Verhaftungen und Hausdurchsuchungen in Italien

Sud Ribelle

»Das ist ein Angriff auf die gesamte Bewegung, um die zum Schweigen zu bringen, die auch nach dem europäischen Sozialforum in Florenz nicht aufhören werden, ihre Stimme zu erheben.« Pietro Rinaldi vom rete dei no global meridionali (Netzwerk der globalisierungskritischen Bewegung in Süditalien) brachte bei einem eilig einberufenen Treffen am 16. November im neapolitanischen Centro sociale Ska die Stimmung der Anwesenden auf den Punkt. In der Nacht zuvor waren in einer gemeinsamen Aktion von politischer Polizei und Sondereinsatzkommandos in mehreren süditalienischen Städten Wohnungen, Autos und Büros durchsucht worden. Gegen 20 Aktivistinnen und Aktivisten lag ein Haftbefehl vor. 16 von ihnen wurden festgenommen und zunächst in den Hochsicherheitsgefängnissen Trani und Viterbo inhaftiert. Vier stellte man unter Hausarrest.

In einer 400 Seiten starken Anklageschrift entfaltet die Untersuchungsrichterin Nadia Plastina aus Cosenza ihr »Theorem«: Es sieht das so genannte rete meridionale del sud ribelle (Netzwerk des aufständischen Südens) als konspirative Vereinigung an, deren Ziel es sei, die ökonomische und politische Ordnung zu untergraben. Dieser politische Tatbestand wurde während des Faschismus ins Strafgesetzbuch aufgenommen und heißt deshalb nach dem faschistischen Innenminister »Codice Rocco«. Er wurde von den Christdemokraten Anfang der siebziger Jahre aktualisiert und richtet sich seit dieser Zeit vor allem gegen linke soziale Bewegungen.

Die Anklageschrift datiert die Gründung des inkriminierten Netzwerks auf den Mai 2001. Damals hatten sich, nach der Demonstration in Neapel, bei der es zu schweren Straßenschlachten kam, und vor den Demos in Genua, Militante verschiedener Bewegungen im Centro sociale Granma in Cosenza getroffen. »Den Reichtum des Südens nach Genua tragen«, lautete damals einer der Slogans (www.inventati.org/sudribelle). Da das aber kaum justiziabel sein dürfte, konstruiert die Anklageschrift um diese »Organisation« flugs eine »immaterielle Assoziation«.

Die aktuelle Repression richtet sich gegen das gesamte Spektrum der gesellschaftlichen Opposition: gegen die globalisierungskritischen Bewegungen, gegen die Selbstorganisationen der Migranten, der Erwerbslosen und der Prekarisierten, gegen Basisgewerkschaftler der Cobas und Aktivisten der Disobbedienti. Und sie richtet sich gegen die Themen dieser Opposition: Im Auto von Francesco Caruso, einem der Festgenommenen, beschlagnahmte die Polizei ein Transparent, das zur Solidarität mit den kämpfenden Fiatarbeitern aufruft, zusammen mit Flugblättern für die landesweite Demonstration gegen das rassistische Ausländergesetz (das Bossi-Fini-Gesetz) in Turin.

Doch ist die Situation von heute nicht mit den Ereignissen vom 7. April 1979 zu vergleichen. Damals waren in ganz Italien Tausende verhaftet worden. Die sozialen Bewegungen der autonomia waren am Ende. »Es gibt, trotz der Schwere des politischen Angriffs, keinen Grund, die Verhaftungen zu dramatisieren«, meint auch Andrea Fumagalli (der in Subtropen, 19/11 die Bewegung der sozialen Bewegungen in Italien beschrieb). In den Tagen nach den Verhaftungen waren in Italien Zehntausende auf der Straße. Die gesellschaftliche Opposition dort scheint in diesen Tagen stark genug, den Repressionsversuch zu unterlaufen und sich weiterhin zu behaupten, von Turin bis Termini Imerese.