Samstag, 14.12.2019 / 09:41 Uhr

Kein ehrbarer Antisemitismus. Zur Wahlniederlage von Labour

Von
Thomas von der Osten-Sacken

„Der Augenblick einer Revision und neuen geistigen Selbstbestreitung der Linken ist gekommen; denn sie ist es, die dem Antisemitismus eine ehrlose dialektische Ehrbarkeit zurückgibt. Die Allianz des antisemitischen Spießer-Stammtisches mit den Barrikaden ist wider die Natur, Sünde wider den Geist, um in der vom Thema erzwungenen Terminologie zu bleiben. (...) Es gibt keinen ehrbaren Antisemitismus. Wie sagte Sartre vor Jahr und Tag in seinen "Überlegungen zur Judenfrage": "Was der Antisemit wünscht und vorbereitet, ist der Tod des Juden."“

Dies schrieb Jean Améry vor vielen Jahren in einem seiner Essays und warnte vor einem neuen linken Antisemitismus, der im Mäntelchen internationaler Solidarität nur den alten hoffähig mache.

Jahrzehnte später tritt im Vereinigten Königreich eine Arbeiterpartei an, deren Spitzenkandidat so Übles zu Israel geäußert hat, dass sich das britische Oberrabbinat genötigt sah, eine Wahlempfehlung gegen Labour auszusprechen und nun, nach der krachenden Niederlage einer der traditionsreichsten sozialistischen Parteien Europas, Englands Juden, deren Mehrheit bislang keineswegs die Tories unterstützte, erleichter aufatmet. Ganz im Gegenteil galten die Tories lange Zeit als die weit judenfeindlichere Partei.

Linker Antisemitismus ist eben nicht nur, was Améry ihn nannte, er hilft auch nicht, Wahlen zu gewinnen. Ganz im Gegenteil drückten erfreulich viele traditionelle Anhänger der Arbeiterpartei, die im Vorfeld befragt wurden, ihre Abneigung gegenüber Jeremy Corbyns Haltung aus. Linker Antisemitismus zahlt sich also nicht einmal aus. Ob die Labour viel zu spät die Lektion lernen wird oder sich hinter dem ehemaligen Bürgermeister von London sammeln und nun Juden auch noch die Schuld am Wahlausgang geben wird?

Antisemitismus in der Linken war und ist vor allem Wegbereiter: Am Ende gewinnen, im Nahen Osten kann die verbliebene alte Linke beispielsweise Lieder darüber singen, sollten ihre Mitglieder Exekutionen und Verfolgung überlebt haben, ganz andere, wie etwa die Mullahs im Iran, mit denen sie sich in ihrem Hass auf Westen und Israel zuvor verbündet hatten. Und dies ist nur ein Beispiel von vielen.

Erinnert sich noch wer an Zeiten, als europäische Sozialisten regelmäßig als Judenfreunde beschimpft wurden? Was für eine Ehre im Rückblick, bedenkt man, dass heute Rabbiner sich genötigt sehen, vor ihnen warnen zu müssen.