Die Musikerin AWA aus Simbabwe ist eine Pionierin des afrikanischen HipHop

Eine von fünf Rapperinnen des Landes

Die junge Rapperin Awakhiwe Sibanda aus Zimbabwe setzt sich in der Männerdomäne HipHop durch.

Awakhiwe Sibanda ist auch bekannt unter dem Kürzel AWA: African Women Arise. In ihrem Herkunftsland Zimbabwe gehört die Rapperin noch immer zu einer der wenigen Pionierinnen des Genres. Im Südwesten Afrikas ist HipHop nicht sonderlich verbreitet und etabliert sich nur langsam neben traditionellen Musikformen – seit kurzem werden auch größere Festivals mit internationaler Beteiligung veranstaltet. AWA zufolge gibt es nicht mehr als fünf rappende Frauen in Zimbabwe, sie sei die erste gewesen, die bislang tot­geschwiegene Probleme wie sexuelle Belästigung und Schwangerschaften von Minderjährigen öffentlich thematisierte.
Dass ihr in Afrika inzwischen Tausende zuhören, lässt sie sich beim Gespräch im Hof eines Hostels in Berlin-Mitte nicht anmerken. Um Ruhm gehe es ihr ohnehin nicht, sagt sie, sondern um ihre Botschaft. Ihre Texte handeln von häuslicher Gewalt, Prostitution und Abtreibung, aber auch von Selbstverwirklichung – in einem Land, dessen Bewohner sich um ihre bloße Existenz sorgen müssen.
Der hektische Sprechgesang war für die 24jährige zu Beginn nur eine Impulshandlung: »Manchmal hat es mich überkommen und ich habe beim Abwaschen, unter der Dusche oder einfach auf der Straße mit einigen Jungs gerappt.« Erst ihr Bruder brachte sie dazu, sich in das einzige Studio ihres Viertels – eine kleine Hütte mit veralteter Technik – zu begeben, um Musik aufzunehmen. Das war 2013. Drei Jahre hat es danach bis zum Achtungserfolg gebraucht.
AWA kommt aus Makakoba, einem der ältesten Townships in Zimbabwes zweitgrößter Stadt Bulawayo. »Armut ist dort sehr verbreitet, die Arbeitslosigkeit liegt bei etwa 80 Prozent«, sagt sie. »Viele Leute sind obdachlos, die Straßen kaputt und die Behausungen in einem schäbigen Zustand.« Etwa 18 000 Menschen leben in Makakoba. Perspektiven bieten sich ihnen kaum, die meisten sind sich selbst überlassen. Im von wirtschaftlichen Krisen und Hungersnöten geschüttelten Zimbabwe bleibt der soziale Aufstieg denen vorbehalten, die die politische Nähe des 92jährigen Präsidenten Robert Mugabe suchen, der seit über drei Jahrzehnten im Amt ist.
Trotz oder gerade wegen der problematischen Lebensbedingungen seien viele Bewohner des Viertels an Kunst interessiert, meint AWA. Während der Staub durch die Straßen wirbele, erzählt sie lebhaft, werde in einem Art Center getanzt und Theater gespielt, auf den Straßen fänden Konzerte statt – und man blicke in freudige Gesichter, weil die Musik für einen Moment über den tristen Alltag hinweg trösten könne.
Das ist einer der Gründe, weshalb politische Inhalte in AWAs Texten immer wieder eskapistischen Aussagen weichen. Anflüge von Dancehall-Vibes und Afrobeat sind zu ­vernehmen, Zitate aus dem Trap der US-amerikanischen Südstaaten mit seinen hektischen HiHats und aus UK Funky schmuggeln sich in AWAs Musik, die freudiges Zappeln provoziert. Verantwortlich für diesen globalisierten Sound zeichnen Mitglieder des Berliner Dancehall-Trios Symbiz, mit dem AWA zuerst auf einem Festival in Zimbabwe zusammenkam.
Schnell ließ sich die Rapperin davon überzeugen, ihre Musik tanzbarer zu gestalten. »Mir waren die sozialkritischen Texte immer sehr wichtig«, sagt sie. »Aber man kann doch nicht immer so ernst sein.« Parallel zum bassdominierten Debütalbum, das im August erscheinen soll, wird sie ein Lyrik-Album mit politischen Gedichten veröffentlichen, mit dem sie sich unter anderem für ein positives Frauenbild einsetzt.
Einen Tag vor dem Gespräch spielte AWA erneut ein Konzert auf der Straße. Das erste Mal außerhalb von Afrika. Sie war von den Veranstaltern des Berliner Torstraßenfestivals eingeladen worden. AWA betrat die Bühne in einem knallgelben, zerfransten Zweiteiler. Das Publikum, bestehend überwiegend aus modebewussten jungen Leuten, die bei Konzerten kritisch in der Ecke mitnicken, schien gefesselt zu sein von der Energie der zierlichen Frau. Zum Schluss jauchzte AWA vor Freude. Dass jemand außerhalb Zimbabwes derart euphorisch auf ihre Musik reagieren würde, hatte sie vor ein paar Jahren noch nicht für möglich gehalten.
Kritische Kunst wird in Zimbabwe kleingehalten, die Presse zensiert. AWA gehört der Minderheit der Ndebele an, die etwa ein Fünftel der ­Bevölkerung stellen. Zwischen 1982 und 1987 wurden mindestens 10 000 von ihnen getötet. Angesprochen auf die Zustände in ihrem Herkunftsland, wird AWA wütend. Das System sei »fucked up«, sagt sie. »Fast niemand hat Arbeit, auf den Straßen sieht man obdachlose Kinder, Waisenhäuser werden trotzdem keine gebaut und dann sind da noch die 15 Milliarden Euro, die dem Volk zustünden, aber verschwunden sind.« Neben den veruntreuten Steuereinnahmen aus dem Diamantenhandel, deren Verbleib bis heute nicht geklärt wurde, stört sich AWA auch am Umgang mit Musikern. Nicht einen Radiosender gebe es in der zweitgrößten Stadt Zimbabwes, keinen Fernsehsender und jedes kreative Schaffen werde vom Staat überwacht. »Ein Musikvideo an einem Ort deiner Wahl zu drehen, ist undenkbar, und sobald man sich ansatzweise kritisch äußert, dürfen die Radiosender in der Hauptstadt die Musik nicht mehr spielen. Es bleiben nur die sozialen Medien, das reicht nicht.«
Freiheiten findet AWA im Ausland. Ein Musikprojekt in London steht an, ein Studium der Sozialen Arbeit in Südafrika läuft nebenbei. Gleichzeitig treibt AWA der nimmermüde Wille, ihr Herkunftsland zu einem besseren Ort zu machen und die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben. Damit ist sie zu einem Vorbild avanciert. Die jüngsten Ereignisse in Zimbabwe deuten darauf hin, dass es für die Herrschenden gefährlich werden könnte. Es gibt Machtkämpfe innerhalb der Regierungspartei Zanu PF, und im April forderten rund 2 000 Oppositionelle auf den Straßen Harares den Rücktritt des greisen Mugabe. Es war die größte Demonstration seit Jahren.
Vom 27. bis 30. September ist AWA zu Gast beim Urban Africa Festival im Clubbahnhof Ehrenfeld in Köln.