Montag, 11.05.2020 / 21:40 Uhr

Corona in Moria: Bitte kein Klopapier!

Von
Thomas von der Osten-Sacken

Flüchtlinge aus dem notorischen Moria Lager schreiben einen offenen Brief an die Caritas Austria

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Spendenaufrufe zur Unterstützung der Flüchtlinge in Moria haben gerade Hochkonjunktur. Je weniger Organisationen, als es im März wirklich drauf ankam, vor Ort waren, so scheint es, je mehr lancieren jetzt Corvid-19 Maßnahmen. So auch die österreichische Caritas, die eigenen Angaben zufolge 1,5 Millionen in ihrer bislang größten Facebook-Sammelkampagne generiert hat.

Mit so viel Geld ließe sich einiges machen, auch wenn es ein wenig spät kommt. Oder man macht das:

"Endlich geht die Hilfe im großen Stil los" (...) 5.000 Pakete mit 40.000 Rollen Klopapier wurden bereits im Camp Moria angeliefert und werden laufend verteilt; weitere 5.000 Rollen werden erwartet mit 1.000 Stück Hygiene-Material speziell für Frauen. Die große Versorgungslücke für Toilettenpapier ist somit gedeckt. "

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(Klopapier für Moria; Bildquelle: Caritas/ Facebook)

Offenbar wurde die Betroffenen einmal mehr nicht gefragt, sonst hätte man in Wien recht einfach erfahren können, dass es viele Versorgungslücken in den elenden griechischen Hotspots gibt und gab, aber nie eine mit Toilettenpapier.

Deshalb haben zwei Flüchtlingsselbsthilfeorganisationen jetzt einen offen Brief an die Caritas verfasst:

 

"Sehr geehrte österreichische Caritas,

im Namen von zwei selbstorganisierten Flüchtlingsorganisationen im Lager Moria auf Lesbos möchten wir Ihnen zunächst sehr danken, dass Sie an uns denken und so viel Zeit und Mühe aufwenden, um 1,5 Millionen Euro für die Unterstützung der Hotspots auf den griechischen Inseln zu sammeln. Wir leben hier in dieser Hölle, und wir sind dankbar für jede Person, die an uns denkt.

Aber leider waren nur sehr wenige Organisationen hier, als sich Corona das erste Mal auf der Insel Lesbos ausbreitete, und wir alle hatten Angst, dass es das Lager erreichen könnte. Wir versuchten, dies zu verhindern, und führten viele Aktivitäten selbst durch, mit der Unterstützung von nur wenigen, hauptsächlich lokalen Gruppen und Organisationen.

Wir brauchen überhaupt kein Toilettenpapier. 90% der Bewohner*innen des Lagers kommen aus Ländern, in denen die Menschen Wasser statt Toilettenpapier benutzen!

Wir sehen, dass jetzt viele NGOs Geld für die Corona-Prävention sammeln, aber wir fragen uns auch, warum wir zu unseren Bedarfen weder kontaktiert noch angerufen werden. Wir haben immer noch fast kein Wasser, nur sehr wenige Duschen und Toiletten und eine Menge anderer brennender Probleme.
Wir haben erfahren, dass Sie heute im Lager 40.000 Rollen Toilettenpapier verteilt haben, denn, wie Sie sagten, sei dies ein dringender Bedarf und eine "Lücke, die es zu füllen gilt".

Wir sind sehr erstaunt, denn wir können uns nicht vorstellen, dass irgendein*e Flüchtende*r Ihnen das erzählt hat. Denn wir brauchen überhaupt kein Toilettenpapier. 90% der Bewohner*innen des Lagers kommen aus Ländern, in denen die Menschen Wasser statt Toilettenpapier benutzen! Und selbst wenn, würde das Toilettenpapier sofort das schlechte Abwassersystem des Lagers verstopfen.

Wir haben einige Statements aus dem Lager gesammelt, um zu beweisen, dass wir uns dieses Thema nicht ausdenken. Jede*r, mit dem wir heute gesprochen haben, war erstaunt über diese Spende. Und es ist nicht die einzige, wir erhalten viele Artikel zur Unterstützung, um die wir in diesen Tagen nie gebeten haben, wie zum Beispiel Winterkleidung, während hier der Sommer angefangen hat.

Wir haben nur eine einfache Bitte, die wir schon oft geäußert haben: Wir freuen uns über Hilfe und Solidarität, aber bitte fragen Sie uns vorher, was wir brauchen, denn wir wissen das, wir leben jeden Tag hier und müssen versuchen, diese Zeiten zu überleben.

©️ MORIA CORONA AWARENESS TEAM
©️ MORIA WHITE HELMETS'"

 

Eine Antwort von Caritas Österreich: https://jungle.world/blog/von-tunis-nach-teheran/2020/05/internationalen-standards-und-grundsaetzen-verpflichtet