Ein Psychotest

liebe ware

Produkte, die wir auch nach dem Ende des Kapitalismus nicht missen möchten. Was werden das für Zeiten sein, wenn wir wie Mister Spock die Computermaus zum Mund führen und die Befehle an den Rechner in sie hineinbellen? »Cool«, sagen die einen, »apokalyptisch«, die anderen. Viel bedeutsamer aber wird der Verlust eines Utensils sein, das schon jetzt vom Aussterben bedroht ist: das Mousepad.

Was damals, in der Steinzeit der PC-Technik, zwingend notwendig war, hat sich heute dank optischer Mäuse fast erledigt. Um besser zu gleiten, brauchten Mäuse eine speziell strukturierte Oberfläche. Mal bestand sie aus Baumwolle, mal war es Plastik, selbst in Lederausführung waren Mousepads zu erwerben. Aber nicht nur bei der Oberfläche fiel die Wahl schwer.

Noch größer war die Auswahl an Motiven, die das Mousepad zierten. Ganze Psychogramme von Computernutzern ließen sich von den Pads ableiten. Da gab es die Fraktion der Ignoranten, die selbst der allergrößte Werbeschwachsinn kalt ließ, mit dem die Pads bedruckt waren. Sie ignorierten ihn einfach.

Auf debilere Zeitgenossen ließen aber die Pads schließen, die mit Tiermotiven, gar den eigenen Haustieren oder mit dem Foto der besten Freundin respektive des besten Freundes, vornehmlich in zweifelhafter Reproduktionsqualität, bedruckt waren. Wenn die Pads dann in einer Umgebung zum Einsatz kamen, in der die oder der Liebste auch noch in unmittelbarer Nähe weilte, eröffneten sie tiefe Einsichten in die Seele des Benutzers.

martha e. meuschke