Die rechtsextreme »Ami Go Home«-Demonstration in Leipzig war ein Reinfall

Heiße Luft statt heißer Herbst

Trotz wochenlanger Vorbereitung fiel die rechtsextreme »Ami Go Home«-Demonstration in Leipzig kläglich aus. Die Allianz aus Unter­stützern des rechtsextremen Magazins »Compact«, Neonazis und Teilen der AfD konnte nicht einmal ihr Kernmilieu mobilisieren.

15 000 Menschen waren laut Versammlungsbehörde für die Veranstaltung angemeldet gewesen, die Polizei Leipzig hatte sich auf einen Großeinsatz vorbereitet. Tatsächlich versammelten sich nur 1 000 Teilnehmer am Samstag vor dem Bundesverwaltungsgericht für die »Ami Go Home«-Demonstration. Das rechtsextreme Magazin Compact und sein Herausgeber Jürgen Elsässer, die Kleinstpartei Freie Sachsen sowie ihr Thüringer Ableger Freie Thüringer und der ehemalige AfD-Politiker André Poggenburg hatten gemeinsam zu dieser Demonstration aufgerufen – für »Frieden, Freiheit, Souveränität«.

Der Flop dürfte für das rechtsextreme Bündnis besonders schmerzhaft gewesen sein, bedenkt man die intensive Vorbereitung des als »Großdemons­tration« deklarierten Aufmarschs. Seit Wochen ist die Veranstaltung beworben worden, mit professionell gestalteten Videos im Netz und auf Demons­trationen in anderen ostdeutschen Städten. Nach eigenen Angaben hat Compact 25 000 Euro in die Mobilisierung investiert. Doch nicht einmal die üblichen Verdächtigen aus der eigenen Szene kamen. Martin Kohlmann, Vorsitzender der Freien Sachsen, war nicht zu sehen, Björn Höcke fehlte ebenso wie der bekannte rechte Videoproduzent Simon Kaupert.

Seit Wochen stagnieren die Teil­nehmerzahlen der vor allem montags stattfindenden Demonstrationen.

Und so tummelten sich auf dem Leipziger Simsonplatz vor dem Bundesverwaltungsgericht überwiegend fanatisierte Rentner:innen, Pegida-Wutbürger und einige Neonazis. So waren zum Beispiel Mitglieder der Kleinstpartei Neue Stärke (NSP) vor Ort. Teile des Publikums zeigten auch kaum Interesse an den Rednern der Kundgebung. Während Frank Hanßen (Freie Thüringer) sich auf der Rednerbühne über die angebliche Besatzung Deutschlands ausließ, rief ein alter Mann dazwischen: »Wir haben genug geredet, wir wollen laufen.«

Das taten sie dann – wenn auch nur etwa 500 Meter. Über 1 000 Gegen­demonstrant:innen versperrten dem Reichs- und Deutschlandflaggen schwenkenden Aufzug den Weg. Zwischen den Fronten liefen die Demo-­Organisatoren André Poggenburg, Christian Klar (Neonazi aus Gera, Thüringen) und der Szeneanwalt Jens ­Lorek hin und her, versuchten, mit Polizei und Ordnungsamt zu verhandeln, doch vergeblich. Schließlich verkündete Poggenburg, dass die Versammlung beendet sei. Dann nutzte er die Gunst der Stunde, um vor der Kulisse der Antifa-Blockade einem rechten Streamer ein Interview zu geben, in dem er sich über das »linksextreme Leipzig« beklagte.

Von den Initiatoren war die Demonstration als Höhepunkt des »heißen Protestherbstes« geplant gewesen. Ein informelles Bündnis aus Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer und André Poggenburg, den Gruppen Freie Sachsen und Freie Thüringer sowie Teilen der AfD hatte sich den vergangenen Wochen herausgebildet, um Proteste in Gang zu bringen.

Hervorzuheben sind zwei Szenetreffen in Stößen (Sachsen-Anhalt) auf dem Rittergut von Poggenburg: das Compact-Sommerfest am 27. August und das »Oktoberfest des Widerstands« am 22. Oktober. Das Ergebnis dieser Treffen war offenbar eine Querfrontstrategie, die auch Anhänger etwa der Linkspartei ansprechen sollte. »›Ami go home!‹ ziehe auch die vernünftigen Teile der Linken an – der Slogan kommt ja ursprünglich von links«, so Jürgen Elsässer. Das Titelbild der Dezember-Ausgabe von Compact zierte Sahra Wagenknecht (Linkspartei), unter der Überschrift »Die beste Kanzlerin«.

