Stimmungsmache gegen Marginalisierte

Ab ins Job-Center!

Roland Koch hat es wieder einmal geschafft. Die Republik spricht über seine rechtspopulistischen Vorschläge und im Ring steht kein Gegner, der ihm Paroli bieten könnte. Zwar wurde seine kalkulierte Entgleisung, Sozialhilfeempfänger, die sich einer Arbeit verweigerten, sollten sich auf ein Leben in ärmlichen Verhältnissen einrichten, meist zurückgewiesen. Aber nur, um dem rechten Einpeitscher im nächsten Halbsatz prinzipiell zuzustimmen.

Der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) meinte, das Modell Wisconsin sei in der Methode nicht auf Deutschland übertragbar. Ansonsten aber gab er Koch Recht und wandte nur ein, die Vorschläge seien insgesamt ein »alter Hut«, das werde in Niedersachsen längst so gehandhabt.

Dieses »Nein, aber« markiert nichts anderes als Kochs Sieg in der Debatte. Man kann seine menschenverachtenden Pläne nicht zurückweisen, indem man sich zunächst darüber empört, dann aber behauptet, das würde sowieso schon alles praktiziert. Schließlich hat Bundeskanzler Gerhard Schröder die Kampagne selbst eingeleitet, indem er die Ursache für die steigenden Arbeitslosenzahlen nicht in seiner verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik suchte, sondern bei den Betroffenen der verschärften Deregulierung des Arbeitsmarktes.

Geschickt knüpfte Koch an Schröders Diktum an, es gebe kein Recht auf Faulheit, und verpasste dem Diskurs noch einmal einen zusätzlichen Rechtsdrall. Mit sozialen Forderungen ist in diesem Land inzwischen keine Wahl mehr zu gewinnen. 40 Prozent der Ostdeutschen glauben nach einer Umfrage, Arbeitslose seien faul, im Westen sind es sogar zwei Drittel der Leute.

Und tatsächlich wird das, was Koch propagiert, längst durchgeführt. Im Juni 2001 wurde 15 Prozent mehr Arbeitslosen das Geld gestrichen als im Jahr zuvor. Es waren im Westen 20 000 Menschen, die offensichtlich keinen der schlecht bezahlten Jobs mehr annehmen wollten und dafür Restriktionen in Kauf nehmen mussten. Ein paar Leute scheinen bemerkt zu haben, dass die Niedriglöhne ebenso wie die Arbeitslosen- und Sozialhilfe den Aufwand nicht mehr lohnen. Aber leider gibt es keinen Ausweg. Die Betroffenen sind nicht organisiert und haben keine Lobby.

Was soll man davon halten, wenn nur noch der Geschäftsführer des Deutschen Städtetages Koch widerspricht? Stephan Articus wies in der vergangenen Woche darauf hin, dass von derzeit 2,8 Millionen Sozialhilfeempfängern zwei Millionen gar nicht erwerbsfähig seien, weil es sich um Kinder, alte Menschen oder Alleinerziehende handle. Und von den restlichen 800 000 Menschen gehe die Hälfte sowieso einer vom Sozialamt auferlegten Beschäftigung nach.

Aber wen interessieren solche Einwände, wenn es so einfach ist, die eigene Unzufriedenheit auf die abzuwälzen, die es sich vermeintlich auf dem Sofa bequem gemacht haben? Da diese Projektion prächtig funktioniert, ist zukünftig mit noch härterem Vorgehen zu rechnen. Wie bisher wird es gegen Migranten und Asylbewerber gehen, gegen Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger, aber vielleicht auch verstärkt gegen Behinderte und Rentner.

Was heute undenkbar erscheint, wird morgen von einem Hinterbänkler im Parlament gefordert und übermorgen von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bis zur Süddeutschen Zeitung ernsthaft diskutiert. Der kommende Bundestagswahlkampf könnte ein Parteienfeldzug gegen die Marginalisierten werden.

Aber wie könnte Kochs Drohung mit der Unterbringung in »Wohnunterkünften« eigentlich noch übertroffen werden? Soll es für die Arbeitsscheuen bald nur noch Wasser und Brot geben? Oder Umerziehungsanstalten, die dann beschönigend Job-Center heißen?