Krankheit als Kränkung

Krankheit als Kränkung. Narzissmus und Ignoranz in pandemischen Zeiten

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Anders als noch im 19. Jahrhundert, in dem der Zusammenhang zwischen Seuchen und Slums Sozialkritiker auf den Plan rief, fühlen sich heute jene besonders kritisch, die die epidemiologisch sich geltend machende Einheit des Menschengeschlechts vor der Krankheit abtun oder gleich leugnen. Die absolute Freiheit, um die es diesen Kritikern zu tun ist, ist nur noch unzureichend als politische Manifestation zu deuten, vielmehr muss sie als Ausdruck eines spezifischen Sozialcharakters gelten, dessen Selbstbezüglichkeit, die die Krankheit lediglich als Kränkung wahrnimmt, die postindustrielle Gesellschaft selbst befördert: indem sie Konkurrenz verabsolutiert und zugleich das Trugbild der Definitionsmacht des Einzelnen über Natur (auch die eigene) und Gesellschaft stiftet. Die Virulenz der Epidemie trifft auf die Ignoranz allzu vieler Narzissten. Nur Einschränkung dieser doppelten Freiheit, der ökonomischen wie mentalen – Milliarden Menschen weiterhin als Überschuss vegetieren zu lassen einerseits und die Folgen selbstherrlich zu negieren andererseits –, wäre die einzig vernünftige Konsequenz.

112 Seiten
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2022
Edition Tiamat
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16,00 €