US-Präsident Trump will eine Polizeireform hintertreiben

Multitasking als Gegenstrategie

Wie US-Präsident Donald Trump Ressentiments gegen die Polizeireform schürt und was dagegen getan werden könnte.
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Als der US-amerikanische Präsident Donald Trump jüngst über Polizeigewalt gegen Schwarze in den Vereinigten Staaten befragt wurde, spielte er sein übliches Spiel: Teile und herrsche. »Was für eine schreckliche Frage«, bellte er seine Interviewerin an und erinnerte sie daran, dass auch weiße US-Amerikaner Opfer von Polizeigewalt seien. Es würden sogar mehr Weiße getötet als Schwarze, bekräftigte er.

In der Tat tötete die Polizei in den vergangenen fünf Jahren fast 2 500 Weiße und 1 300 Schwarze. Die Zahlen verschleiern aber die Relation, denn Afroamerikaner machen nur 13 Prozent der Bevölkerung aus. Ihr Anteil an den im vergangenen Jahr von der Polizei ­erschossenen Menschen betrug dagegen 24 Prozent. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, von der Polizei getötet werden, für Schwarze etwa doppelt so hoch wie für Weiße.

Trumps Strategie sollte niemanden überraschen; er versucht, bei seinen weißen Anhängern Wut auf die Bewegung für eine Polizei­reform zu schüren und die öffentliche Diskussion über Rassismus zu beenden. Das könnte jedoch nach hinten losgehen. Denn Aufmerksamkeit für weiße Opfer von Polizeigewalt muss nicht zwangsläufig in ein Nullsummenspiel führen, sie kann den Blick auf das Problem sehr wohl erweitern. Denn während Polizeigewalt das Leben von people of color unverhältnismäßig stark beeinträchtigt, schaden repressive Polizeimethoden jenseits des strukturellen Rassismus auch vielen Weißen.

Aber werden Trumps Kritiker und Kritikerinnen wieder in dessen Falle tappen? Oder haben sie sein Spiel inzwischen gelernt? Man muss sich daran erinnern, wie er während des vorigen Präsidentschaftswahlkampfs einen Schutzhelm aufsetzte, um sich scheinbar mit den prekär Beschäftigten in den deindustrialisierten Regionen des Mittleren Westens zu solidarisieren. Er hatte keine Lösungen für die konkreten Probleme dieser Menschen, stattdessen machte er sich ihre Lage zunutze, um seine Gegner anzugreifen. Es ist dieselbe Methode, die er nun einsetzt, um die Bewegung für eine Polizeireform auszuschalten. Er bezieht sich erneut auf »weiße« Klagen – und wie zuvor bietet er reine Ressentiments und keine Lösungen an.

Es gibt also keinen Anlass, erneut in die Falle des Präsidenten zu tappen. Die Aufgaben sind zwar nicht unbedingt leicht zu bewältigen, aber doch ziemlich klar. Zum einen müssen Trumps Kritikerinnen und Kritiker sich mit dem strukturellen Rassismus bei der Polizei auseinandersetzen. Und sie müssen zugleich den allgemein repres­siven Charakter der Polizeiarbeit thematisieren, der weitere Teile der Bevölkerung betrifft. Die US-amerikanische Polizei tötete 2019 fast 1 100 Menschen, relativ zur Bevölkerung mehr als 30mal so viele wie die deutsche Polizei. Auch die Anzahl der Verhaftungen und der Strafgefangenen ist in den USA exorbitant höher als in anderen westlichen Staaten.
Hier zeigt sich sowohl ein Problem des allgemeinen Rassismus als auch eines tiefgreifenden Demokratiedefizits. Die Bekämpfung des Rassismus bei der Polizei erfordert eine institutionalisierte Rechenschaftspflicht, die die Polizei unter öffentliche Aufsicht stellt und ihre Übergriffe eindämmt.
Der Aufschrei über die Polizeigewalt ist eine große Chance für einen Wandel. Aber ist die Bewegung in der Lage, mehrere Auf­gaben zugleich zu erledigen? Kann sie den hartnäckigen Rassismus und das strukturelle Demokratiedefizit gleichzeitig bekämpfen? Trump hat auf zynische Weise die weißen Opfer der Polizeigewalt in den Fokus gerückt. Die Bewegung steht vor der Herausforderung, Menschen verschiedener Bevölkerungsgruppen zu vereinen, um rassistische Ungleichheit zu beseitigen und repressive Polizeipraktiken insgesamt zu beenden.