Theorie & Praxis III

Ein bisschen Frieden

Deutsche Heldinnen sind heutzutage rar. Der Berliner Kurier jedoch, die führende Hauptstadtzeitung, hat vergangene Woche zwei davon entdeckt: Julia D. (21) und Sophia D. (50), »eine junge Kindergärtnerin aus Berlin und ihre Mutter«. Als zweiköpfiges Vorauskommando der deutschen Friedensbewegung sind sie ausgezogen, um im Nahen Osten das zu tun, was Deutsche am besten können und wofür sie seit dem vergangenen Jahrhundert in der ganzen Welt berühmt sind, nämlich Frieden schaffen.

Zuerst wollte man wohl nur mal so gucken und »rausfinden, was in Palästina los ist« (Berliner Kurier), doch dann muss ziemlich schnell der Entschluss gereift sein, »was für den Frieden« (Berliner Kurier) tun zu wollen. Bis sich schließlich herausgestellt hat, dass Frieden zu machen saumäßig schwer ist: »Überall sind israelische Soldaten«, mit denen nicht gut Kirschen essen ist, doch gemeinsam stellen sich Mutter und Tochter wagemutig vor israelische Panzer und »kämpfen Auge in Auge mit israelischen Soldaten um den Frieden«, berichtete der Berliner Kurier.

Wie aber das Leben so spielt, ist bislang aus den ehrgeizigen Plänen der beiden engagierten Friedensfreundinnen nichts geworden, da dem Friedenschaffen noch immer der doofe Krieg im Weg steht. »Umzingelt von israelischen Soldaten, umgeben von Palästinensern«, müssen die todesmutigen Friedensaktivistinnen hilflos mit ansehen, wie die Barbaren fortgesetzt mit Schießgewehren hantieren. Obwohl die beiden deutschen Frauen, wie sie sagen, schon »mit den Soldaten diskutiert« haben. Genützt hat es nichts. Schlimm. »Und es ist lebensgefährlich. Immer wieder wird geschossen«, weiß der Berliner Kurier zu berichten. Ja, das Schießen bleibt wohl im Krieg nicht aus, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Viel interessanter und spannender aber ist: Wer genau ist eigentlich Julia D. (21), die »fröhliche junge Frau inmitten der Kriegshölle«? Der Berliner Kurier, das Zentralorgan der deutschen Friedensbewegung, bleibt uns auch hierauf die Antwort nicht schuldig: »Sie ist politisch engagiert, aber nicht organisiert, eher links, demonstriert, wenn es um Menschenrechte geht.« Kurz, ein Mensch, wie man ihn sich wünscht: kämpferisch, freisinnig, gerechtigkeitsbewusst, kein Nazi und obendrein bumsfidel. Was will man mehr?

Auf seinem Titelbild präsentiert uns das Blatt ein junges, keckes Mädchen, das stolz und mit von Wüstenwind umspieltem Haar hoch zu Rosse sitzt. Auf einem anderen Foto sehen wir die kesse Kreuzbergerin ganz so, »wie ihre Freunde sie lieben: Sie umarmt strahlend (...) das Pferd ihrer Freundin, das sie bei einer schweren Krankheit pflegte« (Berliner Kurier). Denn die kleine Julia hasst nicht nur den Krieg, sondern liebt auch die Pferde, die treuesten Freunde des Menschen neben dem Hund, der auch auf den Fotos zu sehen ist, wie er hinter dem lebhaften Mädchen einhertrottet und es beschützt.

Und tatsächlich erfahren wir noch mehr Erstaunliches über die couragierte Friedenskämpferin, die so herzerfrischend lächeln kann, dass selbst dem verbiestertsten Bösewicht und Kriegsmacher das Herz im Leibe aufgehen müsste: »Sie ist nicht verbissen, hat Spaß, reitet gerne«, sagt ein Freund über sie. Sapperlot aber auch, ein richtiger Springinsfeld und lausbübischer Hansdampf in allen Gassen ist sie, wie geschaffen dafür, den leidigen und brummdummen Krieg im Nahen Osten zu beenden.

Denn nicht nur haben es ihr die Tiere angetan, sie hat auch »ein Herz für Menschen«, wie eine ihrer Freundinnen glaubhaft bekräftigt: »Wenn jemand sie braucht, denkt sie erst an zweiter oder dritter Stelle an sich. Als mein Pferd schwer krank war, hat sie sich liebevoll um das Tier gekümmert.« (Berliner Kurier) Wären all die kriegslüsternen Rabauken nicht so verbohrt und vernagelt, sondern so putzmunter und aufgeweckt wie dieses adrette Berliner Mädel, würde endlich Ruhe an der Front einkehren und alle könnten endlich Pferdebücher lesen und sich um ihre Haustiere kümmern. Aber so weit ist es leider noch nicht. Um aus der verkorksten und verhunzten Welt endlich ein rundum behütetes, nestwarmes Wohlfühlparadies mit angeschlossenem Streichelzoo zu machen, müsste es viel mehr anständige Menschen wie die beherzte Kindergärtnerin Julia D. (21) geben: »Es gehe Julia um Freiräume für Menschen. Dabei sei sie aber nicht naiv, sagt die Freundin. 'Sie hat Herz und Verstand. Wenn sie sich aber für eine Sache entschieden hat, ist sie mit Leib und Seele dabei.'« (Berliner Kurier) Julia und ihre Mama haben sich gegen den Krieg und für den Frieden entschieden. Deswegen wollen sie »bleiben, bis zum Beispiel UN-Blauhelme eintreffen«, damit die dann richtig Frieden machen. Auf dass Pferd, Hund, Katz und Mensch nicht mehr leiden müssen.