Die Angst der Zwerge

Die Angst der Zwerge auf den Schultern von Riesen

Der Sprengstoff, den die klassische Kritische Theorie einmal barg, ist bei deren kommunikations-, anerkennungs- und demokratietheoretischen Erben längst nass geworden.

75 Jahre Institut für Sozialforschung (IfS) - ein Grund zum Feiern? Nicht unbedingt, wenn man sich die gegenwärtige Situation des Frankfurter Forschungsinstituts anschaut. Sicher: Die Geschichte des IfS war, allen interessierten zeitgenössischen wie nachträglichen Stilisierungen zum Trotz, immer schon von einer eigentümlichen Dialektik von Kontinuität und Bruch, von Re- und Umorientierung seiner Theorie- und Forschungsarbeit im Kontext der Veränderung der "äußeren" historisch-gesellschaftlichen, politisch-theoretischen etc. Konstellationen geprägt, die sich institutsintern nicht zuletzt eben auch an veränderten personellen Konstellationen ablesen lässt.

Doch scheint das intellektuelle und institutionelle Erbe der als "ältere" (Horkheimer, Adorno, Marcuse etc.) bzw. "jüngere" (Habermas etc.) "Frankfurter Schule" mittlerweile schon doppelt klassisch gewordenen Kritischen Theorie(n) so übermächtig, dass das historisch-kritische Reflexionsvermögen der Enkel darunter eher leidet denn daraus produktive Anstöße erhält.

Wie anders lässt sich erklären, dass auf der zu seinem Geburtstag unter dem Titel "Kritik der Gesellschaft" veranstalteten internationalen Konferenz die Geschichte des IfS nur im einleitenden Vortrag seines geschäftsführenden Direktors Ludwig von Friedeburg über "Die Frankfurter Schule und ihre Stadt" vorkam, verkürzt allerdings auf die mythische Zeit unter der Leitung Max Horkheimers und Theodor W. Adornos. Die in den letzten dreißig Jahren am IfS geleistete Theorie- und Forschungsarbeit wurde ebensowenig zum Gegenstand kritischer Selbstreflexion gemacht wie das ja nun auch schon zwei Jahre alte Arbeitsprogramm und etwa exemplarische daraus hervorgegangene Projekte oder die weiteren Vorstellungen und Überlegungen der neuen Institutsleitung zur Zukunft des IfS.

Es blieb dem assoziativ mäandernden Beitrag des katholischen Außenseiters Otto Kallscheuer in der abschließenden Podiumsdiskussion über "Bedingungen intellektueller Praxis und Spielräume eingreifender Gesellschaftskritik" vorbehalten, wenigstens auf die Ära Grünberg und sein Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung und damit auf den Umstand hinzuweisen, dass die heilige Frankfurter Trias Institut für Sozialforschung, Kritische Theorie und Frankfurter Schule nicht nur nicht identisch, sondern nicht einmal deckungsgleich ist.

Doch eine kritisch-selbstkritische Auseinandersetzung mit der vergangenen und gegenwärtigen mehr oder weniger prekären Einheit von Theorie- und Forschungsarbeit bzw. deren Auseinanderfallen am und um das IfS herum, mit den materialen Problemen kritischer Sozialforschung in Zeiten des gesellschaftlichen Rollbacks schien auch gar nicht unbedingt gewünscht. Vielmehr konnte man den Eindruck gewinnen, dass hier aus der Not des Jubiläumsdatums heraus eine Schar mehr oder weniger illustrer intellektueller Gäste (die z.T. schon kaum etwas zur klassischen Kritischen Theorie, weniger noch zum gegenwärtigen Institut zu sagen hatten, nichtsdestoweniger jedoch noch die interessantesten Beiträge lieferten) aufgefahren wurde, um so die allen Krisengerüchten zum Trotz auch weiterhin bestehende Reputation des IfS zu demonstrieren - nicht zuletzt den zentralen Geldgebern.

Wer sich über die aktuellen Probleme des IfS informieren wollte, war auf eine am Rande der Konferenz kursierende Broschüre angewiesen, die vier z.T. ehemalige Mitarbeiter des Instituts im Selbstverlag herausgegeben haben (Billerbeck et al. 1999). Darin kritisieren sie eine 1994 durch die Direktoren des IfS eingeleitete "Politik der zunehmend autoritären Reform 'von oben'", die 1997 mit der "Liquidierung" der in den Auseinandersetzungen der frühen siebziger Jahre erreichten demokratischen Institutsverfassung und ihrer paritätischen Mitbestimmung sowie der Durchsetzung einer neuen Forschungsprogrammatik durch die neue "kollegiale" Institutsleitung "formal abgeschlossen" worden sei.

