Alternative Lebensformen

Fit für Fluchthilfe

"Verhalten Sie sich möglichst unauffällig. Gehen Sie in kleinen Gruppen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen". In feucht-kaltem Schneegestöber trainieren beim ersten Trimm-Dich-Pfad für Fluchthilfe ein Dutzend potentielle FluchthelferInnen in Berlin für ihren Einsatz im Grenzgebiet.

Im Rahmen des Kongresses "1 000 Plateaus" in der Volksbühne nutzen die VeranstalterInnen der Kampagne "kein mensch ist illegal" die Gelegenheit, am elektrischen Lagerfeuer über das vergangene Grenzcamp bei Görlitz im Sommer 1998 zu diskutieren - und gleich auch schon den Termin für das nächste Camp bei Zittau festzulegen (7. bis 15. August).

Los geht der Parcours vor den Türen der Volksbühne: Systematisch werden die wichtigsten skills unter fachlicher Anleitung eingeübt. Um Schaulustige auf die Aktion aufmerksam zu machen, sind die Stationen auf strategisch wichtige Punkte vom Alexanderplatz bis zum Berliner Dom verteilt.

Angesichts der Tatsache, daß im Grenzland bis zu 80 Prozent der Aufgriffe von Flüchtlingen durch Hinweise aus der Bevölkerung an den Bundesgrenzschutz (BGS) vorgenommen werden, lautet die zweite Anweisung: "Achten Sie auf die Reaktionen der Passanten. Denunzianten können uns überall auflauern".

Die TrainerInnen des migrationsspezifischen Trimm-Dich-Pfades warnen vor den BGS-Hubschraubern und schlagen vor, sich nur robbend fortzubewegen. Sie weisen darauf hin, daß sich zum Überqueren eines Flusses - in Berlin dient die Spree zu Simulationszwecken - jeder Flüchtling eine geeignete Stelle suchen muß. Durchnäßte Kleidung soll umgehend gewechselt werden. Ein Weiterkommen im Grenzgebiet per Taxi ist schließlich nur dann möglich, wenn man weder "fremdländisch" aussieht (so das BGS-Raster zur Selektion von Flüchtlingen) noch Dreck an den Schuhen klebt - denn das könnte ein stichhaltiger Hinweis dafür sein, daß man die grüne Grenze gerade hinter sich gelassen hat.

Die Bundesregierung läßt sich die "Grenzsicherung" einiges kosten. Mit Wärmebildkameras und anderem technischem Know-how ausgestattet, geht der Bundesgrenzschutz gegen Flüchtlinge und Fluchthelfer vor. Auch die mittels deutscher Finanzhilfe "abgesicherten" Grenzen der sogenannten sicheren Drittstaaten zu den östlichen Nachbarländern sind für MigrantInnen kaum überwindbar.

Die Fluchthilfe, oft als "Schlepper- und Schleusertum" kriminalisiert, hat durch die Abschottung der Grenzen einen hohen Marktwert erlangt: Angebot und Nachfrage bestimmen auch hier die Kosten. Und die können sich die wenigsten MigrantInnen leisten.