Freitag, 19.07.2019 / 12:47 Uhr

Iran: Kampf ums Kopftuch

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Euronews berichtet aus dem Iran:

Die reformorientierte Parlamentsabgeordnete Parvaneh Salahshouri plädiert in der Kopftuchfrage für Wahlfreiheit - auch wenn sie selbst aus religiöser Überzeugung Kopftuch trägt: "Die Sittenpolizei hat es nicht geschafft, den Kopftuchzwang zu institutionalisieren", konstatiert die Abgeordnete. "Meine Frage an die Entscheidungsträger: Hat die Politik versagt? Die (harte) Linie der Sittenpolizei jedenfalls ist ein Misserfolg."

Salashouri glaubt, dass Zwang in gesellschaftlichen Fragen nichts bewirkt. Wer mit der derzeitigen Kopftuchpolitik nicht einverstanden sei, solle gesellschaftlichen Ungehorsam üben, so die Parlamentsabgeordnete. "Die iranischen Frauen haben nicht kapituliert", meint sie im Gespräch, auch wenn es ein langer und steiniger Weg sei und beim Kopftuchgesetz "derzeit" eine "rote Linie" existiere, die nicht überschritten werden könne.

Tschador oder Hijab? Die Frage ist alt und hochaktuell zugleich. In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden persische Frauen im Zuge einer forcierten Modernisierung dazu angehalten, ihre Verschleierung aufzugeben. Nach der iranischen Revolution schlug das Pendel in das andere Extrem aus. Seit Jahren ist die Kopftuchdebatte ein Gradmesser für die gesellschaftliche Stimmung im Religionsstaat Iran und für das Kräftezerren zwischen Reformern und Radikalen.

"Wahlfreiheit beim Kopftuch ist eine Strategie des Feindes", war auf einer Pro-Kopftuch-Demonstration im Teheraner Shiroudi-Stadion unlängst zu hören und auf den mitgebrachten Plakaten zu lesen. Doch Bilder tiefverschleierter Frauenmassen, die gegen eine Aufweichung des Kopftuchzwanges protestieren, spiegeln nicht das reale Meinungsbild iranischer Frauen wieder. Sicherlich, es mangelt an gesicherten Daten, doch zeigt beispielsweise eine Umfrage des wissenschaftlichen Dienstes des iranischen Parlamentes, die 2018 veröffentlich wurde, dass eine klare Mehrheit der Frauen ein leger getragenes Kopftuch bevorzugen und eine Vollverschleierung strikt ablehnen.

Den schwarzen Tschador, bei dem der Haaransatz durch ein fest gebundenes Tuch abgedeckt wird, tragen nur relativ wenige Iranerinnen. Laut Umfrage wollen und wählen nur 13 Prozent der Frauen den Tschador. Unter dieser Minderheit finden sich allerdings viele radikalisierte Frauen. Diese machen öffentlich mobil gegen einen angeblich vom Westen gesteuerten Sittenverfall. Und die iranischen Justizbehörden haben dazu aufgerufen, Frauen mit lose getragenem Hijab-Kopftuch zu denunzieren. Die Methoden erinnern an diejenigen eines totalitären Überwachungsstaates: man solle Fotos und Videoaufnahmen von nicht korrekt verschleierten Frauen an von der Justiz eingerichtete Medien-Accounts schicken.