In der organisierten Fanszene des Drittliga-Rückkehrers Alemannia Aachen geben Rechtsextreme den Ton an

Wenig Freude über Alemannias Aufstieg

Gegen Rechte in der Aachener Fanszene ging der Verein Alemannia immer bestenfalls halbherzig vor – zuletzt verweigerte er überdies die Teilnahme an einer Anti-AfD-Demo.

Nach elf Jahren kehrt der Traditionsverein Alemannia Aachen in den Profifußball zurück. Der Aufstieg aus der viertklassigen Regionalliga West in die 3. Liga gelang souverän, schon vier Spieltage vor dem Saisonende hatten die Aachener 14 Punkte Vorsprung auf den Verfolger Wuppertaler SV.
Das hatte gegen Ende der Hinrunde noch ganz anders ausgesehen: Da steckte die Alemannia noch im Mittelfeld fest, aber mit 15 Siegen in 16 Spielen rückten die Rheinländer auf Platz eins vor. Verantwortlich für diesen Erfolg ist vor allem Trainer Heiner Backhaus, der erst im Herbst 2023 vom Berliner FC Dynamo kam.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Ye-One Rhie berichtet, dass in der Stadt viele ihre Meinung nur noch hinter vorgehaltener Hand äußern würden. Sie verstehe die Angst vor einer Wiederholung der Gewaltexzesse von vor zehn Jahren.

Doch die Vorfreude auf den Aufsteiger aus Nordrhein-Westfalen ist getrübt. Schon sehr lange gelten ­relevante Teile der Fanszene von Alemannia Aachen als rechtsextrem unterwandert. So berichtete das antifaschistische Magazin Lotta bereits vor zehn Jahren, dass »eine Allianz aus den sich teilweise in der Mitgliedschaft überschneidenden Karlsbande Ultras (KBU), den Hooligan-Gruppen Westwall und Supporters Aachen sowie bekennenden Neo­nazis« eine sich als antifaschistisch definierende Fangruppierung »regelrecht aus dem Stadion« geprügelt hatte. Der Artikel mit dem unzweideutigen Untertitel »Die Fanszene von Alemannia Aachen dominieren Neonazis und rechte Hools« beschreibt, wie sich viele organisierte Rechtsextremisten nach dem Verbot der Kameradschaft Aachener Land (KAL) dem Fußball und den im Stadion ansässigen Szenen zugewandt haben.

Rechtsextreme Aktivisten haben einen festen Platz in der Fanszene. »Schon vor dem KAL-Verbot waren Neonazis Teil von Fan- bzw. Hooligan-Gruppen im Umfeld des Viert­ligisten«, berichteten die Autoren Torben Heine und Tim Schultz in ihrem Artikel. Weitgehend ungestört konnten Rechtsextremisten in Aachen den Fußball als Betätigungs- und Rekrutierungsfeld nutzen.

Dementsprechend war die Verlagerung der Aktivitäten in einen Bereich, von dem bekannt ist, dass »eine neonazistische Gesinnung zumindest stillschweigend toleriert, wenn nicht gar geteilt wird«, nach Ansicht der Autoren »naheliegend«. Viele Personen aus dieser Mischszene von Neonazis und gewaltbereiten Fans seien in der Region zudem gemeinsam aufgewachsen. Über die vergangenen beiden Jahrzehnte entstand, so die Autoren weiter, »ein schlagkräftiges Bündnis, das ein martialisches Auftreten möglich machte und zu vermehrten Übergriffen innerhalb der Fanszene führte«. Die Macht in der Kurve liegt bei den Rechtsextremen.

»Laxer Umgang mit Problemfans«

Geändert hat sich über die Jahre wenig. Diesen Eindruck vermittelt zumindest die Recherche der Zeit-Autoren Joscha F. Westerkamp und Oliver Fritsch. Deren Vorwurf an die Alemannia: »Laxer Umgang mit Problemfans.« So seien drei einschlägig bekannte Hooligans regelmäßig im Stadion aktiv und der Vereinsvorstand arbeite sogar mit ihnen zusammen.

