Eine in Nordrhein-Westfalen enttarnte IS-Terrorzelle soll Anschläge geplant haben

Ein Youtuber und zwei US-Stützpunkte

In Nordrhein-Westfalen hat die Polizei eine mutmaßliche jihadistische Terrorzelle ausgehoben, die Anschläge auf einen islamkritischen Youtuber und zwei US-amerikanische Militärbasen geplant haben soll. Ihr Anführer hatte vorher Aussagen bei der Polizei gemacht.

Vor anderthalb Jahren schmiedeten Ravsan B. und seine Kumpane große Pläne: Sie wollten sich dem »Islamischen Staat« (IS) anschließen und in den »Heiligen Krieg« ziehen. Erst dachten sie darüber nach, in ihr Herkunftsland Tadschikistan zu gehen. Seit 1994 wird das nördlich von Afghanistan gelegene Land autoritär von Präsident Emomalij Rahmon regiert. Islamistische Bestrebungen gab es dort zwar immer wieder, selbst in höchsten Regierungskreisen, doch bislang wurden sie immer niedergeschlagen.

Der Jihad in Deutschland erschien Ravsan B. und Co. wohl bequemer. Per Telegram-Chat sollen sie im Januar 2019 Kontakt zu Abu Fatima al-Jaheishi bekommen haben, einem hochrangigen IS-Kommandeur im Irak. Auf die Frage, wie man die Terrororganisation unterstützen könne, soll Abu Fatima zunächst geantwortet haben: mit Geld. Doch die tadschikischen Islamisten aus Nordrhein-Westfalen wollten selber aktiv werden und bekamen schließlich die Genehmigung für eigene Anschlagsplanungen. Die Gruppe machte sich nun recht zügig ans Werk und beschaffte sich Waffen.

Ihre Vorhaben waren ambitioniert: Unter anderem sollen die Mitglieder erwogen haben, US-Luftwaffenstützpunkte mit Drohnen oder per Gleitschirm anzugreifen. Die Frau eines Beschuldigten erkundigte sich sogar, wie teuer Flugstunden seien. Für die Verwirklichung solcher Pläne brauchten sie allerdings viel Geld. Das sollte unter anderem durch die Ausführung eines Mordauftrags hereinkommen, für den Ravsan B. sowie Farhodshoh K. nach Albanien reisten. 40 000 US-Dollar sollte es für den Mord geben. Doch die beiden konnten ihre Zielperson nicht identifizieren und reisten unverrichteter Dinge wieder aus Albanien ab.

Der gescheiterte Mordauftrag brachte die Jihadistenzelle allerdings nicht von ihren Zielen ab. Scharfe Waffen besaß sie schon. Und in Neuss wohnte der Islamkritiker Amir Arabpour. In seinem Youtube-Kanal »Ex-Muslime klären auf TV« verkündete der selbsternannte »Knecht Christi« immer wieder, wie gefährlich der Islam für Deutschland sei. Dass Arabpour dabei einen Hang zu Verschwörungstheorien hat, bewies er kürzlich erneut, als er den rassistischen Hintergrund des Anschlags von Hanau leugnete und von Manipulation schwadronierte.

Ravsan B. und seine Mitstreiter begannen im März 2019, die Lebensverhältnisse von Arabpour auszukundschaften und planten einen Anschlag auf ihn. Allerdings standen sie zu diesem Zeitpunkt bereits unter Beobachtung der nordrhein-westfälischen Polizei. Diese durchsuchte unter anderem die Wohnung von Ravsan B., bei dem Waffen gefunden wurden. B. sitzt seitdem in Wuppertal in Unter­suchungshaft.

Auch andere Mitglieder der Gruppe sahen bereits vor einem Jahr Polizei­zellen von innen, allerdings nur für kurze Zeit. Am 29. März 2019 fuhr ein 19jähriger aus Tadschikistan stammender Mann mit einem Auto einmal quer durch die Fußgängerzone von Essen. Verletzt wurde dabei zwar niemand, trotzdem läuteten bei den Ermittlern alle Alarmglocken. Könnte die gescheiterte Amokfahrt der erste Anschlag der Zelle gewesen sein? Um das auszuschließen, nahm die Polizei insgesamt elf Männer fest, darunter auch mehrere der kürzlich Verhafteten. Damals kamen sie wieder frei, es gab keine Verbindungen zu dem Amokfahrer aus Essen und auch sonst lag nichts gegen die Männer vor, das eine Inhaftierung gerechtfertigt hätte.

Dass die fünf Jihadisten nun wegen der Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung »Islamischer Staat« und der Bildung einer Terrorzelle auf Veranlassung des Generalbundesanwalts inhaftiert wurden, hängt mit dem Verhalten ihres Anführers Ravsan B. zusammen. Seit Dezember– B. saß zu diesem Zeitpunkt schon ein halbes Jahr in Untersuchungshaft– soll er sich nämlich gegenüber den Ermittlern kooperativ verhalten und umfassende Aussagen gemacht haben. Dabei soll er sowohl sich selbst als auch die kürzlich verhafteten Azizjon B., Muhammadali G., Farhodshoh K. sowie Sunatullokh K. schwer belastet haben. Aus dem Mobiltelefon von Ravsan B. konnten die Ermittler ihren Angaben zufolge zudem große Teile der Kommunikation der Terrorgruppe nachvollziehen.

Im nordrhein-westfälischen Innenministerium ist man zufrieden mit den Verhaftungen. Minister Herbert Reul (CDU) sprach von einer »riesigen Dimension« des Falls. Der Islamismus bleibe neben dem Rechtsextremismus die größte Gefahr für die »freiheitlich-demokratische Grundordnung«, so Reul.