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Zum Dank ein Amt

Regierung/Gewerkschaften. Zwar haben die Demonstrationen gegen die Agenda 2010 am 3. April keinerlei Veränderung in der Politik bewirkt, aber natürlich steht es einer Regierung besser zu Gesicht, wenn nicht eine halbe Million Menschen gegen sie auf die Straße geht. Wie der Spiegel berichtet, hat sich die SPD schon eine Strategie ausgedacht, mit der sie das künftig verhindern kann: Sie will ihre Liebe zu den Gewerkschaften neu entfachen.

Der neue Parteivorsitzende Franz Müntefering, der das traditionelle sozialdemokratische Milieu wieder zusammenbringen soll, will im Zuge der »Harmonieoffensive« mit allen acht Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften Gespräche führen. Die dürfen dann ganz offen sagen, was sie über die EU-Ost-Erweiterung, die Standortpolitik und die Globalisierung denken, und sich dann wieder trollen. Vielleicht bekommt aber der, mit dem der Plausch am harmonischsten verlief, sogar den nächsten Ministerposten.

Denn der Spiegel weiß auch, dass Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie als Nachfolger der Gesundheits- und Sozialministerin Ulla Schmidt vorgesehen ist. Und Schmoldt ist bekanntlich schon länger auf Harmoniekurs mit der Regierung, hat er doch bereits im vergangenen Juni die Debatte um die Agenda 2010 für beendet erklärt und der Welt gesagt: »Die Richtung, die der Kanzler vorgibt, stimmt.« Nach dem ehemaligen Arbeitsminister Walter Riester käme wieder einmal ein Gewerkschafter in den Genuss, sich an der Seite Gerhard Schröders von der Wirtschaft für seine Kooperation loben zu lassen.

Welche Fessel hätten’s gern?

Abschiebungen. Wie heftig wehrte sich der rückzuführende ausländische Staatsangehörige? Sagte er, er möchte doch lieber in Deutschland bleiben, wurde er etwas lauter oder wehrte er sich mit allen Mitteln wie Schlagen, Kratzen oder Beißen? Mit welcher Art der Fesselung stellten Sie ihn ruhig? Stahlhandfessel, Fußfessel, Plastikhandfessel oder Klettband?

Fragen dieser Art finden sich in einem Papier, das nach Angaben der Frankfurter Rundschau den Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) heutzutage bei Abschiebungen per Flugzeug ausgehändigt wird. Der gewaltsame Tod des Sudanesen Aamir Ageeb vor fünf Jahren hat mitnichten dazu geführt, dass Flüchtlinge nicht mehr gegen ihren Willen auf dem Luftweg in ihr (vermeintliches) Herkunftsland geschafft werden. Bloß sollen sie dabei nicht zu Tode kommen, weil das dem Ansehen der Bundesrepublik schadet. Deshalb wird den Beamten im Formular »Best.-Rück Luft« nahe gelegt, besonders in Anwesenheit von Vertretern der Medien oder irgendwelcher Menschenrechtsgruppen ein »achtungswürdiges Verhalten« an den Tag zu legen und vom »Verkleben der Fingernägel«, dem Gebrauch »mundverschließender Hilfsmittel« und »atmungsbehindernder Abpolsterungen« sowie vom Überstülpen eines Integralhelms Abstand zu nehmen.

Damit ist dann der »Achtung der Menschenwürde des Rückzuführenden« auch Genüge getan.

Doch dagegen

Union. Die CDU und ihre bayerische Schwesterpartei zeigen Charakter. Denn zuzugeben, dass man Unrecht hatte, ist eine große Geste, deren nicht jeder fähig ist. Wie gut, wenn man wenigstens die Gründe für die frühere falsche Haltung dem politischen Gegner in die Schuhe schieben kann. Und wenn der Zeitpunkt, zu dem man den Irrtum bemerkt, auch noch ein passender ist, weil sich das Weltgeschehen in eine Richtung entwickelt hat, die manch einen wünschen lässt, man habe zu einem früheren Zeitpunkt anders gehandelt oder eine andere Meinung vertreten.

Im Gegensatz zur Regierung, deren Mitglieder sich bezüglich des Iraks gegenüber den USA stets als Freunde des Friedens profiliert hatten, kam aus den Reihen der Union vor Jahr und Tag keine derart deutliche Kritik. Lediglich ein zaghaftes Bedauern der christlichen Parteien darüber, dass schon wieder ein Krieg notwendig sei, war festzustellen.

Nun aber dachte die Union über alles noch einmal nach und stellte fest, sie könne falschen Informationen aufgesessen sein, damals. Der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger (CDU), sagte am letzten Mittwoch, er habe sich auf Informationen des Bundesnachrichtendienstes (BND) verlassen, nach denen der Irak über mobile Biowaffenlabore verfüge. Dass der BND aber nur über fragwürdige Quellen verfügt haben soll, habe er, Pflüger, nicht gewusst, und daran sei die Bundesregierung schuld.

Sympathisanten wider Willen

Rechtsextreme. Für ihren Landsmann Thomas P. hielten am 6. April Mitglieder der Berliner NPD sowie der Kameradschaften eine Mahnwache in Berlin-Marzahn ab, an der rund 20 Personen teilnahmen. Der Betrauerte hatte vermutlich nichts als seine Nationalität mit den Neonazis gemein, doch er konnte sich gegen die Sympathiebekundungen nicht mehr wehren.

Thomas P. starb in der Nacht zum 20. März, als er zusammen mit Freunden einen 24jährigen Arbeitslosen daran hindern wollte, die Frontscheiben mehrerer Autos auf einem Parkplatz mit einer Steinschleuder zu zerstören. Als P. den gebürtigen Tunesier zur Rede stellen wollte, zog der ein Messer und stach mehrfach auf den 20jährigen ein. Auf seiner Flucht verletzte der Randalierer auch noch einen von P.s Begleitern, der immer noch schwer verletzt im Krankenhaus liegt.

Am Samstag, dem 3. April, trauerten und demonstrierten deswegen rund 400 Menschen unter dem Motto: »Für Zivilcourage gegen jegliche Gewalt«. Der Vater des Verstorbenen drängte darauf, dass »die Tat nicht zu Hasstiraden oder Vergeltungsschlägen gegen Ausländer führen« dürfe und dass während der Demonstration keine politischen Parolen gerufen werden dürften. Das holten die Kameraden der Berliner Neonaziszene drei Tage später nach.