Ein Hooligan mit Nazi-Vergangenheit betreibt dem Artikel ­zufolge einen gemeinnützigen Verein, der Essen an Bedürftige austeilt, und wird dabei von der Alemannia öffentlich unterstützt. Sogar Teile der Mannschaft halfen persönlich beim Essenausteilen. Der Hooligan heißt Kevin P., Ende 2021 postete er nach Angaben der Zeit auf Instagram »ein rund fünfzehn Jahre altes Foto einer Anzeige gegen ihn wegen Volksverhetzung, versehen mit dem Kommentar: ›Those Were the Days!‹, das waren noch Zeiten. Hashtag damalswarallesbesser.«

Des Weiteren wurde das angedrohte Stadionverbot gegen die Karlsbande, jene Ultra-Gruppierung, die gemeinsam mit rechtsextremen Hooligans vor zehn Jahren die antifaschistischen Fans aus dem Stadion jagte, nie verhängt. In der lokalen Presse und großen Teilen der Sportpresse werden die rechten Ultras kaum thematisiert.

Ganz im Gegenteil. Die im Ruhrgebiet verbreitete Publikation Reviersport zitierte vor drei Jahren ausführlich aus einer Stellungnahme der Gruppierung, in der sie die Vereinsführung wegen des damaligen sportlichen Misserfolgs kritisierte. Um wen es sich bei diesen Kritikern handelte, behielt die Redaktion für sich.

Vieles dreht sich um Kevin P.

»Das Gewaltpotential im Hintergrund ist noch wesentlich größer«, meinte ein Fan Anfang April der »Sportschau« der ARD. »Diese Leute sind offen gewalttätig, brutal, kriminell. Und damit steigt auch die Gefährdungslage für die Fans«, so der Anhänger von Alemannia Aachen weiter.

Ebenfalls in der »Sportschau« berichtete eine Aachener Bundestagsabgeordnete, Ye-One Rhie (SPD), dass in der Stadt viele ihre Meinung nur noch hinter vorgehaltener Hand äußern würden. Sie verstehe die Angst vor einer Wiederholung der Gewaltexzesse von vor zehn Jahren. Damals habe man in der Stadt »nicht versucht, den Konflikt zu lösen, sondern man hat ihn eigentlich ausgesessen – und das hat ein Trauma ­geschlagen bei vielen Fans«. Sie glaube, »dass die Fans heute die Mahner sind, die es damals zwar auch gab, denen aber keiner zugehört hat«.

Vieles dreht sich dabei um Kevin P. Dessen rechtsextreme Gesinnung war in der Vergangenheit klar nachgewiesen worden, nun distanziert er sich – halbherzig – davon. Doch als in der vergangenen Saison das Gerücht aufkam, dass ein Spieler von Alemannia Aachen zum Rivalen Rot-Weiss Essen wechseln würde, zeigte P. ihn auf seinem Instagram-Account bereits im Essener Trikot, garniert mit drei israelischen Fahnen.

Für die Bundestagsabgeordnete Rhie bleibt der Fan problematisch: »Ich finde es an sich ja ein sehr hehres Ziel, jedem eine zweite Chance zu geben. Nur fehlt mir aufgrund der Sachen, die mir vorgelegt werden, aufgrund seines eigenen Online-Auftritts, seiner Aussagen der Glaube, dass er sich rehabilitieren lassen möchte.«

Einschüchterung im privaten Umfeld mit physischer und psychischer Gewalt

Innerhalb der Fanszene wird derweil berichtet, dass das derzeit aktive rechtsextreme Netzwerk nicht davor zurückschrecke, Kritiker in deren privatem Umfeld mit physischer und psychischer Gewalt einzuschüchtern. »Es handelt sich also nicht um einen offen ausgetragenen Konflikt, da hinreichend bekannt ist, wer das Gewaltmonopol innehat«, sagte ein anonym bleibender Anhänger von Alemannia Aachen der »Sportschau«. Dass jemand wie Kevin P. auf Fotos mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Clubs, Marcel Moberz, und Geschäftsführer Sascha Eller posiert, unterstreiche die Übermacht der Rechten umso mehr.

Die Vereinsführung dagegen hält Kevin P. für geläutert. Nicht nur schickt Alemannia Aachen seine Spieler zu von P. organisierten Essensausgaben an arme Menschen und spendete P.s Verein den Erlös aus vergünstigten VIP-Tickets. »Ich glaube, er ist der geworden aufgrund seines Lebens, das er vorher geführt hat: Deshalb hat er sich entwickelt zu jemanden, der Menschen helfen möchte«, verklärte Alemannia-­Geschäftsführer Eller im März in der WDR-Sendung »Lokalzeit Aachen« die Zusammenarbeit.

Dass sich die Vereinsführung gegen die Teilnahme an einer Demonstration im Januar diesen Jahres gegen die »Alternative für Deutschland« (AfD) aussprach, weil man sich »auf den Sport konzentrieren« ­wolle und »keine politische Vereinigung« sei, verwundert da kaum noch.