Die Rechtskolumne – das Bundesverfassungsgericht muss über den »Mietendeckel« entscheiden

Privat vermieten, öffentlich deckeln

Im Paragraphendschungel – eine Kolumne über das Recht im linken Alltag, Teil 25.
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Viel wird diskutiert über den sogenannten Mietendeckel, jedenfalls in Berlin. Das Land Berlin hat es gewagt, in einem differenzierten System Mietobergrenzen einzuführen.

Geschuldet ist das den vergangenen zehn Jahren, in denen die Mieten stark gestiegen sind. Ob diese Obergrenzen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, ist strittig und wird auf Antrag von Abgeordneten der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt. Es ist vor allem zu klären, ob das Land Berlin eine Gesetzgebungskompetenz für eine Mietobergrenze hat.

Die Gegner bestreiten das: Mietrecht sei Bürgerliches Recht, der Bund habe es mit den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) umfassend gestaltet. Berlin entgegnet, dass in besonderen Notlagen auch öffentlich-rechtliche Eingriffe in das Mietrecht zulässig seien und die entsprechende Gesetzgebungsbefugnis im Wohnungswesen seit der Föderalismusreform 2006 bei den Ländern liege.

Das ist zugegebenermaßen etwas verwirrend. Das Bürgerliche Recht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Privatleuten und damit faktisch das gesamte Alltags­leben. Wenn jemand einer anderen Person auf der Straße eine Zigarette gibt, ist das beispielsweise eine Schenkung gemäß Paragraph 516 BGB.

Das Öffentliche Recht ist weniger umfassend und regelt, was der Staat erlaubt oder verbietet. So war es aus Gründen des Infektionsschutzes in der Pandemie zeitweise verboten, Einzelhandelsgeschäfte zu öffnen. Doch dieses Verbot war auch ein Eingriff in bürgerlich-rechtliche Verträge. Der Arbeitgeber konnte seine Angestellten nicht mehr anweisen, das Geschäft zu öffnen, dort konnten keine Kaufverträge abgeschlossen werden und vieles mehr. Dennoch kam niemand auf die Idee, Berlin vorzuwerfen, es habe mit den Verordnungen in die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes eingegriffen. In der Krisensituation der Pandemie war offensichtlich, dass spezifische Verbote und Gebote nötig sind und nicht alles auf Augenhöhe zwischen gleichberechtigten Privatpersonen verhandelt werden kann.

Beim »Mietendeckel« verhält es sich ähnlich. Die Wohnungssituation in Berlin ist kritisch, befeuert durch Spekulation wegen des andauernden Zuzugs. Da seit der Föderalismusreform die Länder für das Wohnungswesen zuständig sind, können sie auch die Mietpreise regulieren. Das Öffentliche Recht kennt zahlreiche Preisregulierungen. Niemand wundert sich, dass etwa die Taxipreise festgesetzt werden, was ebenfalls die Vertragsfreiheit einschränkt.

Für Konservative und Liberale ist das schwer zu verstehen. Ihr Staat hält sich am besten aus ihren Geschäften heraus, bekämpft allenfalls randständige Machenschaften und sorgt ansonsten für einen reibungslosen Ablauf der Marktwirtschaft. Die Berliner Landesregierung hat sich anders entschieden und greift in den Wohnungsmarkt ein, weil sie der Ansicht ist, dass dieser zum Schaden der Allgemeinheit wirkt.

Wie das Bundesverfassungsgericht in dem Fall entscheiden wird, lässt sich nicht sicher absehen. Die Vermieterlobby hält das Gesetz für ganz offensichtlich verfassungswidrig. Allerdings hätte das Bundesverfassungsgericht es dann bereits auf die Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz seitens einzelner Vermieter hin kassieren können.

Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, der Wohnungsmarkt in den deutschen Großstädten erfüllt die Bedürfnisse einer ganz großen Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner nicht. Eine grundsätzliche Umgestaltung tut not.