Die Boxkolumne - Von Bienen und Schmetterlingen

Wohnzimmer zu Box­­tempeln

Kolumne Von

Wie bis vor kurzem noch Angehörigen aller Glaubensgemeinschaften ist den Anhängern des gepflegten Faustkampfes die gemeinsame Ausübung ihrer tief verinnerlichten Rituale weiterhin untersagt. Weltweit baumeln die Sandsäcke in den Box­tempeln trostlos von den Decken. Eine baldige Beendigung dieses Zustands ist nicht zu erwarten. Kontaktsportarten wie ­Boxen, Karate oder Ringen dürften aus verständlichen Gründen noch länger untersagt bleiben. Zur Überbrückung der trainingsfreien Zeit hilft nur ein individuell gestaltetes Programm. Dafür braucht es weder einen Sandsack noch große Vorkennt­nisse. Wie Sie ihre Wohnung zu einem Boxtempel umdekorieren können, wo Sie die besten Kniffe für ein kerniges Familienduell herbekommen und mit welchen Hausmitteln Ihnen dabei geholfen werden kann, erfahren Sie hier.

Fangen wir mit den Räumlichkeiten an: Olaf Jessen, der Betreiber des Hankook-Sportcenters in Hamburg, empfiehlt im Hamburger Abendblatt, sich einen Raum von »rund zweimal 1,5 Metern« einzurichten. Fürs Erste reiche das zum Trainieren. Nach den Aufwärmübungen, die sehr individuell gestaltet werden können, komme eine Abfolge der Grundschläge. Neben der Reihenfolge der Schläge sei dabei vor allem die richtige Ausführung zu beachten. »Wer die Übungen nicht korrekt ausführt, beispielsweise beim Schlagen die Ellbogen überstreckt, riskiert Gelenkschäden, aber auch Muskelprobleme, Sehnenrisse oder sogar Knochenbrüche«, erklärt der Vertrauensarzt im Bund Deutscher Berufsboxer (BDB), Michael Ehnert. Der ehemalige lei­tende Arzt im Hamburger Profistall Universum empfiehlt, zur besseren Kontrolle die Bewegungen vor einem Spiegel zu trainieren.

Einen guten Einblick in die Materie können Neueinsteiger bei Youtube bekommen. Zum Beispiel vermitteln die Videos des einstigen Kickbox-Weltmeisters Pavlica Steko oder der Kanal von Boxing Art die Grundtechniken leicht verständlich. Wer diese Techniken grundsätzlich beherrscht, findet im Netz zahlreiche weiterführende Angebote. Einige Anleitungen zum Schatten­boxen stechen dabei hervor. Ein virtuelles Live-Training dreimal wöchentlich bietet Olaf Jessen auf Facebook an. Und für den Fall, dass die Fortgeschrittenen unter Ihnen in ihren eigenen Wänden zu Partnerübungen übergehen wollen, hat der Boxtrainer noch einen praktischen Vorschlag: Um Pratzen, also Schlagpolster, zu simulieren, könne »man sich auch mittels Gummibändern Kissen an den Handgelenken fixieren«.

Nach ein wenig Übung – unseriöse Experten sprechen von zwei bis drei Wochen – braucht es dann nur noch etwas Flatterband als Absperrung und die Handschuhe vom letzten Skiausflug, um die heimische Boxarena mit der gesamten Kernfamilie einzuweihen. So können Sie Ihr trautes Heim zu einem Tempel des Boxens umfunktionieren und auch noch ganz nebenbei einmal nachprüfen, ob die Sublimierung von Frust und Wut mittels zivilisierter Gewalt wirklich eine Sternstunde menschlichen Geistes war.