In Frankreich treten zwölf Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl an

Der Krieg nützt Macron

In Frankreich sind offiziell zwölf Kandidaturen für die Präsidentschafts­wahl am 10. April zugelassen worden. Die Linke hat kaum Chancen, doch auch die extreme Rechte hat in Umfragen an Stimmen verloren.

Am Anfang waren es 65, ein Dutzend blieben übrig: Zwölf Kandidatinnen und Kandidaten wurden am Montag für die französische Präsidentschaftswahl im April offiziell zugelassen. Das Verfassungsgericht hatte zuvor überprüft, welche der Bewerberinnen und Bewerber die nötige Zahl an Unterstützern nachweisen können. Mindestens 500 politische Mandatsträger müssen es sein, vom Bürgermeister bis hin zum Abgeordneten, die ein entsprechendes Formular ausfüllen. Diese Voraussetzung zu erfüllen, ­erwies sich dieses Mal als schwierig, denn im Gegensatz zu früheren Wahlen werden die Namen der Unterstützerinnen und Unterstützer vollständig veröffentlicht.

Als Letzter schaffte es am Montag Philippe Poutou von der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA), diese Hürde zu nehmen. Sechs Kandidatinnen und Kandidaten stammen aus der radikalen bis gemäßigten Linken: Außer Poutou die traditionelle Trotzkistin Nathalie Arthaud von der kleinen Partei Arbeiterkampf (Lutte ouvrière, LO), Fabien Roussel von der Französischen Kommunistischen Partei  (PCF), zudem der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, der Grüne Yannick Jadot und Anne Hidalgo von der sozialdemokratischen PS. Sie alle gemeinsam dürften beim anstehenden Wahlgang insgesamt über ein Viertel der Stimmen nicht hinauskommen.

Zemmour, der im September 2018 noch von einem »französischen Putin« geträumt hatte, fiel zu ukrainischen Kriegsflüchtlingen ein, er sähe es lieber, »wenn diese in Polen bleiben«.

Weitere Kandidaten sind der Bürgermeister der Pyrenäen-Gemeinde Lourdios-Ichère, Abgeordnete und Vorsitzende seiner eigenen Partei Résistons, Jean Lassalle, der politisch unberechenbar ist; die Konservative Valérie Pécresse; Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement national (RN); der Rechtsextreme Éric Zemmour; und der nationalkonservative Impfkritiker Nicolas Dupont-Aignan.

Favorit ist bislang jedoch der Amtsinhaber Emmanuel Macron. Schwere i­nternationale Krisen wie der Ukraine-Krieg begünstigen in aller Regel regierende Präsidenten, da diese kontinuierlich handeln können, während andere nur beobachten dürfen und sich im Amt erst einfinden müssten; viele Wählerinnen und Wähler sehnen sich da nach Vertrautem und Stabilität. Zu Wochenanfang lag Macron in Umfragen bei 30,5 Prozent der Stimmen, vor der offiziellen Zulassung seiner Kandidatur waren es nur rund 25 Prozent gewesen. Zu den Hauptverlierern dieses Stimmenzuwachses für Macron zählt neben Pécresse das rechtsextreme Lager. Le Pen und Zemmour kamen Ende vorigen Jahres in Umfragen zusammen auf bis zu 34 Prozent der Stimmen, am Montag waren es nur noch gut 27 Prozent.

Der Bürgermeister der Stadt Perpignan, Louis Aliot (RN), ein ehemaliger Lebensgefährte von Marine Le Pen, fuhr Ende voriger Woche im Bus an die polnische Ostgrenze. Dort holte er persönlich ukrainische Kriegsflüchtlinge ab, die in der seit Juli 2020 von ihm regierten Stadt Aufnahme finden sollen. Dies scheint ungewöhnlich für einen Vertreter einer Partei, die in den siebziger Jahren von italienischen Neofaschisten mit Geld, Infrastruktur und Beratung unterstützt wurde, damals noch unter dem Namen Front national.

Doch Ungewöhnliches braucht es, wenn man kurz vor einer entscheidenden Wahl ein Tief überwinden will. Le Pen war in ihren ersten Wahlkampf 2011/2012 außenpolitisch explizit für eine Allianz mit Wladimir Putins Russland anstelle der Westbindung an die EU und die USA eingetreten. In ihrem zweiten Präsidentschaftswahlkampf 2017 durfte sie Putin persönlich besuchen und ließ sich mit ihm zusammen fotografieren, um als Außenpolitikerin an Statur zu gewinnen. Eine Broschüre mit dem Bild sollte im diesjährigen Wahlkampf in einer Auflage von 1,2 Millionen unter die Wahlbevölkerung gebracht werden. Nach Beginn des russischen Aggressionskriegs wurde die Broschüre eingestampft.

Nun will Le Pen nur ja nicht als Unmensch und Diktatorenfreundin gelten. Als Journalisten sie am 1. März im Privatfernsehsender BMF TV fragten, ob die EU nun »Hunderttausende von ukrainischen Flüchtlingen« aufnehmen müsse, beeilte sie sich daher, mit ja zu antworten. Nach der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 in Afghanistan, vor der ebenfalls zahlreiche Menschen flohen, hatte ihre Partei sich völlig anders positioniert. Mittlerweile bemüht sich Le Pen, den Eindruck zu erwecken, sie habe ihre Position keineswegs verändert. Ukrainische Flüchtlinge seien nicht nur »europäisch und unserer Kultur näherstehend«, sondern es gebe auch objektive Unterschiede. Aus Syrien und Afghanistan seien »vor allem junge Männer im wehrfähigen Alter ausgewandert, die ihre Frauen zurückließen«. Aus der Ukraine hingegen kämen »Frauen und Kinder, während die Männer an die Front« gingen.

Zemmour, der im September 2018 noch von einem »französischen Putin« geträumt hatte, fiel zu ukrainischen Kriegsflüchtlingen ein, er sähe es lieber, »wenn diese in Polen bleiben«. Am Dienstagmorgen versuchte er mühsam, den schlechten Eindruck, den dieser Ausspruch hinterlassen hatte, in einem einstündigen Interview bei BFM TV und dem Radiosender RMC zu korrigieren: Ukrainerinnen wollten mit ihren Kindern lieber in Polen bleiben, während ihre Männer im Nachbarland kämpften.