Die extreme Rechte widmet sich verstärkt der Umweltpolitik

Zurück zu den Wurzeln

Die extreme Rechte will die Umweltpolitik nicht länger den Linken und Grünen überlassen. Als größtes ökologisches Problem gilt ihr die »Überbevölkerung«, beliebt ist die Postwachstumsideologie. Zugleich versucht sie, den Klimawandel herunterzuspielen.

Die AfD will die Errichtung von Solaranlagen verhindern, Windräder demontieren, die Atomkraft fördern und »wolfsfreie Zonen« ausrufen. Eine »Dekarbonisierung«, den Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energiequellen, werde dagegen die Wirtschaft ruinieren und zu einer Ökodiktatur führen, behauptet die Partei. Ein schneller und starker Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur sei nicht zu erwarten, der Einfluss von Kohlendioxid »nirgendwo und über keinen Zeitraum« nachzuweisen. So steht es in der »Dresdner Erklärung«, die die umweltpolitischen Sprecher der AfD-Bundestags- und Landtagsfraktionen im vergangenen Jahr verabschiedeten.

Das Thema Umweltpolitik ist für rechte Parteien durchaus relevant, über die Ausrichtung wird jedoch gestritten. Alan Posener empfahl der AfD in der Welt, sich in der Umweltpolitik auf das Thema »Überbevölkerung« zu konzen­trieren. Dieser Ratschlag war überflüssig: In seiner Rede über unterschiedliche Reproduktionsstrategien forderte Björn Höcke (AfD) schon 2015, Grenzen zu schließen, um Afrikaner zu einer »ökologisch nachhaltigen Bevölkerungspolitik« zu bewegen. Dort gebe es zu viele Menschen. Ähnliche Thesen finden sich auch bei NPD und FPÖ sowie in der Zeitschrift Sezession unter dem Schlagwort Postwachstumsökonomie. In der »Dresdner Erklärung« heißt es, Bevölkerungswachstum in Schwellen- und Entwicklungsländern stelle den Umweltschutz »vor immer größere Probleme«.

Ökologie wird als Bewahrung von Haus und Hof, Kulturlandschaft und Bauerntum aufgefasst.

Es gibt zahlreiche Ansätze rechter Umweltpolitik. Identitäre brauen lokal Bier, Autonome Nationalisten kochen vegan und Neonazis lassen sich in der Tradition der Artamanen, eines Siedlungsbunds aus dem radikal völkischen Flügel der Jugendbewegung der Weimarer Republik, in Randlagen, wo Haus und Hof günstig sind, als Ökobauern nieder. Funktionäre der winzigen Herbert-Gruhl-Gesellschaft bilden eine Art Ökoflügel der AfD, in Kaderschmieden wie dem Institut für Staatspolitik (IfS) oder bei der französischen Nouvelle Droite wird über regionale Wirtschaftskreisläufe räsoniert.

Ein prägnantes Beispiel ist auch das »Ökomanifest von rechts«, das der extrem rechte Autor Philip Stein 2014 in der Sezession publizierte. Er will die Deutungshoheit über die Umweltfrage zurückgewinnen, die an die Linken verlorengegangen sei. Dazu müssten die Grünen radikalökologisch überholt werden. Der Vorschlag eines Veggie Day hätte seinerzeit von rechts kommen sollen, verbunden mit der Forderung nach einem starken Staat. Stein proklamierte außerdem die Absage an die Moderne unter dem Motto »zurück zum Ursprung«, geistig, seelisch, kulturell und wirtschaftlich, und sprach von einer Befreiung vom »Wachstumszwang«.

Steins Manifest fand allerdings nur bescheidene Resonanz. Die Sezession hatte bereits 2013 ein Heft der Heimattümelei gewidmet, Compact tat dies 2018. Gepriesen wurden die Dichter der Romantik, die Heimatschützer und Lebensreformer aus dem Kaiserreich. Die Sezession würdigte Nazis wie den Reichsbauernführer und Landwirtschaftsminister Walther Darré und den Reichslandschaftsarchitekten Alwin Seifert, der Hitlers Autobahnen mit heimischen Gewächsen verschönerte. Höcke plädierte 2017 für eine »konservative Ökologie« und die rechte Zeitschrift Recherche D publizierte 2019 »Thesen für eine konservativ-ökologische Wende«, in denen »Überbevölkerung« einmal mehr als »Mutter aller Umweltprobleme« firmiert.

