Vergangenheit. Als Teenager mit schwarzgefärbten Haaren war er mit traurigen Liedern im lokalen Kulturzentrum unterwegs, musste aber einsehen, dass ihm das Gitarrespielen keinen Spaß macht. Also ver­legte er sich aufs Texten.

Um Hybris, Ruhmsucht und Versagensängste des männlichen Individuums geht es auch in vielen anderen Arbeiten von Van Sciver, der als Dozent und Zeichner in Columbia, South Carolina, lebt. Neben der »Fante Bukowski«-Trilogie ist es vor allem die 2018 erschienene Graphic Novel »One Dirty Tree«, die autobiographisch geprägt ist. Darin wird das Aufwachsen eines Jungen in einer armen, empathielosen Familie erzählt, die deutlich an Sitten und Gebräuche der Mormonen erinnert, in deren sektenartigem Milieu Van Sciver groß geworden ist, bevor er und sein Bruder sich aus der Glaubensgemeinschaft lösen konnten.

Wie sein Schöpfer hat Fante in seiner Jugend die Bücher von John Fante und Charles Bukowski inhaliert, worauf sein großspuriger Künstlername verweist. Was Fante mit den beiden Heroen des Machismo verbindet, ist ein dumpfer Hass auf Eliten und ­Intellektuelle, ein unbestimmtes Gefühl, nicht dazuzugehören, ein mit viel Alkohol zele­briertes Außenseitertum und ein dysfunktionales Verhältnis zu Frauen. Einfach nur lustig ist das natürlich nicht, dafür ist die Hauptfigur zu unausstehlich – zottelig, wehleidig, starrer Blick, Schweißperlen rinnen über Fantes wachsweißes Gesicht, wenn er versucht, wich­tige Leute anzusprechen.

Der Comic hat nicht den niedlichen Charme vieler hierzulande populärer Künstler-Graphic-Novels, die dem Protagonisten mit Verständnis und Empathie begegnen und ihm ein aufmunterndes »Kopf hoch« zuzurufen scheinen. Hier geht es so gemein und zotig zu wie in den gegenkulturellen Comics der sechziger Jahre. Wer den Schaden hat, bekommt den Spott noch dazu. Lediglich im dritten Band wird mit Fante etwas freundlicher umgegangen; auch der Zeichenstil wandelt sich, die Farben hellen auf, die Konturen werden klarer und der Protagonist ist nicht mehr durchweg als schwitziger Trottel gezeichnet.

Dichterstars und Wanna-be-Autoren trennt ein schmaler, tiefer Graben: Vergötterung hier, tiefe Verachtung dort. Parallel zur Erzählung von Fantes Kampf an der Schreibmaschine wird in Strips mit Titeln wie »Wie läuft’s eigentlich bei Audrey Catron?« die Geschichte eines aufstrebenden Sterns am Literaturhimmel erzählt: Audrey Catron, deren erstes Buch von allen böse verrissen wurde, so dass sie sich eines Nachts von Fante aufheitern lassen musste, startet mit ihrem zweiten Roman so richtig durch. Aus einem als schwierig geltenden Mädchen ist über Nacht ein von Kritikern, Agenten und Lesern umschmeichelter Literaturstar geworden.

Die Karriere von Audrey geht den heute üblichen Gang: Ihr Buch »Das ewige Band« erklimmt erst die Bestseller-Liste der New York Times und soll dann verfilmt werden. Die junge Autorin muss jetzt schwierige Entscheidungen treffen. Wird sie sich gegen die kommerzielle Vernutzung ihres spröden Werks wehren oder akzeptiert sie den lukrativen Hollywood-Vertrag und verrät ihre künstlerische Integrität? Von solchen Problemen kann Fante nur träumen.

Zwar hat Fante Bukowski durchaus gewisse Ähnlichkeiten mit Van Sciver. In der Figur des schnauzbärtigen Cartoonisten Noah, mit dem Audrey eine Weile zusammenlebt, hat sich der 1984 in New Jersey geborene Zeichner aber sehr viel deutlicher selbst porträtiert. Noah ist auch die Figur, mittels derer sich über die Incel-Tendenzen des durchschnittlichen jungen Mannes im Zeitalter des Spätkapitalismus lustig gemacht wird. Noah beobachtet das Inceltum an sich selbst, spürt den Neid auf die berühmte Freundin und kämpft gegen das Gefühl, selbst nur ein langweiliger Normalo zu sein.

In einem Interview erklärte Van Sciver, die Noah-Figur sei als kleiner »Witz« gedacht. Er habe die unsympathische Audrey abstrafen wollen, indem er sie mit einem noch größeren Unsympathen verkuppelte: sich selbst.

Noah Van Sciver: Fante Bukowski. Aus dem Amerikanischen von Benjamin Mildner. Avant-Verlag, Berlin 2020, 416 Seiten, 30 Euro