Gewissermaßen den Auftakt zum erhofften »heißen Herbst« gab es am 5. September in Leipzig. Der rechte Aufmarsch fand am selben Ort und zur selben Zeit wie eine Demonstration der Linkspartei statt und war von irreführenden Flyern begleitet, die suggerierten, dass Linkspartei-Politiker wie Gregor Gysi auf einer gemeinsamen Veranstaltung mit den Freien Sachsen sprechen würden. Das Ziel war, wie es der neurechte Verleger Götz Kubitschek, der am Tag der Demonstration auch zugegen war, ausdrückte: Man wollte »die Grenzen zwischen den politischen Lagern wenigstens verwischen«. Das scheiterte jedoch dank entschiedenem antifaschistischen Gegenprotest.

Compact und Freie Sachsen hatten bereits zuvor gemeinsame Sache gemacht. Gemeinsam mit dem Berliner Verschwörungstheoretiker Anselm Lenz hatte man Anfang des Jahres zu einem »Impfstreik« aufgerufen. Diese Allianz erhielt am 3. Oktober in Gera weiteren Zulauf. Verschwörungsgläubiges Milieu, Neonazi-Szene und AfD demonstrieren hier gemeinsam. Elsässer versuchte schon hier, als Redner das Motto »Ami Go Home« zu setzen. Auch Björn Höcke hielt eine Rede, die die »raumfremde Macht« USA anprangerte – die »Deutschen und die Russen« hätten dagegen eine »ähnliche seelische Prägung«.

Zu diesem Zeitpunkt konnte man ein solches Bündnis durchaus als bedrohliches Vorzeichen für den Herbst deuten. Immerhin sollen laut Polizei­angaben 10 000 Menschen am 3. Oktober in Gera protestiert haben. Doch trotz aller Bündnisbemühungen konnten in den folgenden Wochen keine großen Mobilisierungserfolge mehr erzielt werden. In Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt) trommelte Elsässer am 31. Oktober für die »Reforma­tion 2.0«-Demonstration (Jungle World 46/2022). Obgleich die Stadt als Hochburg rechten Protests in der Region gelten kann, kamen bloß 2 700 Menschen zusammen. In Erfurt, wo am 13. November mit dem Björn Höcke und Pegida-Gründer Lutz Bachmann immerhin zwei echte Prominente der rechtsextremen Szene gesprochen hatten, kamen lediglich 2 000 Teilnehmer. Angemeldet waren bis zu 10 000.

Die »Ami Go Home«-Demonstration in Leipzig scheint somit die rechte Hoffnung auf einen »heißen Herbst« endgültig zu enttäuschen. Seit Wochen stagnieren die Teilnehmerzahlen der vor allem montags stattfindenden Demonstrationen, wie eine Analyse des MDR auf Basis von Zahlen der Innenministerien zeigt. Demnach gab es von Ende August bis Anfang Oktober einen rasanten Anstieg der Demonstrationsteilnehmer. Ebenso rasch war der Zenit aber überschritten. Gingen laut MDR am 26. September in Sachsen noch 31 800 Menschen auf die Straße, wa­ren es am 14. November nur noch 18 700. In Thüringen zählte das Innenmi­nisterium am 3. Oktober landesweit 38 083 Menschen, am 14. November waren es dann nur noch 18 700.

Übrig bleibt, so die Einschätzung des Sozialwissenschaftler Alexander Leistner für den MDR, nur der harte Kern des Milieus. Dass diese Entwicklung keineswegs Entwarnung bedeutet, war auch am Samstag zu beobachten. Zeugen berichteten, dass ein Auto in den Gegenprotest gefahren sei und dabei auch eine Person verletzt haben soll. Der Leipziger Volkszeitung zufolge handelt es sich bei dem Fahrer um ­einen rechten Lokalpolitiker aus Altenburg. Die Polizei Leipzig ermittelt.