Dienstag, 11.09.2018 / 13:35 Uhr

Guter Bulle, böser Bulle

Von
Kristof Maria Künssler

Seit vergangenem Samstag findet in Berlin bis 12. Oktober das Red Bull Music Festival statt. Dass der Managing Director und größter Anteilseigner der Marke ein bekennender Rechtsaußen ist, scheint dabei niemanden wirklich zu interessieren.

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Seit vergangenem Samstag findet in Berlin derzeit bis 12. Oktober das Red Bull Music Festival zum 20. Jubiläum der Red Bull Music Academy statt. Auf über 150 Veranstaltungen verteilt geben sich die international derzeit kredibilsten Popkultur-Schaffenden die Klinke in die Hand, neben renommierten Stars wie Janelle Monáe, Jeff Mills oder Pusha T finden sich auch emanzipatorisch oder queer rezipierte Künstler_innen wie Sevdaliza und Gudrun Gut.

Soweit, so normal im Kulturbetrieb. Dass mit Red Bull allerdings eine Marke tonnenweise credibility abgreift, deren Managing Director und größter Anteilseigner ein bekennender Rechtsaußen ist, scheint niemanden wirklich zu interessieren.

Das Softdrink-Imperium von Dietrich Mateschitz hatte die Red Bull Music Academy bereits vor zwanzig Jahren ins Leben gerufen, seitdem fand die Veranstaltung an wechselnden Orten weltweit statt, dieses Jahr kehrt sie wie im Gründungsjahr nach Berlin zurück. Red Bull Music versuchte in den vergangenen Jahren immer intensiver, in der Popkultur weiter Fuß zu fassen, somit ist es wenig verwunderlich, dass inzwischen auch zahllose Künstler_innen beteiligt sind, die sich sonst klar gegen Rechts positionieren. Red Bull setzt hier bewusst auf Diversität, und ist neben etwa der Telekom einer der Industrie-Giganten, die mit dieser Strategie Unsummen in die Aufwertung der eigenen Marke investieren.

Mateschitz macht keinen Hehl aus seinen Ansichten zu „Einwanderungswelle“, „Political Correctness“, „Meinungsdiktatur“ und seiner Nähe zur österreichischen Rechtsaußen-Regierung. Die Plattform wird zwar von einer Stiftung und nicht von Red Bull finanziert, bereits im April 2017 berichtete die Zeitung Der Standard aber, dass die einzigen Stifter Mateschitz selbst und die Servus Medien GmbH sind. Letztere firmierte früher, so der Standard-Artikel weiter, "unter den Namen Red Bull Media House TV GmbH und Red Bull TV GmbH. Sie gehört dem Red Bull Media House, 100-Prozent-Tochter von Red Bull.“

ServusTV ist im übrigen der Sender, der ohne weiteres Vertreter der Identitäten Bewegung in Talkshows einlädt, und politisch in ein ähnliches Horn wie die neue Plattform bläst. Unter anderem die Identitären waren es, die Mateschitz´ Äußerungen freudig geteilt haben.

Dass nun im Jahr 2018, einem Jahr, das die autoritäre Wende wie keines vorher offen gelegt und gezeigt hat, wie weit fortgeschritten die rechte Vernetzung, und wie wichtig die Formierung dagegen ist, dass in diesem Jahr ausgerechnet Red Bull zur Marke der Stunde wird, ist kein Zufall.

Im Medienbereich stirbt ein Format nach dem anderen weg, im Kulturbetrieb kämpfen Tontechniker_innen, Künstler_innen, ach, die gesamte Infrastruktur ums Überleben – prekärer könnte die Situation kaum sein.

Red Bull Music rennt mit seinem gigantischen Budget hier offene Türen ein, denn von Idealismus allein kann keiner leben, und die existierenden alternativen Strukturen können niemandem das Überleben sichern. Die gesamte RB-Organisation sorgt für den Lebensunterhalt von zahllosen sonst emanzipatorisch engagierten und sicher idealistischen Leuten, und wer kann es diesen verdenken. Zumal Mateschitz´ Policies im englischsprachigen Raum quasi unbekannt sind.

In Österreich hat im vergangenen Mai eine zumindest öffentliche Debatte stattgefunden, nachdem die Künstlerin Sonja Resista in einer Facebook-Notiz an mit Red Bull kooperierende KünstlerInnen appellierte - in Berlin findet eine solche Diskussion derzeit nicht im Ansatz statt.

Auf dem Papier mögen Red Bull Music und Mateschitz nicht Eins sein. Die credibility erntet fraglos die Marke, und weite Teile dieser Marke sind rechte Propagandisten.

Es ist an allen Beteiligten, dafür zu sorgen, dass die Strukturen auch ohne fragwürdige Mäzene wie Red Bull funktionieren, aber in Anbetracht der ohrenbetäubenden Stille in diesem Fall, und der Tatsache wie tief Red Bull inzwischen im Kulturbereich verankert ist, sind wir davon weit entfernt.