Ihr Hauptvorwurf an die neuen Chefs zielt darauf, dass der "gegen den Willen und die Vorstellungen der am Institut Beschäftigten" durchgesetzte Reformprozess bis heute "eher destruktive Auswirkungen" habe: Keines der "drückenden Probleme der zurückliegenden Jahrzehnte" sei wirklich gelöst, dafür aber seien "wichtige interne Strukturen und Ressourcen", die die "gute empirische Forschung" des IfS mehr als zwei Jahrzehnte erst möglich gemacht habe, zerstört worden.

Auseinandersetzungen über Forschungsschwerpunkte, Theorie-Design, Kritikmaßstäbe und die personelle Seite der Institutsarbeit sind nicht neu am IfS. Adornos Tod 1969 hatte für das IfS eine "schmerzliche Zäsur" dargestellt, war er doch "seit Mitte der fünfziger Jahre das, was Horkheimer seit den dreißiger Jahren gewesen war: seine bestimmende Kraft" (Friedeburg 1999).

Die im wesentlichen dann durch Gerhard Brandt (Institutsdirektor von 1972 bis 1983) getragene Neuorientierung zielte auf eine von Alfred Sohn-Rethels Lektüre der Kritik der Politischen Ökonomie und seinem Konzept der reellen Subsumtion beeinflusste Reformulierung kritisch-materialistischer Kapitalismus-Theorie, in deren Kontext (nach einem nahezu kompletten Austausch der wissenschaftlichen Mitarbeiter) bis Ende der achtziger Jahre zahlreiche Arbeiten in den Bereichen der Industriesoziologie, der Gewerkschafts- und Industrial-Relations-Forschung, nicht zuletzt aber auch der Frauenforschung entstanden.

Vor dem Hintergrund einer anscheinend für die meisten MitarbeiterInnen überraschend auftretenden Finanzkrise, die die grundsätzliche Problematik der über Drittmittel geförderten Forschung drückend aktualisierte, begann schon Anfang der achtziger Jahre eine angesichts der je aktuellen Probleme konkreter Projektearbeit auf der einen und des allgemeinen Instituts- und Forschungsmanagements auf der anderen Seite notwendig diskontinuierliche Debatte über das politische und theoretische Selbstverständnis des IfS und die gegenwärtig möglichen Formen der Verbindung von Theorie- und Forschungsarbeit.

Diese aus der Sicht der Direktoren wohl schon zu lange andauernde Hängepartie des IfS, dem es nicht zu gelingen scheint, über die ja durchaus beachtlichen Resultate seiner Forschungsarbeit (darüber gibt das aktuelle Heft 10 seiner Mitteilungen einen instruktiven Überblick) hinaus eine konturierte, ebenso eigenständige wie gegenwärtige Identität zu gewinnen, um aus dem anscheinend erdrückenden Schatten der übergroßen Altvorderen hinaustreten zu können, wird verschärft durch die nicht unendlich hinauszuschiebende Regelung der Nachfolge für den seit 1966 amtierenden Direktor von Friedeburg, der (abgesehen von seiner Zeit an der FU Berlin zwischen 1962 und 1966) seit 1954 mehr oder weniger zentrale Bedeutung und Verantwortung für die Institutsentwicklung hat.

Dessen Angst um die Zukunft des Instituts scheint dabei durchaus berechtigt, denn unter den gegenwärtig erheblich verschlechterten Drittmittelbedingungen sind die Spielräume für "experimentelle" Lösungen wesentlich schlechter als Anfang der siebziger Jahre. Und auch die internen Bedingungen für eine produktive Fortsetzung qua Neuorientierung scheinen schlechter denn je, steckt doch die ebenso mythisch beschworene Kritische Theorie, auf deren wie auch immer reformuliertes Erbe man sich bei aller Distanz immer noch zu berufen genötigt sieht, wieder einmal erheblich in der Krise: Obwohl sich heute "eine politisch-historische Konstellation" abzeichne, die "in ihrem dramatischen Potential" an die Zeiten erinnere, "in denen die kritische Theorie entstanden ist", sei es um die kritische Theorie der Gesellschaft "still geworden", so der vermutliche Friedeburg-Nachfolger Helmut Dubiel (1995).

