Deutsche sollten sich Kultur aneignen, begnügen sich aber mit exotischem Flair

Die Entdeckung Brandenburgs

Was kümmert mich der Dax Von Jörn Schulz

<p>Fast könnte man glauben, es handele sich um eine Verschwörung.</p>

Fast könnte man glauben, es handele sich um eine Verschwörung. Ein mittelmäßiger Song kommt auf den Markt, ein Journalist setzt einen kritischen Tweet dazu ab – und fertig ist der neueste Skandal um Cancel Culture und »kulturelle Aneignung«. Peter Fox soll sich für seinen Song »Zukunft Pink« beim südafrikanische Musikstil Amapiano bedient haben, ohne diesem die gebührende Reverenz zu erweisen – oder so ähnlich. Zitierfähig sind offenbar bislang nur Tweets und Facebook-Posts des Journalisten Malcolm Ohanwe, der keine Boykott- oder Verbotsforderungen erhebt, was die Berliner Zeitung nicht hindert, »Peter Fox und die Cancel Culture« zu titeln. Mittlerweile hatte Ohanwe ein »cooles Gespräch« mit Fox und am Ende werden wohl alle Beteiligten ihren Marktwert erhöht haben.

Bedeutsamer ist, dass solche Scheindebatten ein gutes und in Deutschland wohl unentbehrliches Mittel sind, um Kulturkritik zu vermeiden und den wahren Skandal zu ignorieren. Kulturelle Aneignung? Schön wär’s. Eine solche ist immer eine kreative Eigenleistung, denn man muss nicht nur verstanden haben, was man sich aneignet, sondern es auch unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen zu nutzen wissen. Dieser für den zivilisatorischen Fortschritt nützliche Austausch darf nicht mit der spätestens seit der Zeit Karl Mays gepflegten deutschen Unsitte verwechselt werden, in der Ferne Äußerlichkeiten zusammenzuklauben, um der eigenen Mittelmäßigkeit und Phantasielosigkeit exotisches Flair zu verleihen. Was auch immer »angeeignet« wird – man zieht es herab auf das eigene provinzielle Niveau und findet dann etwa mit sicherem Blick das so ziemlich das einzige nicht Kritikwürdige an einem rechtslibertären Milliardär. »Elon Musk, fick dein Marsprojekt! / Scheißkalt und arschweit weg / Hab’ Brandenburg entdeckt / Bianchi-Bikes – Future-Flex / Alles wird supergeil, basta« – Fox’ Mischung aus Heimattümelei, product placement und Motivationscoaching wäre mit jedem Musikstil peinlich.

Unterdessen ist bei Netflix die zweite Staffel von »Die Barbaren« – bedauerlicherweise gibt es einen globalen Bodensatz schlechten Geschmacks, der einigen deutschen Produktionen internationalen Erfolg beschert – angelaufen. Während Fox der Generation Nachhaltigkeit einen hippen Konsumpatriotismus predigt, bedient »Die Barbaren« archaischere Gelüste und feiert 2 000 Jahre Kampf gegen die Zivilisation. Während in einem ähnlichen Milieu angesiedelte Serien wie »Vikings« komplexe Charaktere und Storylines entwickeln, moralische Ambivalenz zulassen und auch mal mit einer ungewöhnlichen Kameraführung aufwarten, kann man in »Die Barbaren« eine nur von ungermanischen Verrätern ­gestörte völkische Erweckungsbewegung gegen römische Orks bewundern, selbstverständlich mit öder Dramaturgie und flachen Dialogen. Viele Historiker sind im Übrigen der Ansicht, dass die Römer auf die Eroberung Germaniens gar nicht so erpicht waren, weil es dort wenig gab, was der Aneignung wert gewesen wäre.