In Honduras treibt die Regierung von Xiomara Castro ihre Reformvorhaben voran

Ade Zede

In Honduras wurde die gesetzliche Grundlage für die umstrittenen Sonderwirtschaftszonen (Zede) annulliert. Die neue Regierung unter Präsidentin Xiomara Castro treibt demokratische Reformen voran.

Auf Platz 165 von 180 Ländern rangiert Honduras auf der am 3. Mai, dem Welttag der Pressefreiheit, erschienenen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen für 2022. Für Journalistinnen und Journalisten sei das Land eines der gefährlichsten in Ame­rika, sie würden »regelmäßig angegriffen, Ziel von Schikanen und Einschüchterungskampagnen, Morddrohungen ausgesetzt und ins Exil gezwungen«, so die Organisation. Sie nennt als ein grundlegendes Problem die Konzen­tration größerer Medien in den Händen multinationaler Konzerne und kleinerer in denen der politisch einflussreichen Klasse; dem Medienpluralismus tue das nicht gut. Ein weiteres Pro­blems sei, dass Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten kaum geahndet werden.

Dem stimmt Dina Meza zu: »Mehr als 90 Kolleginnen und Kollegen starben zwischen Oktober 2001 und Oktober 2021 durch Attentate und Anschläge«, sagt die Redakteurin und Gründerin von Pasos del Animal Grande (Schritte des großen Tiers), einer Zeitung, die sich für Grund- und Menschenrechte einsetzt. Um diese steht es nicht gut in Honduras. »Von den mehr als 90 Journalistenmorden wurde nur eine Handvoll aufgeklärt, in vier Fällen landeten die Täter im Gefängnis, nicht aber die Auftraggeber«, erläutert Meza das grundlegende Problem der Straflosigkeit.

Gegen die Sonderwirtschaftszonen gab es 2021 große Proteste, denen sich sogar die katholische Kirche anschloss, weil sie Grundrechte der Bevölkerung verletzt sah.

Gegen diese wolle die seit Ende Januar amtierende Präsidentin Xiomara Castro vorgehen und habe erste Schritte auf den Weg gebracht, so Meza. Mehr Schutz für Berichterstatterinnen und Berichterstatter solle es ihr zufol­ge geben und einen eigenen Etat für den »Nationalen Schutzmechanismus«, der geschaffen wurde, um Personen angemessen zu schützen, die bedroht werden, weil sie Menschenrechte und Meinungsfreiheit verteidigen. Meza ist mit den zuständigen Regierungsstellen in Kontakt, die den Haushalt für das laufende Jahr bereits vorgestellt haben. In diesem sind mehr Ausgaben für Soziales, Bildung und die Justiz vorgesehen.

Erfreulich ist auch das Tempo, das die neue Regierung bei der Initiierung ­ihrer Reformen vorlegt. »In der Polizei weht bereits eine neuer Wind«, meint Joaquín Mejía, ein Menschenrechtsanwalt und Mitarbeiter des Jesuitischen Forschungszentrums Eric-SJ.

Zum Sicherheitsminister hat Castro den ehemaligen Polizeichef Ramón Sabillón ernannt. Er hatte zuvor fünf Jahre im US-amerikanischen Exil verbracht und genießt das Vertrauen der US-Regierung von Joe Biden. Sabillón musste 2016 aus Honduras fliehen, weil er um seine Sicherheit fürchtete. Er war für die Verhaftung hochrangiger Drogenhändler verantwortlich gewesen, die Verbindungen zu honduranischen Politiker hatten. Auch Castros neuer Polizeichef Alexis Galo Maldonado steht für den Wandel. Zudem soll die Armee fortan keine zivile Aufgaben mehr wahrnehmen.

Die Personalwechsel machen sich Mejía zufolge bemerkbar. Dem investigativen Journalismusnetzwerk Insight Crime zufolge sind die honduranischen Ordnungskräfte jedoch weiterhin stark von der organisierten Drogenkriminalität inflitriert. Sabillóns Vorgänger als Polizeichef etwa, Juan Carlos Bonilla Valladares, beschuldigten US-Staatsanwälte 2020, Kokainlieferungen für den Drogenring von Juan Antonio »Tony« Hernández abgesichert zu haben, dem Bruder des ehemaligen Präsidenten Juan Orlando Hernández (2014–2022).

Viel wichtiger als Personalwechsel sei dessen Auslieferung an die USA am 22. April wegen Drogenhandels, so ­Mejía. »Das hat einen Katalysatoreffekt, denn Juan Orlando Hernández hatte nicht nur den ganzen Staat im Griff, sondern auch seine Partei«, die Natio­nale Partei. »Er war der Kopf der Schlange, die sich nun nur noch windet«, meint der Jurist.

