Euro auf Crashkurs

Das europäische Zahlungsmittel soll als zweite globale Leitwährung gegen den US-Dollar etabliert werden

Der Euro kommt, doch der Konflikt um seine Einführung entzündet sich weiter am Drei-Prozent-Kriterium - der finanziellen und wirtschaftlichen Konvergenz der Euro-beteiligten EU-Staaten. Zwölf Jahre sind vergangen, seit Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt beim Bergedorfer Gesprächskreis im April 1986 seine Strategie für die Machterweiterung der Europäischen Gemeinschaft skizzierte. Dieser Entwurf wird nun mit der Festlegung der Euro-Teilnehmerstaaten zur Realität. Das Europäische Währungsinstitut (EWI) trifft diese Festlegung gemeinsam mit der EU-Kommission. Damit geben die Teilnehmer der Währungsunion - alle EU-Staaten außer Großbritannien, Schweden, Dänemark und Griechenland - die Möglichkeit auf, bei nationalen Wirtschaftskrisen ihre Währung abwerten zu können. Die Europäische Zentralbank kann künftig die Zinssätze festgelegt, so daß ein nationaler Einfluß auf die geldpolitischen Entscheidungen nur noch begrenzt über das jeweilige nationale Mitglied im europäischen Zentralbankrat möglich ist.

In den Medien dominierten im Vorfeld dieser sehr bedeutenden Euro-Entscheidung die Kontroversen über die "Weichwährung Euro", von Edmund Stoiber (CSU) forciert als Verhandlungsmasse für die Zustimmung zum Eurofighter, und der Ärger über die rigide Drei-Prozent-Forderung Theo Waigels. Es wird aber deutlich, daß durch diese öffentliche Diskussion die tatsächliche Bedeutung der Währungsunion verschleiert wird. Warum sonst hätten die drei mächtigsten Geschäftsbanken Deutschlands - Deutsche, Dresdner, Commerz - unbeeindruckt von Waigels Konvergenzfetisch unbeirrt den Schritt in die Einheitswährung vorbereitet. Frühzeitige Statements aus den großen Bankhäusern signalisierten eindeutig: Wir werden profitieren, also sind wir dabei. Genauer: Wirtschaftskonvergenz sei statistisch nachweisbar und selbst starke Staaten hätten Probleme, diese Konvergenz einzuhalten. Außerdem seien die nationalen Zentralbanken, wie sich anhand der Anti-Inflationspolitik seit den achtziger Jahren abzeichne, unabhängig von dirigistischen Weisungen der Politik, so die Bankenvorstände. Wenn Helmut Kohl jedoch vorgeblich nur aus Gründen der politischen Integration Europas den Euro forciert, so bleibt vor allem ein Aspekt vernachlässigt:

Das Hauptinteresse der politisch-wirtschaftlichen Eliten der EU besteht darin, die währungspolitische Hegemonie der USA aufzubrechen. Wichtig ist also, worin die Detailinteressen der unterschiedlichen Eliten an diesem Machtgewinn bestehen. Helmut Schmidt hat in seiner weltumgreifenden Analyse vor dem Bergedorfer Gesprächskreis - übrigens gemeinsam mit Ex-EU-Kommissionspräsident Jacques Delors - die Zielrichtung klar definiert: Die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung als logische Folge der von ihm 1972 mitentworfenen "Währungsschlange", sowie des Europäischen Währungssystems (Einführung 1979) steigert die europäische Interventionsfähigkeit auf den internationalen Geld- und Devisenmärkten.

Schmidt formulierte damals das Interesse an einer Währungsunion folgendermaßen: China, die (ehemalige) Sowjetunion, USA und Japan besäßen oder entwickelten homogene Märkte für Waren und eine einheitliche Geld-, Finanz- und Steuerpolitik. Europa müsse bis spätestens zum Jahr 2000 gleichziehen. Aber er warnte: "Eine weltpolitisch impotente BRD, die sich einbildet, eine große finanzwirtschaftliche Rolle zu spielen; das muß schiefgehen." Schmidt forderte daher, daß die Europäische Gemeinschaft auch außerhalb des Nordatlantikvertrages politisch, ökonomisch und militärisch aktiv werden müsse. Ganz ähnlich argumentierte vergangenen Woche auch die Neue Züricher Zeitung; der Euro könne seine monetäre Potenz nur ausspielen, wenn die tragenden Kräfte zur Übernahme politischer Verantwortung bereit seien.

