Bundeswehrsoldaten planten die Ermordung linker und liberaler Politiker

Waffendepots für den »Tag X«

Von Jan Stich

Die Berichte über ein rechtes Netzwerk in der Bundeswehr, eine Art »Schattenarmee«, der auch Soldaten der Eliteeinheit KSK angehören sollen, klingen wie aus einem Film. Deutsche Politiker halten sich in der Sache bedeckt.

»Geheimplan von 200 Elite-Neonazi-Soldaten der deutschen Spezialkräfte, in einer als ›Tag X‹ benannten Mission Politiker und Migranten abzuschlachten, wird vereitelt, nachdem ein früherer Major alles gesteht.«

Haben Sie diese Überschrift gelesen? Nein? Kein Wunder. Die Überschrift war nämlich im Original auf Englisch und stand so auch nur im britischen Boulevardblatt Daily Mail. »Elitesoldaten wollten die Grüne Claudia Roth und andere Linke ermorden« berichtete das Blatt weiter. Die Daily Mail ist berüchtigt für ihre reißerische Berichterstattung, die nicht immer auf Fakten basiert. In diesem Fall scheint es aber einen wahren Kern zu geben.

Auslöser war ein Bericht des Focus über Ermittlungen des Bundeskriminalamts. Demnach sollen zwei Beamte des Staatsschutzreferates am 13. Juli 2017 eine außergewöhnliche Aussage auf­genommen haben. Horst S., früherer Luftwaffenoffizier und Major der ­Reserve »berichtete den Ermittlern ­militärisch präzise von den Plänen einer Schattenarmee innerhalb der Bundeswehr«. Diese bereite sich auf den Ausbruch eines Bürgerkrieges vor. Gedankenspiele, die man so bisher nur aus verschwörungstheoretischen Internetforen kannte, scheinen auch in der Bundeswehr zu kursieren. Der Gruppe sollen auch Soldaten der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) angehören. Man plane für einen »Tag X«, an dem Terror und Verwahr­losung zum Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung in Deutschland führen. Für diesen Tag seien Waffendepots angelegt worden. Es heißt, es gäbe Pläne und Listen mit Politikern und linken Aktivisten, die am »Tag X« zu töten seien.

 

Ein Teil der Planungen soll dem ­Focus zufolge über den Verein Uniter gelaufen sein. Dieser wurde eigentlich gegründet, um die Soldaten des KSK zu ­betreuen. Elitesoldat ist, ähnlich wie Bundesligaprofi, kein Job, den man bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter von 67 ausüben kann. Der Verein unterstützt die Soldaten bei der Rückkehr ins Zivilleben, versteht sich aber auch als Think Tank zur »Entwicklung nationaler und internationaler Schutzkonzepte«. Etwa 1 800 Mitglieder soll er mittlerweile haben, dazu gehören neben KSK-Mitgliedern auch Fallschirmjäger, Fernspäher und Beamte aus Polizei und Verfassungsschutz. Es gibt eine eigene Aufnahmeprüfung und der Verein ist hierarchisch organisiert, gibt sogar ­eigene Abzeichen heraus.

Eine Schattenarmee bereite sich auf einen Bürger­krieg vor, berichtet ein ehemaliger Offizier.

Innerhalb dieses Vereins habe sich, so zitiert der ­Focus Zeugen, ein Netzwerk aus 200 aktiven und ehemaligen Soldaten ge­bildet. Gestützt wird diese These durch eine Recherche der Taz, die ein Jahr lang in der rechtsextremen Prepper-Szene geforscht hat. Prepper sind Menschen, die sich auf ihrer Meinung nach nahende apokalyptische Zustände vorbereiten. Einige legen Vorräte von Batterien und Gemüse an, andere horten Waffen und Munition. Letztere ­organisieren sich in Chat-Netzwerken, eine zentrale Figur dort nutzt den Decknamen Hannibal. Hannibal ist Administrator eines der Netzwerke und versorgt die Prepper mit Lagebildern aus dem Innern der Bundeswehr.

Der Taz zufolge ist Hannibal KSK-Soldat und Gründer von Uniter. In einer Pressemitteilung wehrt sich der Verein: »Der aktuellen Berichterstattung der politisch linksextrem oder zumindest links­orientiert einzuordnenden Presse widersprechen wir an dieser Stelle zum wiederholten Male ausdrücklich.« Konkretere Aussagen gibt es jedoch nicht, das Uniter-Presseteam verweist auf »laufende, behördliche Ermittlungen«, zu denen man grundsätzlich keine Stellung beziehe. Ein bisschen gruselig las sich die Antwort der Uniter-Pressestelle an den Focus. Die Reporter hatten danach gefragt, ob Mitglieder des Vereines Waffenlager anlegen. Der Verein antwortete mit dem überspezifischen Dementi, dass der Verein selbst keine Waffen­lager unterhalte.