Eine direkte Folge ist, dass Castros Regierungsfraktion im Parlament deutlich weniger Widerstand bei der Durchsetzung ihrer Gesetzesvorhaben hat. »Das war schon bei der Annullierung des ­sogenannten Geheimnisgesetzes so, für die eine breite Mehrheit gestimmt hat«, so Mejía. Dieses Gesetz mit dem offiziellen Titel »Gesetz zur Klassifizierung öffentlicher Dokumente mit Bezug zur nationalen Sicherheit und Verteidigung« trat 2014 in Kraft; es diente vor allem der Verschleierung und sorgte für politische Intransparenz. Mejía hält dessen Annullierung im März für einen entscheidenden Schritt, um Straflosigkeit und Korruption in Honduras zu bekämpfen.

Der nächste folgte am 21. April, als die gesetzlichen Grundlagen für die Errichtung der sogenannten Zonen für Beschäftigung und wirtschaftliche Entwicklung (Zonas de empleo y desarrollo económico, Zede) annulliert wurden. Gegen diese Sonderwirtschaftszonen hatte es 2021 große Proteste gegeben, denen sich sogar die katholische Kirche anschloss, weil sie Grundrechte der ­Bevölkerung verletzt sah.

Über die 2013 geschaffene gesetzliche Grundlage für die Zonen, die nicht mehr vom honduranischen Staat, sondern als weitgehend autonome Gebiete mit eigenen Gesetzen von internationalen Investoren verwaltet werden sollten, sagt Mejía: »Die Regierung und das Parlament hatten die Zede gegen die Bestimmungen der Verfassung durchgesetzt. Die schreibt vor, dass nationales Territorium nicht ohne ein Referendum veräußert werden darf. Doch das hat es nie gegeben.« Deshalb begrüßt er die Entscheidung, das Gesetz zu annullieren.

Am weitesten fortgeschritten ist die Zede Próspera auf der Insel Roatán, gegenüber von der Bucht von La Ceiba, einem touristischen Zentrum des Landes. »Das Gesetz zu den Zede schrieb vor, dass die Sonderwirtschaftszonen in Regionen liegen sollen, die wenig bevölkert sind und geringe ökonomische Entwicklung aufweisen. Das ist aber mitten im Mekka des honduranischen Tourismus nicht der Fall und Próspera wurde nicht, wie das Gesetz es vorschrieb, vom Kongress offiziell genehmigt«, so Mejía. Deshalb sei die rechtliche Grundlage für Entschädigungsklagen recht dünn. Diese Meinung teilen etliche Experten, auch in der Parlamentssitzung wurde das Risiko von Klagen vor internationalen Schiedsgerichten als relativ gering eingeschätzt. Denn für die Einrichtung der Zede wurde damals nationales und internationales Recht verletzt.

Die vier Zede wurden über die Köpfe der dort lebenden Bevölkerung hinweg genehmigt. Mindestens im Fall der Garifuna ist dies illegal gewesen. Auf der Insel Roatán lebten mehrheitlich Angehörige dieser afroindigenen Minderheit, die unter die Bestimmungen der ILO-Konvention 169 zum Schutz indigener Völker fielen, so die honduranische Juristin Andrea Nuila, die eine Doktorarbeit zu den Zede in Honduras schreibt. »Es hat nie Informationsveranstaltungen über Próspera gegeben, die Garifuna sind nicht gefragt worden, ob sie mit der Zede einverstanden sind«, sagt sie. Próspera ist als private »Charter City« konzipiert. Der praktisch unabhängige Stadtstaat mit privater Regierung und eigener steuerlicher, regulatorischer und rechtlicher Struktur sei nach den Konzepten des US-amerikanischen Ökonomen Paul Romer geplant, so Nuila. Romer hatte 2009 vorgeschlagen, in wachstums- und strukturschwachen Ländern als Mittel zur Armutsbekämpfung solche Sonderverwaltungszonen einzurichten.

Nicht viel anders liegt der Fall in den drei weiteren Zede, Morazán, Orquídea und Mariposa. Sie werden voraussichtlich geschlossen, was einem Erfolg der Protestbewegung gleichkäme und der Einlösung eines Wahlversprechens Castros. Deren bisherige Amtszeit hätte Mejía zufolge kaum besser laufen können. Nur die Rolle ihres Ehemanns, des ehemaligen Präsidenten Manuel Zelaya (2006–2009), sei problematisch. »Offiziell ist er nur Berater seiner Frau ­Xiomara Castro. Doch aus vertraulicher Quelle weiß ich, dass er auch Kabinettssitzungen leitet. Das ist ein Risiko für die Legitimität der Präsidentin und kein gutes Signal für die Redemokratisierung von Honduras«, kritisiert er.