Die Europäische Union betreibt bei Cannabidiol eine Politik der Prohibition

EU bei Cannabidiol unentspannt

Die EU-Kommission will CBD als Betäubungsmittel einstufen. Damit stellt sie sich gegen den weltweiten Trend zur Entkriminalisierung des Gebrauchs von Cannabisprodukten.

CBD erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Abkürzung steht für Cannabidiol, es handelt sich dabei um ein nicht psychoaktives Cannabinoid aus der weiblichen Hanfpflanze. Es soll entkrampfend, entzündungshemmend und angstlösend wirken. Bei vielen der CBD-Produkte, die in Drogerien erhältlich sind, sei die Wirksamkeit nicht nachgewiesen, klagen nicht ­wenige Apotheker. Sie sprechen von »Wildwuchs im CBD-Markt«.

Es geht auch um die juristische Einordnung und den daraus folgenden ­behördlichen Umgang mit entsprechenden Produkten. Ist CBD ein Arznei- oder ein Nahrungsergänzungsmittel? Einige Anbieter von CBD-Produkten hatten versucht, ihr Angebot bei der EU als »Novel Food« registrieren zu lassen, also als Lebensmittel, das Zutaten enthält, die bislang noch nicht in der EU handelsüblich waren; das hat die EU-Kommission jüngst verworfen.

Auch als Genussstoff findet CBD enthaltendes Cannabis seinen Weg in ­immer mehr Tüten und Pfeifen. »Ein THC-Joint macht dich high, CBD entspannt lediglich die Muskulatur«, beschreibt der Händler Adrian Manelli auf Anfrage der Jungle World den Unterschied zwischen herkömmlichem ­Cannabis mit hohem THC-Gehalt und seinen CBD-Produkten. Er betreibt mit einem Partner Calma CBD, eine Firma in Berlin. Noch am selben Tag, an dem man bestelle, könne man sich in Köln und Berlin CBD-Gras und -Öl nach Hause liefern lassen, so das Versprechen der Firma. Ihre Kunden seien größtenteils zwischen 20 und 40 Jahre alt, etwa gleich viele Frauen wie Männer seien darunter. Eine ähnliche Kundschaft dürften die diversen Headshops und Spätis haben, die in deutschen Großstädten neben Tabakwaren auch CBD-Produkte verkaufen.

Damit soll nach dem Willen der EU-Kommission bald Schluss sein, berichtete kürzlich das Nachrichtenportal Apotheke Adhoc: »Die EU-Kommission sieht natürlich hergestellte CBD-Produkte als Betäubungsmittel und hat deshalb alle Anträge von Herstellern gemäß der Novel-Food-Verordnung gestoppt. Setzt sie ihre vorläufige Auffassung durch, könnte das das Ende für den Großteil des seit Jahren wachsenden Marktes für CBD-Öle, CBD-Nahrungsergänzungsmittel und CBD-­Lebensmittel sein.« Nicht mittels Verordnungen wie der zu »Novel Food« und entsprechenden Genehmigungen den wachsenden Markt zu regulieren, sondern CBD als Betäubungsmittel einzustufen, sei ein Richtungswechsel, so Apotheke Adhoc. Selbst für Brancheninsider sei es deshalb ein überraschender Schritt gewesen, dass sich die EU-Kommission bei ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause auf eine restrik­tive Haltung festgelegt habe.

Was als Betäubungsmittel eingestuft wird, kann nicht als Lebensmittel oder Ähnliches verkauft werden. »Die Einstufung von CBD als Betäubungsmittel würde dahingehend Klarheit schaffen, dass CBD-Produkte in den genannten Läden nicht mehr vertrieben werden können. Das ist aber natürlich total ­absurd, einen entzündungshemmenden, nicht psychoaktiven Wirkstoff zu verbieten«, sagte Niema Movassat, der drogenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Linkspartei, der Jungle World.

Movassat befindet sich mit seiner Einschätzung von CBD auf einer Linie mit der Weltgesundheitsorganisation WHO. »Die WHO hatte bereits 2018 CBD als Wirkstoff eingestuft, dem kein Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential zugeschrieben werden kann«, so der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete. Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) hat dieses Jahr CBD von ihrer Liste der verbotenen Substanzen genommen. So wäre der Konsum von CBD für Olympioniken formal erlaubt. Trotzdem warnt der Deutsche Leichtathletikverband seine Mitglieder in seinem Anti-Doping-Newsletter vor dem Gebrauch von CBD-Produkten, da diese mehr THC als angegeben enthalten könnten, das zumindest im Wettkampf als verbotenes Mittel gilt.

Die Vermarktung von CBD läuft in vielen Ländern über Werbung mit Sportlern. Besonders der Kampfsport sticht dabei hervor. Dort findet sich Werbung bei Spartenveranstaltungen wie der Bare Knuckle Fighting Cham­pionship, die Boxkämpfe ohne Handschuhe organisiert. Die US-ameri­kanische Ultimate Fighting Championship (UFC), der weltweit größten Veranstalter von Mixed-Martial-Arts-Events (MMA) und einer der größten privatwirtschaftlichen Sportveranstalter der Welt, möchte mit einem kanadischen CBD-Produzenten eigene Produkte für Sportler entwickeln und hat dafür eine Tochterfirma gegründet.

Da verwundert es schon, wenn es weltweit bei Marihuana in Richtung Entkriminalisierung oder sogar Legalisierung geht und das Hanfprodukt CBD in vielen Ländern gar ganz von Verbotslisten verschwindet, aber die EU-Kommission bei CBD das Betäubungsmittelgesetz anwenden will. ­Movassat erklärt diesen Widerspruch damit, dass die Europäische Kom­mission in ihrer derzeitigen Zusammensetzung eben kein progressives Gremium sei. Es sei daher nicht besonders überraschend, dass diese weiterhin eine Politik der Prohibition verfolge und jegliche wissenschaftlichen Erkenntnisse ignoriere.

Einige Apotheker sehen allerdings Apotheke Adhoc zufolge gerade in der Verschärfung bei CBD die Gelegenheit, die Substanz als Arznei einzustufen und somit über die Krankenkassen als Medikament beispielsweise bei der Schmerzbehandlung erstattungsfähig zu machen. Im September soll entschieden werden, wie es in der EU mit CBD weitergeht. Die Kommission hat die Firmen, die Anträge auf Zulassung ihrer CBD-Produkte als »Novel Food« gestellt haben, über ihre vorläufige Auffassung informiert und sie aufgefordert, bis Anfang September Stellungnahmen zum Thema abzugeben.