Warum spricht sich nun ein Teil der Linken für den Euro aus? Elmar Altvater beispielsweise bezeichnete die Währungsunion als sinnvoll, da sie die Integration Europas fördere. Allerdings schließe diese Perspektive eine EU-Erweiterung aus. Der korporatistische Produktivitätspakt zwischen Unternehmen und Gewerkschaften, wie ihn die EU-Kommission vorschlug, so Altvater, sei nur mit einer Währungsunion möglich, die die Konkurrenz der Währungen in Europa reguliere. Die Pro-Euro-Haltung setzt hauptsächlich darauf, daß die währungsbedingte Erweiterung der EU zu einer unumkehrbaren Integration Deutschlands - vor allem in der Geldpolitik - führe, mit allen damit verbundenen Nebeneffekten: So könnte die Neigung Frankreichs, geldpolitische Interventionen zur Lenkung wirtschaftlicher Wachstumsziele vorzunehmen, eingeschränkt werden. Auch könnte die dominante Rolle der USA in der weltweiten Handelspolitik (namentlich in der WTO) zu Ende gehen, da auf dem Kapital-, Investitions- und Konsumgütermärkten in den kommenden zwanzig Jahren mit dem Euro eine weltweit akzeptierte Tausch- und Reservewährung etabliert wird - was gleichzeitig die Einschränkung des US-Dollar in seiner Funktion als internationale Leitwährung bedeutet. Außerdem wird eine Reduzierung der Spekulationsgewinne, die sich aufgrund der unterschiedlichen europäischen Währungen heute noch erzielen lassen, erwartet.

Nicht zuletzt zog auch ein weiteres Schmidt-Argument: Europäische Sparquoten dürften nicht das Haushaltsdefizit der USA bezahlen, europäische Währungen sollten nicht zu "Satelliten der Dollarwährung" degradiert werden, sagte er vor zwölf Jahren. Da war und ist was dran: 263 Millionen Menschen bewohnen die USA und stehen mit 10,72 Billionen US-Dollar weltweit in der Kreide. Die EU-Staaten mit 370 Millionen Menschen kommen hingegen "nur" auf Schuldentitel von 6,3 Billionen US-Dollar (1995). Doch dies führt nicht zu einer schwächeren Bewertung des Dollar, da eine Flucht aus der Weltreserve-Währung nicht möglich ist - sie ist das zentrale Zahlungsmittel für alle bedeutenden wirtschaftlichen und finanziellen Transaktionen (Rohstoffe wie Erdöl, Technologie wie der Airbus etc.).

Heute argumentiert Außenminister Klaus Kinkel ähnlich: der Euro etabliere ein massives Gegengewicht zu Dollar und Yen, gerade Deutschland brauche daher die neue Währung: "Auf den Weltmärkten beeinträchtigen die immer wieder durch Spekulation überzeichneten Schwankungen des DM-Kurses gegenüber anderen wichtigen Währungen schmerzhaft die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft." Unkalkulierbare Wechselkursschwankungen haben in der Regel negativen Einfluß auf Investitionen und die Beschäftigungsentwicklung. Aber Kinkel hat damit vorgeblich nur die deutsche - respektive die europäische - Exportindustrie im Blick. Wenn also eine verbesserte Exportposition das Hauptinteresse der Politik am Euro markiert, wird Deutschland seinen maßgeblichen Einfluß auf die Geldpolitik nicht reduzieren, sondern eher vergrößern.

Darüber hinaus aber, das zeigte schon die deutsch-deutsche Vereinigung, hat die Bundesbank sich über eine Hochzinspolitik Teile der Transferleistungen nach Ostdeutschland von Europa refinanzieren lassen. Nun soll für die mitteleuropäischen Staaten wie Polen, Tschechien und Ungarn der Anschluß gefunden werden. Nichts kommt da gelegener, als zukünftige Transferzahlungen an mitteleuropäische Staaten über eine europäische Währungsunion zu leisten, die mächtig genug ist, um sich auf dem Weltgeldmarkt zu refinanzieren - mit den USA als Vorbild.