 

Das Ganze erinnert verdächtig an den Fall Franco A. Der Oberleutnant wurde im April 2017 verhaftet. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, einen rechtsterroristischen Anschlag geplant zu haben. Dazu hatte der Soldat sich mit ­falschen Angaben als syrischer Kriegsflüchtling registrieren lassen und ­gemeinsam mit einem Bekannten Waffen und Munition gelagert. In seinen Unterlagen sollen sich Listen potentieller Opfer befunden haben. Abgesehen hatte er es offenbar auch auf die Amadeu-Antonio-Stiftung. Fotos auf seinem Mobiltelefon zeigen, dass er die Räumlichkeiten der Stiftung bereits im Juni 2016 ausgekundschaftet hatte. Das verantwortliche Oberlandesgericht Frankfurt am Main sieht allerdings keinen hinreichenden Verdacht der tatsächlichen Vorbereitung eines ­Anschlags. Seit November 2017 ist Franco A. wieder auf freiem Fuß. Die Bundesanwaltschaft hält jedoch an ihrer Anklage fest und legte Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof ein.

Tatsächlich geht die Taz davon aus, dass Hannibal und Franco A. sich kannten. »Einmal war er bei Hannibal zu Hause, einmal nahm er mit Hannibal an einem Treffen in Albstadt teil, bei dem die Handys im Auto gelassen wurden. Es war ein Treffen in einem Schützenverein«, schreibt die Taz. Die Chatgruppen der radikalen Prepper sind regional aufgeteilt. Hannibal soll die Chatgruppe für Norddeutschland ­verwaltet haben – Franco A. soll rege in der Südgruppe mitdiskutiert haben.

So oder so, es rumort in der Bundeswehr. Die Angst vor »Überfremdung« ist virulent, der Glauben an die Verschwörungstheorie von der »Umvolkung« verbreitet. Als Folge vermischen sich extrem rechtes Gedankengut und Unzufriedenheit mit realen Problemen der Bundeswehr. 2015 machten sich die deutschen Soldaten bei ­einer Nato-Übung in Norwegen zum Gespött der Bündnispartner. Weil an ihrem gepanzerten Gefechtsfahrzeug GTK Boxer das Panzerrohr fehlte, griffen die deutschen Soldaten zu einem schwarz angestrichenen Besenstiel. Die lapidare Antwort des Verteidigungsministeriums, bei der Übung habe das Fahrzeug keine Bewaffnung benötigt, dürfte die Soldaten kaum beruhigt haben. Immerhin ist die Einheit Teil der Nato Response Force. Diese schnelle Eingreiftruppe soll innerhalb kürzester Zeit auf einen russischen Angriff reagieren können. Dann wäre eine Bewaffnung vermutlich doch von Vorteil. So gesehen ist das Misstrauen vieler Soldaten gegen das Ministerium und die Politik allgemein fast schon nachvollziehbar.

 

Linke Politiker zeigen wenig Interesse am Zustand der Bundeswehr und den Problemen der Soldaten, während die Unionsparteien um die Stimmen der Soldaten mit dem Versprechen öffentlicher Gelöbnisse, die wenig kosten und dem Soldaten im Einsatz noch weniger nutzen, um Stimmen werben, sich aber kaum um vernünftige Ausstattung oder Hilfe für Soldaten kümmern, die mit psychischen Problemen aus den Einsätzen zurückkehren. Wenn es in der Satzung von Uniter heißt, der Verein sei unpolitisch, drückt sich darin vielleicht weniger ein Bekenntnis zur politischen Neutralität aus als vielmehr eine Ablehnung der politischen Sphäre an sich.

Geändert haben sich die politischen Herausforderungen des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Seine Kernaufgabe war es einst, gegen Kommunisten und andere radikale Linke in der Truppe zu ermitteln. Mit der Stasi hatte der MAD jahrzehntelang einen mächtigen Gegenspieler im realsozia­listischen Block. Das Thema hat sich erledigt. Einer Anfrage der Linkspartei vom April 2018 zufolge ermittelte der MAD zu dieser Zeit in 431 rechtsextremen Verdachtsfällen und in 46 Fällen gegen potentielle Islamisten. »Linker Extremismus« taucht in dem Bericht gar nicht mehr auf.

Politiker und Parteien haben auf die Recherchen von Focus und Taz bislang kaum reagiert. »Die Informationen des Focus wecken Besorgnis. Für eine ­Bewertung ist es zu früh«, erklärte Fritz Felgentreu, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, auf Anfrage der Jungle World. Andere Abgeordnete reagierten gar nicht oder erklärten, dass sie in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten nichts sagen könnten. Manch ein Abgeordneter scheint sich an das Mao-Zitat zu erinnern: »Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen.« Seinen Mao studiert hat der nunmehr extrem rechte Publizist Jürgen Elsässer. Er hatte auf seinem Blog 2015 die Bundeswehrsoldaten zur Meuterei gegen ihre politische Führung aufgerufen.

Es scheint, als gebe es bei manchen Adressaten Sympathie für solche Ideen.