Dass unter diesen Umständen die neuerliche Berufung auf die theoretische Tradition der Kritischen Theorie ein theoriepolitisch eher zweischneidiges, hauptsächlich rhetorisches labeling zwecks Distinktion in einer unübersichtlich plural gewordenen scientific community sozialwissenschaftlicher Forschungsinstitute darstellt, denn eine auch nur halbwegs systematische Bestimmung der theoretischen Grundlagen der zukünftigen Institutsarbeit markieren kann (und wohl auch nicht wirklich soll), dokumentiert nicht nur der Theorie- und Forschungs-Flickerlteppich des "Arbeitsprogramms des Instituts für Sozialforschung", für das das vom Stiftungsrat neu gewählte Kollegium verantwortlich zeichnet.

Für Axel Honneth, gewichtige theoriepolitische Instanz im neuen Kollegium, ist die Kritische Theorie eine historisch eher überlebte Gestalt, von der sich allenfalls Motive retten lassen. In ihrem ursprünglichen Sinn, also als das interdisziplinär angelegte Unternehmen einer kritischen Diagnose der sozialen Wirklichkeit, ist diese Tradition für ihn heute "längst nicht mehr existent".

Das ursprüngliche Forschungsprogramm verdiene auch keine "ungebrochene Weiterentwicklung", denn eine "komplex gewordene", sich "schnell verändernde Realität" lasse sich nun einmal nicht mehr ohne weiteres im Rahmen einer einzigen, auch interdisziplinär angelegten Theorie erforschen. Dennoch hält auch Honneth an der Distinktion kritischer Theorie von anderen fest und zählt noch lange nicht "jede beliebige Form von Gesellschaftstheorie, soweit sie nur ihren Gegenstand einer kritischen Überprüfung oder Diagnose unterzieht" dazu. In diesen Topf sollen nur jene, die jene Form der "normativen Kritik" teilen, "die zugleich über die vorwissenschaftliche Instanz Auskunft zu geben vermag, in der ihr eigener kritischer Gesichtspunkt als empirisches Interesse oder moralische Erfahrung außertheoretisch verankert ist". Dieses "linkshegelianische Erbstück" der Kritischen Theorie sei "das einzige theoretische Element", das auch heute noch "im Sinne eines Identitätsmerkmals, einer unverzichtbaren Prämisse der alten Tradition" fungieren könne.

Die eigentliche theoretische Problematik besteht für Honneth dann darin, "in vorsichtiger Abgrenzung zur Habermasschen Kommunikationstheorie schrittweise die Grundannahmen eines Ansatzes (zu) skizziere(n), der den methodischen Anforderungen der alten Theorie genügen kann". (Honneth 1994 a)

Wie weit die theoretischen Differenzen innerhalb der neuen Institutsleitung geht und wie gewaltsam diese im gemeinsamen Arbeitsprogramm zusammengezwungen werden, zeigt sich darin, dass Honneth die "kategoriale Diffusität" des für seinen Kollegen Dubiel ja zentralen Begriffs der civil society kritisiert und zu Recht anmerkt, dass dieser zwar nun schon einige Zeit durch die Reihen der bundesrepublikanischen Linken "geistert", ohne dabei jedoch an "theoretischen Konturen" zu gewinnen. Er moniert die "theoretische(n) Ambivalenzen, wie sie für die Studie von Rödel, Frankenberg und Dubiel überhaupt charakteristisch scheinen", und kommt zu dem Schluß, dass es "schwer auszumachen (ist), wie kritisch ihr Konzept von 'Zivilgesellschaft' tatsächlich ist". (Honneth 1994 b)

Wie hohl der theoretische Anspruch des neuen IfS-Arbeitsprogramms klingt, wird deutlich, wenn dort eingeräumt wird, dass sich die Karriere des Zivilgesellschaftskonzepts "weniger seiner analytischen Schärfe als vielmehr der intuitiven Treffsicherheit" verdanke, "mit der es einen unübersichtlichen Problemzusammenhang in eine theoretisch und empirisch noch aufzuschließende Formel bannt" - ausdrücklich gelobt wird seine überaus "produktive Vagheit".

