Keine Holzgitarren

platte buch

Monatelang hatten sie geprobt für diese eine »Mucke«, für das erste Konzert seit zwei Jahren. Die Umstände des Auftritts der Ostberliner »Blues- und Rockformation« Freygang Mitte der Achtziger im Franzklub waren mehr als widrig. Die staatliche Einstufungskommission hatte ihr Kommen angekündigt, um über die Aufhebung des Spielverbots zu befinden. Dann verweigerten die Kollegen der Hauptband auch noch die Mitbenutzung ihrer Anlage.

Die Fans von Freygang retteten den Auftritt. In aller Eile trieben sie eine Gesangsanlage auf. Kurz darauf kam der nächste Schrecken: In der Kommission saßen nicht nur die Genossen aus dem Kreiskabinett für Kulturarbeit. Gleichfalls stimmberechtigt waren ein Vopo und der Sänger des Hauptacts. Egal, was hatten Freygang schon zu verlieren? Die Band war bereits verboten. Die »Sonderstufe mit Konzertberechtigung« erhielt sie nach der Show. Ein Jahr später wurde ihr die Auftrittserlaubnis wieder entzogen.

Zwanzig Jahre und neun Alben später treten Freygang wieder im selben Klub auf. Weit mehr als 400 Leute sind gekommen zur Release-Party der DVD »Am Wegesrand«, die unter der Regie von Sven Rohrbach entstanden ist. Der Saal tobt wie ehedem, nur die Volkpolizei fehlt. Niemand greift ein, als eine Transe und ein Alkoholiker die Bühne kapern und den Gesang im Background übernehmen: »Ich bin ein Mörder!« Sänger André Greiner-Pol verliert für zwei Strophen die Kontrolle über die Bühne. Doch die einst üblichen Publikumsbeschimpfungen wie »Na, ihr CDU-Schweine!« bleiben aus. Vom Blues hat sich Freygang schon lange verabschiedet. Die Songs sind gitarrenbetont und räudig, Indierock vom Feinsten also. So ist auch die DVD mit dem dämlichen Titel ein guter Kompromiss, ist sie doch keinesfalls eine langweilige »Best of …«-Scheibe.

Greiner-Pol mag übrigens keine Holzgitarren. Daher wird es wohl nie eine Unplugged-CD geben. Oder in seinen Worten: »Ich spiele nicht im Sitzen!«

karsten krampitz

Freygang: Am Wegesrand. DVD, Buschfunk.