Phönix aus Aschersleben

ich-ag der woche

Wer hätte noch nicht von ihr geträumt, von der ganz großen Tariferhöhung? Elke Reinke hat sie in diesem Jahr erhalten. Ihr Aufstieg von der Arbeitslosen zur Parlamentarierin ist beispiellos. Der Jobfloater für die 47jährige Mutter zweier Kinder war die Wasg in Aschersleben in Sachsen-Anhalt. Reinke war die optimale Kandidatin für das Linksbündnis: eine Frau aus dem Osten, die seit 13 Jahren arbeitslos ist und gegen Hartz IV gekämpft hat. Eine Botschafterin der Straße, die den Kampf gegen unsoziale Reformen ins Parlament trägt. Idealbesetzung, Listenplatz fünf. Sie gewann das Mandat für den Deutschen Bundestag, und ihr Leben als Postkartenverkäuferin auf Ein-Euro-Basis in einer Kirche ihres Wahlkreises war beendet. Aus der Bedeutungslosigkeit zur Hoffnungs­trägerin, von der Kirche in den Reichstag, von der Ein-Euro-Jobberin zur Empfängerin von Abgeordnetenbe­zügen. Elke Reinke hat es geschafft. »Sie ist das Volk«, schreibt die Berliner Zeitung.

Zu ihren neuen Aufgaben gehört nun auch die Einstellung von Mitarbeitern. Jahrelang hat sie nur Absagen bekommen, nun schickt sie selbst Bewerbungen zurück. Eine deutsche Erfolgsstory ist zu melden, das hat es lange nicht gegeben. Die ganze Welt ist beeindruckt: In Deutschland dürfen die von ganz unten in der Politik mitmischen.

Für die Neoliberalen im Parlament brechen nun schwere Zeiten an. In ihrer ersten Rede im Bundestag sagte Reinke: »Ein Anspruch auf Würde und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist mit dem staatlich gewährten Existenzminimum in Höhe von 345 Euro plus Wohn- und Heizkosten kaum möglich. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich spreche.« Welcher Parlamentarier kann das schon von sich behaupten? Dagegen gibt es kein Argument mehr. Unter den Arbeitssuchenden in Deutschland aber könnte es bald heißen: Suchst du noch oder regierst du schon?

hansjörg fröhlich