Und so werden die interessierten LeserInnen denn auch gleich darüber aufgeklärt, dass es eine "real existierende" Zivilgesellschaft niemals geben könne und dieses Konzept nicht einfach identisch mit dem "institutionellen Arsenal der liberalen Demokratie" sei: Es sei lediglich deckungsgleich mit jenen "normativen Verfassungsprinzipien, mit denen sichergestellt werden soll, daß die Macht, die eine Gesellschaft im Namen des Staates auf sich ausübt, immer nur repräsentiert, aber nie monopolhaft angeeignet werden kann". Eigentümlicherweise wird die real nicht existierende Zivilgesellschaft im Kontext der Betrachtungen zum Punkt "Geschlechterkonflikt und zivile Gesellschaft" nun doch zu einer wohl durchaus real existieren sollenden "Sphäre zwischen Staat und Gesellschaft", die "nicht getrennt (...) von den materiellen Bedingungen, die der kapitalistische Arbeitsmarkt zum einen und der Sozialstaat zum anderen setzt", betrachtet werden könne. Und wenn von den "ethnozentristischen, rassistischen und sexistischen Gefährdungen der zivilen Gesellschaft" die Rede ist, dann handelt es sich offensichtlich auch hier nicht nur um ein Problem immaterieller Konzepte und normativer Prinzipien.

Kurz und gut bzw. schlecht: Es mag sein, dass "uns von einem naiven Verständnis von Zivilgesellschaft" einiges "unterscheidet", an den schon von Honneth monierten theoretischen Ambivalenzen des auch im neuen Arbeitsprogramm wieder an prominenter Stelle situierten Konzeptes scheint sich aber trotz mancher rhetorischer An- und Umbauten wenig geändert zu haben, sodass nach wie vor gilt: "im Augenblick ist der Grundbegriff von zu vielen Ambivalenzen durchsetzt, als daß Anlaß zur Hoffnung bestünde" (Honneth 1994 b).

Doch nicht nur hier, zwischen den nur schlecht rhetorisch verknüpften anerkennungs- und demokratietheoretischen Ansätzen scheint eine in ihren Konsequenzen noch kaum absehbare grundsätzliche Differenz auf. Die ebenfalls in den Institutsmitteilungen veröffentlichten "Überlegungen zur Soziologie und Ökonomie des globalen Kapitalismus" von Wilhelm Schumm (1996) widersprechen explizit der im Dubiel / Friedeburgschen Memorandum noch vertretenen Kernthese der "dramatische(n) Zuspitzung von Krisen der sozialen Integration", aus der sie dann auch die vermeintlich "einheitliche Fragestellung des gesamten Forschungsprogramms" abgeleitet hatten.

Schumm geht zunächst von der These aus, dass "Versuche (...), die eine gesellschaftstheoretisch fundierte Kapitalismusanalyse erarbeiten wollen", an "elaborierte Ansätze innerhalb der kritischen Theorie" nicht anknüpfen könnten. Während die Autoren des Memorandums in theoretischem Rösselsprung davon schreiben, "daß die konkrete Totalität unserer Gesellschaft uns verborgen ist" und, da sie "nicht mehr auf die Hoffnung einer einheitlichen Theorie setzen", die ihnen "undeutliche Vielfalt von sozialen Konflikten", statt sie "auf den Faden eines einheitlichen theoretischen Grundmodells auf(zu)reihen", lieber einer "einheitlichen Fragestellung" unterwerfen, um so "trotz aller Betonung der Vielfältigkeit der Krisen" dann doch wieder ihre "inneren Zusammenhänge" aufzudecken (Dubiel / Friedeburg 1995), ist Schumm gegen alle möglichen Traditionalismusvorwürfe daran interessiert, "die alten Fragen nach der Totalität von Gesellschaft, nach ihrem ökonomischen und sozialen Zusammenhang auf der Makroebene neu (zu) stellen" und "die Entstehung und den Wandel einer historischen Formation sowohl auf der Ebene der Ökonomie als auch auf der politisch-institutionellen und sozio-kulturellen Ebene empirisch zu klären" (Schumm 1996).

Ihm geht es darum, "gegen die These, die Sphäre von Produktion und Arbeit sei nicht mehr zentral für das Verständnis der Dramatik der aktuellen gesellschaftlichen Konflikte, einige Schritte der 'Vermittlung' des Wandels der materiellen Produktion und der übrigen gesellschaftlichen Bereiche systematisch zu thematisieren und damit die Notwendigkeit zu unterstreichen, eine Reihe verschiedener einzelwissenschaftlicher Theoriekonzepte aus den Sozialwissenschaften zusammenzuführen" und nimmt so Stellung gegen den Tenor des Memorandums: "Die gegenwärtige Krise erscheint unter diesem Blickwinkel nicht nur und nicht vorrangig als die der sozialen Integration, sondern als Folge einer bestimmten historischen Konstellation von ökonomischer Entwicklungsdynamik und der Krise der Politik."

