Nachrichten

Schnitte der Woche III

Hundt fordert. Dieser Mann hat kein leichtes Leben: der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Dieter Hundt. Täglich muss er fordern, fordern und fordern. Und zwar »Einschnitte«. In der vorigen Woche machte er sich Sorgen um den Beitragssatz zur Rentenversicherung. Um zu verhindern, dass dieser über 19,5 Prozent steige, wünschte Hundt sich eine Verschiebung der zum 1. Juli 2004 fälligen Rentenerhöhung. Zudem solle künftig der Auszahlungstermin der Renten, zumindest für Menschen, die neu in den Ruhestand gehen, vom Ende des Vormonats auf das Ende des Fälligkeitsmonats verschoben werden. Auch bei der Hinterbliebenenversorgung solle gespart werden.

Nur einen Tag nachdem Hundt dies gefordert hatte, zeigte die SPD ihre Regierungsfähigkeit. Die Verschiebung der Rentenzahlungen auf das Monatsende und der geplanten Rentenerhöhungen auf das Jahr 2005 werde erwogen, hieß es aus der Partei am vorigen Freitag.

Derweil rief der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) für den vergangenen Montag zu einer Demonstration gegen den Reformstau in Deutschland auf. Der Vorsitzende des BDI, Michael Rogowski, sagte der Bild-Zeitung: »Auf weitsichtige Wachstumskonzepte der Parteien haben wir lange genug gewartet. Jetzt muss sich was bewegen.« Ob die Demonstration der Unternehmer friedlich verlief, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Fortsetzung folgt

Täglich abheben

Schulden. Immer mehr verschuldete Verbraucher müssen vor Gericht. Darauf wies in der vergangenen Woche die Hamburger Wirtschaftsauskunftei Bürgel hin. Im ersten Halbjahr 2003 stieg demnach die Zahl der gerichtlichen Maßnahmen zur Eintreibung ausstehender Forderungen in Deutschland um 14,5 Prozent auf rund 840 000 Fälle.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung Berlin geht davon aus, dass in der deutschen Hauptstadt etwa 160 000 Haushalte überschuldet seien. Dies lasse sich auch an den so genannten Verschuldungsindikatoren nachweisen: am sprunghaften Anstieg der Stromsperrungen; am Anstieg der Zwangsvollstreckungs- und sonstiger Aufträge an Gerichtsvollzieher; an der steigenden Zahl der Klienten in fester Beratung; am Anwachsen der Konsumentenkredite und dem verstärkten Kreditkartenumlauf.

Dem Statistischen Bundesamt zufolge nahmen im April 2003 die Unternehmensinsolvenzen und die Insolvenzen von Verbrauchern weiter zu. Vor allem in diesem Bereich könnte die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung noch einmal für einen kräftigen Aufschwung sorgen.

Nächtlicher Besuch

Stadtverschönerung. In Frankfurt an der Oder gab es in der vergangenen Woche viel Arbeit für Glaser und Malermeister. Denn in der Nacht zum 16. September warfen Unbekannte insgesamt zwölf Scheiben der Ausländerbehörde der Stadt ein. Auch eine Stinkbombe wurde platziert, an eine Wand sprühten die Abschiebegegner: »Deutschland deportiert wieder! Widerstand ist notwendig und machbar!« Die Bürgermeisterin Katja Wolle (SPD) sprach nach einem Bericht der Zeitung Neues Deutschland von einer »verabscheuungswürdigen Tat«. Das Amt konnte erst zwei Tage später wieder seinen normalen Betrieb aufnehmen und daran arbeiten, dass kein Ausländer zu viel in Brandenburg weilt.

Lechts und rinks

PDS. Er sei seit Januar 1994 der Vorsitzende der Berliner Kulturgemeinschaft Preußen e.V. gewesen, eines Sammelbeckens für das rechtsextremistische Spektrum Berlins. Zuvor habe er der inzwischen verbotenen Nationalistischen Front (NF) angehört, bis März 1996 habe er das so genannte Nationale Infotelefon Berlin (NIT) betrieben. Im Sommer 1994 habe er als Anmelder der Gedenkmärsche für Rudolf Heß in Frankfurt an der Oder und in Oranienburg verantwortlich gezeichnet. In dem Heft Sleipnir habe er 1995 geschrieben, »oberstes Ziel politischer Arbeit« müsse die »Destabilisierung des Systems sein«. Dies alles wusste der Informationsdienst gegen Rechtsextremismus (IDR) über den 37jährigen Ulli Boldt.

Die PDS in Brandenburg hingegen wusste es nicht. In Halbe stand Boldt bereits auf der offenen Liste der Partei zur Wahl des Gemeinderats im Oktober. Nachdem Journalisten die Partei des demokratischen Sozialismus auf die Vergangenheit ihres Kandidaten hingewiesen hatten, wurde er in der vorigen Woche von der Liste gestrichen. Boldt wollte eigentlich an seiner Kanidatur festhalten. »Ich habe mich vor acht Jahren aus der Neonazi-Szene gelöst«, sagte er der Berliner Zeitung. Er habe einen Gesinnungswandel vollzogen und engagiere sich bewusst für eine linke Partei.

Aber vielleicht sollte er sich erst mal im sozialen Bereich einsetzen, mit alten Menschen arbeiten oder Obdachlosen ehrenamtlich helfen, bevor er sich wieder in die große Politik wagt. Und der PDS empfiehlt sich: erst googeln, dann aufstellen. Oder gibt es »drüben« noch kein Internet?

Umsonst und draußen

Mundraub. Die Regierung schläft nicht, aber die von ihrer Politik Betroffenen auch nicht. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott, dachten sich offenbar die unbekannten Täter, die in der Nacht zum Donnerstag vergangener Woche einen Acker im pfälzischen Schifferstadt abernteten. Auf einer Fläche von 300 Quadratmetern sammelten sie Kartoffeln ein, teilte die Polizei mit. Die Beamten kombinierten scharfsinnig: Die Täter hätten offenbar einen Transporter für den Kartoffelklau benutzt. Der Schaden betrage satte 50 Euro.

Wenn Sie also, liebe Pfälzer, in nächster Zeit bei Bekannten vermehrt mit Reiberdatschi, Kartoffelpüree oder selbst gemachten Pommes bewirtet werden, dann – Mahlzeit!