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Krauts und Rüben – der letzte linke Kleingärtner, Teil 43
Im Herbst ist die Gartenarbeit weitestgehend gelaufen. So ganz stimmt das zwar nicht, aber ich habe tatsächlich weniger zu tun. Die große Wachstumseuphorie ist vorbei. Mit der freigewordenen Zeit lassen sich zwei Dinge anstellen: Entweder ein paar Kolumnen auf Vorrat schreiben. Da ich mich als Kleingärtner gut in die Zukunft hineindenken kann, wäre das kein Problem. Meine Prognosen gingen bisher alle auf. Oder aber ich widme mich mal wieder der Spezies der Metropolenlinken. Das ist intellektuell weniger anstrengend, als eine Zukunftskolumne oder gar deren zwei, drei oder vier zu schreiben. Gesagt, getan.
Normalerweise lästert der gemeine Metropolenlinke, so wie ich ihn mir vorstelle, mit seinem Adorno im Gepäck über die Deppen vom Land, weil rückständig und so. Überhaupt sind Begriffe wie »Land«, »ländlich« oder »Provinz« für den städtischen Bescheidwisser nur Synonyme für »hinter dem Mond« und »nicht auf der Höhe der Zeit«. Schließlich existiere nur in der Stadt die von Menschen im Geiste der Aufklärung gestaltete Kulturlandschaft, wo der Mensch Herr und Frau der Dinge ist. Irgendwo weit drunter vegetiert, lange bevor man die Regionen des globalen Südens erreicht, die ebenfalls merkwürdigerweise irgendwo unten liegen, der Landmensch. Er ist immer noch, schon seit Jahrhunderten, dabei, der Ödnis von unberührter Naturlandschaft das zum Leben Nötige abzuringen. Er haust noch immer in seiner kleinen Hütte und gibt sich allerhand Formen der Inzucht hin.
Was in Sprüchen flott dahergesagt wird, ist nichts anderes als ein selbstgestricktes Klischee vom vermeintlichen Landdeppen. Erst wenn man dieses Klischee eindringlich im eigenen Kopf fixiert hat, erzielt man den Distinktionsgewinn, den es braucht, um sich endlich mal wieder gut zu fühlen. Besonders schwer haben es die Landmenschen, die in die Stadt gezogen sind. Sie können sich nicht entscheiden, wo sie zu Hause sind. Sie sind sozusagen die wahlentscheidende Mitte, um deren Sympathie es zu ringen gilt.
Richtige Metropolenlinke sind schon seltsame Menschen, aber eben unsere Mitbürger. Sie wissen alles, kennen alles, tragen ihre Nase hoch und lästern bevorzugt über Menschen, die nicht aus Metropolen kommen. Ganz schwierige Klientel. Therapie wirkt nur langsam. Aber weil sie unsere Mitmenschen sind, sollten wir die Integration versuchen. Irgendwie sind sie auch der Ausdruck des real existierenden Stadt-Land-Konflikts in politischen Bewegungen. Aber das ist ein anderes Thema.
Auch wenn mich im Moment weniger Gartenarbeit bindet, arbeitslos ist man als Kleingärtner zu keiner Jahreszeit. Lassen wir sie also in ihrem Metropolenkosmos, auch wenn sie mit ihren seltsam naturromantischen Vorstellungen näher bei den den Landbewohnern unterstellten Einstellungsmustern sind, als ihnen lieb ist. Mir soll es recht sein.
Wenn sie dadurch glücklicher sind, müssen sie seltener zum Arzt. Das spart uns allen Kosten. Mir reicht es, dass ich bereits für die wirklichen Deppen auf dem Land, die es selbstverständlich gibt, Steuern zahlen muss. Ohne meine Steuern als Kleingärtner und die meiner vielen Kollegen wäre Deutschland ärmer. Garantiert.
Aber in einem Punkt hat die Spezies der Metropolenlinken recht und den richtigen Riecher. Während in Städten Gartenflächen wie die Nadel im Heuhaufen gesucht und, wenn man sie denn findet, höchstbietend vertickt werden, lässt man sie in ländlichen Regionen verkommen. Jedes Jahr sehe ich in meiner direkten Umgebung, wie Gartenfläche um Gartenfläche stillgelegt wird. Wo soll das enden? Vielleicht ist doch was dran am Geschwätz der Metropolenlinken von den Deppen und Rückständigen auf dem Land. Auszuschließen ist es nicht. So wie ein blindes Huhn manchmal ein Korn findet, kann auch der gemeine Metropolenlinke versehentlich recht haben. Es geschieht selten, aber es geschieht.
Am Ende der Kolumne soll der Metropolenlinke gefälligst dumm in die Röhre schauen. Dann nämlich, wenn unsereiner in der Kelterei seines Vertrauens vorbeifährt und ein paar Liter frisch gepressten, aber nicht abgekochten Apfelsaft für wenig Geld ersteht und sich daran die nächsten Tage labt. Köstlich und extrem naturverbunden. Saugeil.