Edea, Edsilia, Dana und Daniejela

Beim Grand Prix üben die europäischen Länder schon mal, sich gegenseitig schlecht zu machen

Am Vorabend der monetären Union, die in einigen europäischen Ländern ja nicht besonder populär ist, vereinigt ein jährlich ausgetragenes kulturelles Groß-Ereignis, das fast so alt ist wie Europäische Gemeinschaft, die Massen des Kontinents. Beim Grand Prix de la Chanson d'Eurovision ist Europa sinnstiftend vereint im Schlechtfinden. Im Schlechtfinden der anderen.

Aber während man in manchen Ländern schon seit Jahrzehnten davon träumt, einmal zu gewinnen und dann die Grand Prix-Gala ausrichten zu dürfen, fällt in den Sendeanstalten der traditonellen Gewinnerländer die Euphorie über einen Sieg eher gering aus. Denn so ein Grand Prix kostet viel Geld, das besonders die gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten kleiner Länder nur mit Mühe aufbringen können. Das norwegische NRK erklärte in diesem Jahr, es fürchte sich davor, noch einmal einen Grand Prix auszurichten, in Irland bezahlte vor zwei Jahren ein Millionär die Hälfte aller Kosten, dafür mußte die Veranstaltung in seinem Heimatort, einem kleinen Dorf, ausgetragen werden. Trotzdem hatte sich Finnland, das Land mit der schlechtesten Grand Prix-Bilanz, in diesem Jahr viel vorgenommen. Das Team um Sängerin Edea wandte einen Trick an, der mittlerweile in vielen Teilnehmerstaaten gebräuchlich ist: Man versucht, die Besonderheiten der Landessprache durch massiven Einsatz international gebräuchlicher Worte zu glätten, zur Not singt man "lalala" und "yeahyeahyeah". Das eigentlich sehr hart klingende Finnisch wurde wohl noch nie so windelweich intoniert wie im diesjährigen Beitrag. Genutzt hat es dem musikalisch eher gruftigen Beitrag wenig, Edea kam nur auf Patz 15.

Eine weitere Variante wurde von der Niederländerin Edsilia vorgetragen: Im Nederlandse-Soul bot sich eine gute Möglichkeit, die klassischen wortunspezifischen Soulismen einzubringen. Gut versteckte "Heohees" sowie massiver Choreinsatz mit brachialer Orchesterbegleitung führten dazu, daß "kein Mensch hört, daß das Holländisch ist". So erreichten die Niederländer einen akzeptablen vierten Platz. Dabei ist ein bißchen Ethno beim Grand Prix durchaus erwünscht. Allerdings darf der Rahmen der Fremdenverkehrs-kompatiblen Euro-Folklore nicht gesprengt werden. Der französische Beitrag, "O aller?" (Marie-Line), dessen Soul einen starken schwarzafrikanischen Einschlag aufwies, wurde - ganz Festung-Europa-gemäß - vom Publikum mit eindeutigen drei Punkten und dem vorletzten Platz bedacht.

Trotzdem zeigte sich - bis auf das gute Abschneiden der Schnulzen aus Kroatien und Malta - Europa in diesem Jahr erstaunlich modern. Die Standards vergangener Jahre, wie die Nummer "Abgehalfterter-Macho-versucht-noch- ein-paar-Frauen-rumzureißen-und- knödelt-seine-prä-Viagra-Midlifecrisisheraus" wurde vom schwer verlebten Charlie aus Ungarn, dem Slowenen Vili Resnik und dem Türken Tuzmen zwar formvollendet dargeboten, blieb aber punktetechnisch folgenlos. Die eigentlich ebenso klassische Nummer "Frau-steht-schwarzgekleidet-da-und- schmachtet" erfuhr in diesem Jahr allerdings durch die Kroatin Daniejela eine entscheidende Veränderung. Sie trat zunächst in einen schwarzen Umhang gehüllt auf, den sie sich an einer besonders dramatischen Stelle herunterriß, so daß sie ihr Anti-Kriegslied schließlich in einem blütenweißen Abendkleid beendete. So viel Einsatz für den Weltfrieden wurde mit dem fünften Platz belohnt.

Aber auf den deutschen Kandidaten fiel das diesmal eigentlich recht geschmackssichere Europa partiell doch herein. Er verkörpert Deutschland so, wie die Deutschen am liebsten in der EU gesehen würden: als häßlicher, aber harmloser, gutgelaunter Riese mit Freakbonus. Am Ende war aber klar, daß Männer, egal was sie singen, zur Zeit beim Grand Prix kaum Chancen haben. Während der Deutsche und der norwegische Christen-Boy Lars Frederiksen als beste Herren gerade Siebter bzw. Achter wurden, landeten gleich zehn Frauen auf den ersten zwölf Plätzen: Rang drei belegte die von Chiara aus Malta professionell vorgetragene Edelschnulze "The One That I Love", Zweite wurde die Britin Imaani mit einem formvollendeten Soul-Schlager.

Der israelische Siegertitel, ein hymnischer Disco-Bombast-Stampfhit von Dana International, hatte in Israel Straßenfeste und Autokorsos zur Folge. Im Vorfeld hatte die transsexuelle Dana aus orthodoxen Kreisen Morddrohungen erhalten, der stellvertretende Gesundheitsminister hatte sich öffentlich gegen ihre Teilnahme am Grand Prix ausgesprochen: In Israel wurde der Titelgewinn von der liberalen Presse als Sieg über die Fundamentalisten gefeiert.

Beim Berliner Radiosender Fritz durften die Anrufer hingegen das "gute Ergebnis für Deutschland feiern" und sich mit den zwölf deutschen Punkten für den türkischen Teilnehmer sehr unzufrieden zeigen. "Die haben wir denen nicht gegeben, die haben die sich selbst gegeben", erklärte der Moderator und schlug vor: "Im nächsten Jahr machen wir es genauso. Da ziehen wir alle nach Polen, lassen uns da nieder, dort ist ja genug Platz, machen da unsere eigenen Geschäfte auf, und beim Grand Prix sorgen wir dann für zwölf polnische Punkte für Deutschland."