Bodycheck - Kolumne zu Biopolitik und Alltag: Die Reform des Transsexuellengesetzes ist gescheitert

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Kolumne Von Kirsten Achtelik

Kein Fortschritt für die geschlechtliche Selbstbe­stim­mung transgeschlechtlicher Menschen.

Für diese Legislaturperiode kann man es abhaken: Eine Reform des beinahe 40 Jahre alten Transsexuellengesetzes (TSG) wird es nicht geben. Das teilte die SPD-Bundestagsfraktion ausgerechnet einen Tag nach dem »Transgender Day of Visibility« am 31. März mit.

Viele Vorschriften des Transsexuellengesetzes wie den Scheidungs- oder den Sterilisationszwang hat das Verfassungsgericht im Laufe der Jahrzehnte für verfassungswidrig erklärt. Das TSG gilt Menschenrechtsanwälten weiterhin als verfassungsrechtlich bedenklich und dringend reformbedürftig, Selbstvertretungsorganisationen fordern, dass für die Personenstandsänderungen eine Selbstdefinition ausreichen müsse. Die Bundesregierung hatte im Mai 2019 den Entwurf eines Gesetzes zur »Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags« vorgestellt, der das Transsexuellengesetz ablösen sollte. Geregelt werden sollte, was transgeschlechtliche Menschen benötigen, um ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Nach der derzeitigen Regelung brauchen sie zwei Gutachten, für deren Kosten sie selbst aufkommen müssen. Der Entwurf sah vor, dass transgeschlechtliche Personen sich vor einer Änderung ihres Namens und ihres Geschlechtseintrags verpflichtend beraten lassen müssten. Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* kritisierte diesen Vorschlag als »Begutachtung durch die Hintertür«. Zudem wäre weiterhin ein amtsgerichtliches Verfahren statt eine in einigen Ländern mittlerweile mögliche Beantragung beim Standesamt nötig gewesen.

Eine aktualisierte, aber kaum veränderte Version des Geset­zentwurfs der Regierung tauchte Ende Februar auf einer reaktionären Kampagnenplattform auf. Das rechtsklerikale Aktionsbündnis »Demo für alle« hatte unter dem Titel »Kinderfalle Trans-Gesetz – sofort stoppen!« eine Petition gegen das Gesetz initiiert. Zuvor hat­-
te die antifeministische Publizistin Birgit Kelle in einem langen Artikel für den Fokus vor den »dramatischen Folgen für Frauen und Kinder« gewarnt, die eine solche Gesetzesänderung ihrer Meinung nach bedeute.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Druck von rechts die CDU/CSU darin bestärkt hat, an möglichst hohen Hürden bei der Personenstandsänderung für transgeschlechtliche Menschen festzuhalten. Danach klingt auch die Begründung des queerpolitischen Fraktionssprechers Karl-Heinz Brunner für den Rückzug seiner Partei von dem Gesetzesvorhaben: Die Unionsfraktion habe »absurde Missbrauchsbefürchtungen zu ›Geschlechterhopping‹ über das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen« gestellt, sagte er der Plattform queer.de zufolge. Der queerpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Sven Lehmann, kündigte an, noch vor der Sommerpause den Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz seiner Fraktion im Bundestag zur Abstimmung zu stellen. Er lud die Ab­geordneten der SPD ein, dafür zu stimmen und so »das Trans­sexu­ellengesetz endlich rechtssicher und menschenwürdig zu überwinden«.

Auch wenn solche Aussagen in der Community noch für Hoffnung sorgen, wird diese wohl nicht erfüllt werden: Das Selbstbestimmungsgesetz der Grünen bräuchte die Stimmen der SPD-Abgeordneten, diese werden wohl jedoch nicht für einen Entwurf der Opposition stimmen. Schon die »Pro Choice«-Bewegung hatte in der Auseinandersetzung um das »Werbeverbot« für Schwangerschaftsabbrüche, das im Paragraph 219a festgeschrieben ist, an die Strömungen in der Sozialdemokratie appelliert, die sich die reproduktiven Rechte von Frauen auf die Fahne geschrieben hatten. Im Februar 2019 beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD ein Reförmchen, das mehr den starken Willen der Konservativen zum Erhalt der absurden Regelung entsprach, als dem Wunsch zumindest mancher SPD-Abgeordneter, den Paragraphen abzuschaffen: Seitdem dürfen Ärzte und Ärz­­­tinnen, die Abtreibungen vornehmen, zwar immerhin darauf hinweisen, dass sie das tun, ihnen ist aber unter Androhung einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verboten, Informationen dazu zu geben, wie sie das tun. Die ersten Ärztinnen sind bereits wegen des reformierten Paragraphen 219a zu Geldstrafen verurteilt worden, weitere sind angeklagt.

Was hat nun aber die Reform des Paragraphen 219a mit der des TSG zu tun? Zum einen zeigt die Geschichte, dass man sich nichts von der SPD erhoffen sollte. Dies gilt für das aktuelle Vorhaben sogar in noch größerem Maße als in den Diskussionen um die Abtreibungsgesetzgebung. Allem Gerede von einer »Translobby« zum Trotz ist die Frage der geschlechtlichen Selbstbestimmung weiterhin ein Nischenthema, für das sich auch in den sozialen Bewegungen, die sich für reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung einsetzen – also der feministischen und der LGBTQI-Bewegung –, kaum jemand nachdrücklich engagiert.

Und trotz des Geredes von einem »Trans-Hype«, also der Behauptung, die Zahl der transgeschlechtlichen Menschen »explodiere«, wie Birgit Kelle in der Neuen Zürcher Zeitung warnte, ist die Community zu klein, um in dem demnächst anstehenden Bundestagswahlkampf auch nur annähernd für die Parteien interessant zu sein. Der Druck von rechts ist deutlich stärker, das sollte auch andern sozialen Bewegungen eine Warnung sein.