Schumms Interesse an einer "gesellschaftstheoretisch fundierte(n) Diagnose der Entwicklungstendenzen des gegenwärtigen Kapitalismus" zielt darauf, kapitalistische "Restrukturierung als einen dynamischen Prozeß der Veränderung von Strukturen zu verstehen und in diesem Sinne den gesellschaftlichen Umbruch als Ergebnis von Entscheidungen durchsetzungsfähiger Akteure zu untersuchen". Ein angesichts der politisch-theoretischen Vagheiten seiner Kollegiaten schon beinahe erfrischender Traditionalismus. Sein jedoch insgesamt schon eher blasser Kongress-Auftritt, wo er als Schlussreferent über die Bedingungen und Perspektiven kritischer empirischer Industriesoziologie zu informieren suchte, geriet mit dem Eingeständnis des Fehlens normativer Kritikmaßstäbe, die den gegenwärtigen Formen industrieller Beziehungen angemessen sei, unfreiwillig zum exemplarischen Ausdruck der gegenwärtigen Krise des IfS.

Nicht anders als Dubiels Kongress-Vortrag über die Perspektiven einer "Kritischen Theorie des globalen Kapitalismus", der auf ein wieder gestiegenes entsprechendes Problembewusstsein und mögliche Erkenntnisfortschritte hatte hoffen lassen, doch in seinen allzu vage geratenen Ausführungen im gewohnten, politisch-theoretisch eher langweiligen Rahmen blieb, gerade auch dort, wo er sich um Anschluss an die internationale Debatte bemühte. Kein Wunder, dass der Befund über die gegenwärtige Situation (Dubiel 1994) so trostlos ausfällt: Dass "das Establishment" gelernt hat, "mit der kritischen Theorie, will sagen: mit vielen ihrer zeitgenössischen Repräsentanten zu leben", mag wohl nicht zuletzt an diesen selber liegen.

Für Außenstehende ist es jedenfalls kein Wunder, dass von dem "Sprengstoff, den die klassische Kritische Theorie in ihren esoterischen Kategorien barg", bei deren kommunikations-, anerkennungs- und demokratietheoretischen Erben so viel nass geworden ist.

Literatur

Arbeitsprogramm des Instituts für Sozialforschung 1997, in: Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 5, S. 5-42.

Billerbeck, Ulrich et al. 1999: Rücksichten. Unerhörte Mitteilungen aus dem Institut für Sozialforschung - 1970 bis 1997.

Dubiel, Helmut 1994 : Ungewißheit und Politik, Frankfurt a.M.

Dubiel, Helmut 1995 : "Die verstummten Erben. Kritische Theorie in der Krise", in: Neue Rundschau, 106. Jg., Heft 3.

Dubiel, Helmut; Friedeburg, Ludwig von 1995 : "Die Zukunft des Instituts für Sozialforschung", in: Frankfurter Rundschau, 19. Dezember 1995.

Hintz, Michael 1996 : "Die radikale Kritik am modernen Kapitalismus findet nicht mehr statt. Zur Debatte um Programm und Organisation des Frankfurter Instituts für Sozialforschung", in: Frankfurter Rundschau, 7. Juni 1996.

Honneth, Axel 1994 a : "Die soziale Dynamik von Mißachtung. Zur Ortsbestimmung einer kritischen Gesellschaftstheorie", in: Leviathan, 22. Jg., Heft 1.

Honneth, Axel 1994 b : Desintegration. Bruchstücke einer soziologischen Zeitdiagnose, Frankfurt a.M.

Schumm, Wilhelm 1996 : "Überlegungen zur Soziologie und Ökonomie des globalen Kapitalismus", in: Mitteilungen des IfS, Heft 7.

Über die theorie- und forschungspolitischen Aktivitäten nach der Wiedereröffnung des Instituts informiert die jüngst bei Suhrkamp als Taschenbuch erschienene Arbeit von Alex Demirovic, "Der nonkonformistische Intellektuelle. Die Entwicklung der Kritischen Theorie zur Frankfurter Schule".