Seit April gibt es die Zeitschrift Die Kehre. Laut Homepage ist die Zeitschrift von Martin Heidegger und dessen Werk »Die Technik und die Kehre« inspiriert. Man wolle Dinge »ganzheitlich« und ökologische Fragen mitsamt »Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum, also auch Haus und Hof (Oikos)« betrachten, vom Klimaschutz aber hält man nichts. Herausgeber Jonas Schick, nach Angaben der Recherchegruppe AfD-Watch Bremen ehemals Mitglied erst der Jungen Alternative, dann der Identitären Bewegung (IB), kritisiert wie Stein die Konservativen der alten BRD, weil sie die »Kronjuwelen«, den Naturschutz, der Linken überlassen hätten, und rügt die AfD, deren ökologisches Profil »enorm zu wünschen« übrig lasse. Die Kritik indirekt annehmend lobte Höcke Die Kehre in höchsten Tönen. »Heimatliebe und Naturschutz« seien »zwei Seiten einer Medaille«, schrieb er im Mai auf seiner Facebook-Seite. »Eine der Tragödien der deutschen Nachkriegsgeschichte« sei, dass die »heimathassenden Grünen das Thema Naturschutz gekapert« hätten. »Wir müssen es ihnen entwenden«, so Höcke.

Dass sich rechte Ideologen derzeit wieder des Themas Umwelt annehmen, geschieht wohl mehr in instrumenteller Absicht denn aus Überzeugung. Dabei zeichnen sich für die Propaganda einige Schwerpunkt ab. Ökologie wird als Bewahrung von Haus und Hof, Kulturlandschaft und Bauerntum, von als natürlich verklärten Institutionen wie Ehe und Familie, generell als Bewahrung einer natürlichen kosmischen Ordnung aufgefasst. Eine solche Haltung vertraten bereits Heimatschützer und Ökofaschisten wie ­Herbert Gruhl und Baldur Springmann.
Die Postwachstumsdebatte hat im rechten Kontext die Funktion, den modernen Individualismus anzuprangern und Verzicht zu predigen. Zwar wird gelegentlich der Wachstumszwang des Kapitalismus beklagt, aber ohne kritische Analyse der Produktionsverhältnisse oder gar Ambitionen, diese zu überwinden. Maßhalten wird gefordert und die alte völkische Phrase aufgegriffen, die Wirtschaft möge der Nation dienen. Dazu finden sich vage Vorstellungen von Regionalisierung und Dezentralisierung. Der Kauf regionaler Produkte sei »ein patriotischer Akt«, heißt es beispielsweise bei Recherche D.

Statt den Klimawandel offensiv zu leugnen, konzentrieren sich die neuen Ökofaschisten unter der Parole »Naturschutz statt Klimaschutz« darauf, die vermeintlich herrschende »Klimahysterie« und Fridays for Future anzugreifen. Vor allem setzen sie am Grundwiderspruch bürgerlicher Umweltpolitik an, dem Versprechen eines Green New Deal, der Kapitalverwertung, Wirtschaftswachstum und Umweltschutz vereinen soll. In der Kehre werden etwa Elektroautos wegen des enormen Verbrauchs metallischer Rohstoffen sowie Biogasanlagen wegen der Monokulturen, des Flächenverbrauchs und des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln gerügt. Die Einwände sind stichhaltig, aber nicht neu. Sie wurden längst von ökologischen Linken und sogar im bürgerlichen Lager thematisiert. Sie zeigen aber an, dass sich manche Rechte in die Thematik einarbeiten.

In der Kehre publiziert auch Michael Beleites, ein Vertreter der DDR-Umweltbewegung. Er war zeitweise für Greenpeace und die Grünen als Berater tätig, bewegt sich aber seit 2015 in der rechten Szene. Im Januar 2018 sprach er als Referent bei einer Winterakademie des IfS in Schnellroda. Die Ökorechte kann fast beliebige Positionen einnehmen, weil Fakten egal und Widersprüche irrelevant sind. Das garantiert Anschlussfähigkeit in alle Richtungen – Heimattümelei, Ökomalthusianismus und Sozialdarwinismus sind ohnehin bis in grüne und linke Milieus zu finden. Die AfD sagt »ja zum Diesel« und nein zur »Überbevölkerung«, die Verteidigung von Privilegien auf Kosten den Armen im globalen Süden passt zur rassistischen Kernkompetenz. Oder man bedient sich des Mystizismus, der Blut-und-Boden-Ideologie und eines völkischen Pseudoantikapitalismus und zielt auf eine Klientel, die für Gemeinwohlökonomie und Regionalgeld schwärmt. Seit Aluhüte, Anthroposophen und Esoteriker gemeinsam gegen pandemiebedingte Einschränkungen auf die Straße gehen, agitiert auch die AfD gegen den vermeintlich herrschenden oder zumindest drohenden Impfzwang.

Als Regierungspartei betreiben Rechte (das zeigt das Beispiel der FPÖ) wie andere bürgerliche Parteien Real­politik mit Umweltkosmetik. Autarkie oder Regionalgeld erweisen sich dann an den Anforderungen der Kapitalverwertung als die Hirngespinste, die sie sind.