Boys are Boys

Die Fotografien von Glen E. Friedman dokumentieren Pop-Geschichte und Jugendkultur in den USA: Skaten, Hardcore, HipHop und Punkrock. Vor allem aber zeigen sie, dass Jungs unter sich ganz zufrieden sein können.

Es muss ein naiver Optimismus in der Luft gelegen haben. Damals, Mitte der siebziger Jahre, als die Kids wie Kids aussahen und in Hollywood, Santa Monica und West L.A. in leeren Swimming-Pools gleich mehrere Summers of Skateboarding hintereinander zelebrierten. Mit darunter ist der Teenager Glen E. Friedman, der - zunächst mehr nebenbei - seine Kumpels knipst: Unter dem unfassbar türkisfarbenen kalifornischen Himmel sausen Jungs in ebenso farbenfrohen knappen Hosen und T-Shirts fast waagerecht an den Seitenwänden der Pools entlang, als hätten sie mit der Koppelung aus Skateboard und jugendlicher Energie das Perpetuum Mobile erfunden.

Natürlich ahnten weder Friedman noch seine Skater-Freunde, dass sie zwanzig Jahre später allesamt zu Helden werden sollten. Da hilft es auch nicht, wenn Friedman seine Bildbände und Ausstellungen heute "Fuck You Heroes", "Fuck You Too" und "Fuck You All" nennt. Für den Style-Nerd, der sich Friedmans Ausstellungen heute in Galerien in Tokio oder London anschaut, gehört das zur Corporate Identity.

Die Lollipop-bunten Sommer wollten nicht ins Skateboard-Paradies münden. In den späten Siebzigern hielt stattdessen Punk mit seinem pickeligen Rebellentum auch in den Clubs der USA Einzug. Ob D.O.A., Black Flag, Henry Rollins oder Minutemen: Friedman hat sie alle - schwitzend, schreiend und tobend - vor der Kamera gehabt. Kraft und Authentizität sollen die Bilder der Bands vermitteln. Die Anstrengung soll nicht umsonst gewesen sein. Und doch wirken sie eher als gelungene Pose. Dem ärgerlichen jungen Mann auf der Bühne kauft man heute eben nicht mehr jeden Wutausbruch ab.

Während die einen - auf der Suche nach dem ehrlichen Ausdruck - zur Pose erstarren, versuchen andere, über die Pose ihre Realität zu beschreiben: Friedmans Dokumentation von HipHop-Bands und Cliquen umfasst alles, was in den späten Achtzigern Rang und Namen hatte. Von Public Enemy über Run DMC, die Westküsten-Gangsta-Rappern bis hin zu den Beastie Boys sind sie alle dabei. Weniger als Bühnen- denn als Inszenierungskünstler. Die Staffage liefern Knarren, Limousinen und finsterer Gesichtsausdruck.

Dass Punk und HipHop sich überschneiden, hat wohl vor allem mit den Beastie Boys und der Gründung des Labels Def Jam zu tun. Friedman lernte die Band kennen, als sie noch Hardcore spielten und Skater waren und ausgerechnet für Madonna die Vorband machten. Er fotografierte sie immer wieder und begleitete ihren Übergang zum HipHop. Über ihr Plattenlabel Def Jam bekam er den Job, HipHop-Platten-Cover zu fotografieren. Es war vor allem der gemeinsame Wille zum Abfahrt-Sound, der die beiden Genres zusammenbrachte und aus dem heraus dann solche Kombinationen wie beispielsweise Run DMC und Aerosmith oder Public Enemy und Anthrax entstanden. Und er fotografierte nicht nur alles, was in der New School des HipHop Rang, Namen und Plattenvertrag hatte - Ice-T verlieh ihm dafür den Ehrentitel des Original Gangster der Rap-Fotografie -, er brachte auch LL Cool J dazu, sich seinen berühmten Kangol-Hut aufzusetzen, als er zu unauffällig gekleidet zu seinem ersten Foto-Shoot erschien.

Von Friedman stammen nicht nur die Fotos des legendären ersten Minor Threat-Covers, er war auch eine Weile Manager der Suicidal Tendencies. Doch sein Interesse an Punk und seinem Folge-Genre Hardcore scheint ausgeprägter als an den HipHop-Acts. Denn wenige der HipHop-Bands verfolgt er über die New School-Ära hinaus. Er selbst lebt seit Jahren straight edge und praktiziert diesen seltsam-asketischen Lifestyle, diesen Protestantismus für Linksradikale, der aus politischen Gründen Fleisch-, Alkohol-, Nikotin- und Drogen-Konsum ablehnt. Eines seiner Lieblingsmotive sind daher auch Fugazi, die Überväter des Hardcore, die er über Jahre hinweg immer wieder traf.

Friedmans Bilder ergeben sicherlich eine wertvolle Chronik von Teilen der US-amerikanischen Pop-Geschichte. Tatsächlich sind sie aber - jenseits ihres dokumentarischen Anspruchs - bei näherer Betrachtung aus einem sehr eingeschränkten Blickwinkel entstanden, der die Ikonografie der Szene entlarvt und den Fotografen nicht gerade sympathischer macht. Nicht nur, dass auf den Hunderten von Bildern, die Friedman ausstellt, so gut wie keine Frauen zu sehen sind. Friedmans Antwort darauf ist ein ebenso routiniertes wie beleidigtes "Es gab aber damals kaum Frauen in diesen Kreisen". Dass HipHop, Punk und Hardcore keine Frauen-Bastionen sind, ist nicht neu. Es ist aber vor allem der Blick, den Friedman auf seine Protagonisten wirft, der gänzlich affirmativ ist, dem Testosteron-Rausch seiner Helden vollkommen verfallen.

Nur beim Militär, bei den Boy-Scouts oder bei studentischen Vereinigungen findet man den Jungmann derart unverdorben und zufrieden unter seinesgleichen. Und so sind Friedmans Aufnahmen vor allem eine hochinteressante Studie über das Rudelverhalten subkultureller Männerbünde, absorbiert in ihren Ritualen.

Glen E. Friedman: "Fuck You Heroes". Galerie Fastforward, Ackerstraße 154, Berlin-Mitte. Vom 15. Oktober bis zum 12. November