Der Paß und seine Heimat

In Frankfurt wirbt das Amt für multikulturelle Angelegenheiten um neue Deutsche - die CDU applaudiert

Mit deutschem Paß ist gut lachen. Teimaz und Hissi grinsen von den Frankfurter Plakatwänden. Sie haben ihn - den Paß, der fröhlich macht. Meric und Ersan blicken noch etwas bedrückt. Sie haben ihn erst beantragt. Seit einigen Wochen wirbt das "Amt für multikulturelle Angelegenheiten" mit seiner Plakataktion "Frankfurt für Einbürgerung" um neue Deutsche. Die Botschaft: Wer hier heimisch geworden ist, soll auch auf dem Papier Deutscher werden. "Wenn ich Heimat höre, denke ich an die Schweizer Straße", begründet Ersan, 17 Jahre, auf einem Plakat seinen Einbürgerungsantrag. 25 000 Mark gibt die Stadt Frankfurt für die Kampagne aus. Vor allem Jugendliche sollen so zur Einbürgerung ermuntert werden. Ein Faltblatt ging an alle Schulen, städtischen Jugendeinrichtungen und an ausgewählte Betriebe. An zwei "Infolines" können sich Interessierte donnerstags und freitags über die Formalitäten informieren lassen. Ein Höhepunkt der Kampagne: Ein Rap-, HipHop-, Ethno- und Rock-Konzert "mit Live-Bands aus der Frankfurter Szene" am 8. März.

Beifall kommt von ungewohnter Seite. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung lobt die Kampagne: Es sei "der richtige Weg, den in Frankfurt die für multikulturelle Angelegenheiten zuständige Stadträtin Jutta Ebeling (Bündnis 90 / Die Grünen) eingeschlagen" habe. Der konservativen Zeitung gefällt, daß endlich auch die Grünen von den Migranten eine Entscheidung fordern. "Der vornehmlich von der SPD und Grünen vorgeschlagene Weg einer doppelten Staatsbürgerschaft, auch einer zeitlich befristeten, löst diese Schwierigkeiten nur scheinbar. Denn eines Tages muß in der Lebensplanung der jungen Ausländer so oder so die Entscheidung fallen." Auch die CDU triumphierte in einer Ausschußsitzung, eine solche Aktion habe sie schon lange vorgeschlagen.

Jutta Ebeling sieht keinen Widerspruch zwischen der Kampagne und der Forderung der Grünen nach doppelter Staatsbürgerschaft. Die Einbürgerungsaktion solle als Signal verstanden werden, daß die Stadt die jungen Ausländer mit offenen Armen aufnehmen wolle. Es bleibe trotzdem ihr Ziel, auf der Bundesebene die Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft durchzusetzen. Auch die Sprecherin der Kampagne, Irene Khateeb, glaubt nicht, daß politische Forderungen aufgegeben würden, oder die Aktion vermitteln könne, nur mit deutschem Paß werde man akzeptiert. Sie ist begeistert von den ersten Reaktionen: "Unsere Kids fühlen sich total angesprochen." - Auch wenn einige Bedenken hätten, daß ein Einbürgerungsantrag bei ihren Kumpels als "Einschleimen" verstanden werde. 20 bis 40 Anfragen gingen pro Woche bei den Infolines des Multikultiamts ein.

Den Anstoß zu der Kampagne habe der Erlaß von Bundesinnenminister Manfred Kanther von letztem Jahr gegeben, sagte Khateeb gegenüber Jungle World. Kanther legte damals fest, daß auch in Deutschland geborene Kinder von Ausländern von Geburt an eine Aufenthaltsgenehmigung benötigen und auch Kinder von Ausländern aus den ehemaligen Anwerbestaaten nur mit Visum zu ihren Eltern nach Deutschland reisen dürfen. Dieser Erlaß habe viele Ausländer zutiefst erschüttert. Viele Familien, die schon lange in Deutschland lebten, sähen darin einen Vertrauensbruch. Dem wolle ihr Amt mit der Kampagne entgegensteuern und den ausländischen Mitbürgern sagen: "Seht das nicht ideologisch - wir brauchen euch." Dazu könne man nicht auf die Bundesebene warten, die Städte müßten sich mit den gegebenen Möglichkeiten selbst helfen. Entsprechend spielen in der aktuellen Kampagne des Amtes weitergehende Forderungen keine Rolle, es geht um die Umsetzung der geltenden Gesetze.

Während in den klassischen Einwanderungsländern wie in Frankreich oder den USA die Vergabe der Staatsbürgerschaft nach dem ius soli-Prinzip funktioniert - wer in dem jeweiligen Land geboren ist, ist Staatsbürger desselben - gilt hierzulande weiterhin das Prinzip ius sanguinis. Das immer noch gültige Abstammungsprinzip geht zurück auf das 1913 im Kaiserreich verabschiedete Reichs- und Staatsangehörigengesetz, ein Ausdruck deutscher, völkischer Blut- und Bodenideologie. Ausnahmen vom Abstammungsdeutschtum bleibt an eine Reihe von Bedingungen geknüpft: Für 16- bis 23jährige ist ein mindestens achtjähriger regelmäßiger Aufenthalt in Deutschland und ein sechsjähriger Schulbesuch für einen Einbürgungsanspruch notwendig. Für über 23jährige ist für die Vergabe des deutschen Passes ein 15jähriger Daueraufenthalt in Deutschland Bedingung und zusätzlich ein gesichertes Einkommen - Arbeitslose oder Sozialhilfeempfänger werden nur in Ausnahmefällen eingebürgert. Eine Verurteilung wegen einer schweren Straftat darf nicht vorliegen, und die alte Staatsbürgerschaft ist aufzugeben. Entsprechend bietet die Stadt Frankfurt jetzt nicht nur eine Einbürgerungs-, sondern auch eine Ausbürgerungsberatung an. Die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft stellt für viele eine unzumutbare Bedingung dar - Staaten wie Kroatien oder die Türkei lassen sich mit hohen Ausbürgerungssummen von den abtrünnigen Staatsbürgern die Kriegskassen füllen. Viele empfinden die Ausbürgerung auch als eine Verleugnung der eigenen Herkunft und Kultur.

"Du möchtest das Land, in dem du lebst, mitgestalten? Der deutsche Paß bietet dir viele Vorteile." In ihrer Werbebroschüre verspricht die Stadt Frankfurt, es sei keine "allzu bürokratische Angelegenheit", an das Papier zu kommen, das all die Vorteile bietet. Auf den bürokratischen Aufwand hat das Amt allerdings keinen Einfluß. Eine Einbürgerung, auch wenn alle Bedingungen erfüllt sind, dauert im Schnitt ein bis eineinhalb Jahre. Und auch danach ist man nicht vor bösen Überraschungen gefeit: Teimaz - "deutsch seit einem Monat", wie es auf den Werbeplakaten heißt - bekam schon seinen Einberufungsbescheid für die Bundeswehr.