Wer zu viel fühlt, sabotiert seine eigene Arbeitskraft. Wer also als Arbeitgeber will, dass seine Angestellten motiviert bei der Sache sind, sollte alles Gefühlige möglichst verhindern.
Schon die Achtundsechziger kritisierten Eifersucht als bürgerliche Emotion, heutzutage propagieren Beziehungsratgeber und an Polyamorie Interessierte ihre Überwindung. Auch wenn der Anspruch durchaus löblich ist, wirkt er nicht immer nur befreiend.
In der Literatur fanden Frauen bereits im 16. Jahrhundert einen Ausdruck ihrer Subjektivität. Warum Liebesromane zu Unrecht mehr als kitschig denn als feministisch wahrgenommen werden und was man aus der Literatur über das Wesen der romantischen Liebe erfahren kann, darüber sprach die »Jungle World« mit der Literaturwissenschaftlerin Annika Nickenig.
Das Konzept exklusiver romantischer Zweierbeziehungen gilt Kritiker:innen in der Regel als patriarchal und bürgerlich. In der zentralen Bedeutung, die das Individuum in der romantischen Liebe einnimmt, steckt jedoch auch subversives, gar antikapitalistisches Potential.
Wenn der Mindestabstand nicht mit dem Begehren vereinbar ist und körperlicher Kontakt nur im eigenen Haushalt stattfinden darf, wird Sexualität wieder anrüchig. In der Coronakrise hat sich die gesellschaftliche Kontrolle über die Sexualität verstärkt.
Wer nicht in einer monogamen Zweierbeziehung, in der gemeinsamen Wohnung oder mit einem begehrten Menschen zusammenlebt, kam in den vergangenen Monaten schwerlich zum Geschlechtsverkehr. Doch das Bedürfnis nach Liebe und Zärtlichkeit lässt sich nicht eindämmen.
Die auch unter Linken vieldiskutierte »Polyamorie« sieht vor, dass man mit Wissen und Einverständnis aller Beteiligten mehrere Liebesbeziehungen führen darf. Ist das damit die passende Beziehungsform für den Neoliberalismus? Na, und wenn schon!
Warum ist heute die Monogamie auch im linken Milieu die gängige Form der Liebesbeziehung? Ist es nicht fortschrittlicher, in puncto Freundschaft und Sexualität einen verantwortungsbewussten Hedonismus zu pflegen? Was an konformistischen und romantischen Beziehungsmodellen abzulehnen ist, warum Eifersucht dumm ist, welche Vorteile das »Fremdgehen« haben kann und wie wir dabei zu besseren Menschen werden, erklärt Oliver Schott