Matthias Gärtner

»Ein Erfolg der DVU wäre ein verheerendes Signal«

Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt droht nach jüngsten Umfragen ein Wahlerfolg der neofaschistischen Deutschen Volksunion (DVU). Matthias Gärtner, mit 25 Jahren der jüngste Landtagsabgeordnete der PDS in Magdeburg, hat das rechte Potential in jahrelanger antifaschistischer Arbeit ausgekundschaftet. Obwohl sein politisches Vorbild Mahatma Ghandi und sein innerparteilicher Duzfreund Lothar Bisky ist, hat er sich durch sein Engagement auch bei Revoluzzern und Punks Anerkennung erworben. Aus diesem Grund ist er Public Enemy für volksdeutsche Patrioten: In der Magdeburger Glatzen-Hochburg Neu-Olvenstedt kann er sich nach mehreren Morddrohungen nicht mehr blicken lassen, im Landtag sprüht die CDU Gift und Galle gegen ihn.

Nach der jüngsten Forsa-Umfrage liegt die DVU in Sachsen-Anhalt bei fünf Prozent, ein Einzug in den Landtag am kommenden Sonntag ist möglich. Wo liegen die Ursachen?

Die katastrophale wirtschaftliche Lage im Land spielt eine Rolle, und die einfachen Antworten, die die DVU darauf gibt: "Arbeit zuerst für Deutsche" - solche und ähnliche Slogans plakatiert sie überall mit einem beeindruckenden Aufwand. Der Werbeetat der DVU ist mit etwa drei Millionen Mark genauso groß wie der von CDU und SPD zusammen!

Ein zweiter wichtiger Programmpunkt ist die Agitation gegen "kriminelle Ausländer" - da kann die DVU fortführen, was Kanther seit acht Jahren ...

... und mittlerweile auch SPD-Frontmann Schröder ...

... propagiert und praktiziert. "Kriminelle Ausländer sofort abschieben" ist der gemeinsame Punkt im Wahlprogramm von DVU und CDU.

Hat nicht auch die PDS - Ihren antifaschistischen Aktivitäten zum Trotz - eine Mitschuld daran, insbesondere durch volksgemeinschaftliche Zonen-Nostalgie und Anti-Westlertum, wie sie auch im "Rostocker Manifest" beschworen werden?

Die Schichten, die momentan die Wahl der DVU in Erwägung ziehen, haben mit der PDS keine Berührung. Es sind im wesentlichen die bisherigen Nichtwähler - bitte bedenken Sie, daß es bei der letzten Landtagswahl nur eine Wahlbeteiligung von 54 Prozent gab. Und was Ihre PDS-Schelte angeht: Gerade in Sachsen-Anhalt hat der Landesverband mit vorbildlicher Geschlossenheit die antifaschistische Arbeit unterstützt.

Vielleicht hat einem Teil der Wählerbasis genau das mißfallen? Jedenfalls geht die DVU - so ihr Sprecher Bernhard Dröse - davon aus, daß sie den Großteil ihrer Wähler aus der SPD- und der PDS-Klientel bekommen wird. Auf PDS-Abtrünnige hofft sie, weil die PDS ihren Oppositionscharakter eingebüßt habe. Tatsächlich ist die PDS durch ihre Tolerierungstaktik mitverantwortlich für die Negativrekorde der Höppner-Regierung, oder?

Der Negativrekord Nummer eins - die höchste Arbeitslosenrate in der Bundesrepublik - ist nicht hausgemacht, sondern von Bonn zu verantworten. Das wissen auch die Wähler, und deswegen wollen sie der Bundesregierung einen Denkzettel geben - diese Haltung kommt der SPD, aber auch uns zugute. Im übrigen haben wir unsere oppositionelle Unschuld nicht erst durch die Tolerierung im Landtag verloren, sondern schon vorher - durch die Übernahme politischer Verantwortung in zahlreichen Kommunen. Den Schwierigkeiten bei der Tolerierung steht als Plus gegenüber, daß wir die Politik der Landesregierung beeinflussen und bei manchen Entscheidungen mehr für die Betroffenen herausholen konnten. Nur durch den Einfluß der PDS gibt es 1998 100 Millionen Mark Kommunale Investitionspauschale, ein Zehn-Millionen-Programm für Beschäftigung in der Jugendarbeit, einen 40-Millionen-Mark-Fonds für gefährdete Betriebe und keine Einschnitte bei der Förderung des Zweiten Arbeitsmarktes. Auch das haben viele Wähler registriert. Die DVU wird also vergeblich auf nennenswerten Wählerzuspruch aus unserer Ecke hoffen.

Beim Einzug der DVU in den Landtag, so hat die Landes-SPD bereits signalisiert, kommt das Tolerierungsmodell nicht mehr in Frage. Ihre Begründung: Bleibe die DVU draußen, könne sie sich auch ohne absolute Mehrheit die für Gesetze und Verordnungen notwendigen Stimmen mal bei der CDU-Fraktion, mal bei der PDS-Fraktion besorgen. Kämen die Nazis aber rein, könne die SPD nie wissen, ob sie in diesem "Modell der wechselnden Mehrheiten" auch von Rechtsaußen gestützt werde. Sieht die PDS dieses Problem genauso - oder favorisiert sie trotzdem weiter das Tolerierungsmodell?

Der Sprung der DVU über die Fünf-Prozent-Hürde wäre das verheerendste Signal, das von dieser Wahl ausgehen könnte. Ob wir dann zum Beispiel 25 oder nur 15 Prozent bekämen, wäre absolut zweitrangig. Leider haben alle Parteien, auch die PDS, diese Gefahr erst mit der jüngsten Umfrage zur Kenntnis genommen - man hätte es früher wissen können.

Die Probleme der bisherigen unverbindlichen Tolerierung sieht die PDS im übrigen ganz unabhängig von einem möglichen DVU-Erfolg. Deshalb haben wir der SPD ein Angebot gemacht, unsere Zusammenarbeit stärker zu fixieren, etwa durch eine Art Vertrag zwischen SPD und PDS. Ich hoffe nicht, daß die SPD jetzt den drohenden DVU-Erfolg zum Anlaß nimmt, unser Angebot auszuschlagen und sich mit der CDU ins Bett zu legen. Also etwa mit dem Argument, sie würde jetzt von rechts- wie von linksaußen unter Druck gesetzt, eine große Koalition anzusteuern - das wäre wirklich an den Haaren herbeigezogen.

Strebt die PDS Ministersessel an?

Diese Frage ist völlig nachgeordnet. Es geht zunächst um verbindliche Übereinkünfte über die Inhalte der Regierungspolitik.

Wie dem auch sei: Wenn die PDS noch stärker als bisher an die Regierung heranrückt - gibt sie damit nicht noch mehr Oppositionsterrain für die Faschisten frei? Daß etwa in Frankreich die KP Regierungspartei geworden ist, hat den Front National nicht geschwächt, wie die letzten Wahlergebnisse gezeigt haben.

Damit müssen wir leben. Wer linke Reformen will, darf sich nicht in der Oppositionsrolle einigeln. Und linke Reformen sind nötig, wenn wir den Faschisten das Wasser abgraben wollen: Wenn die Kohl-Regierung weiter von einem Arbeitslosen-Rekord zum nächsten steuert, ist der weitere Aufstieg der Rechtsparteien programmiert. Wir brauchen den Wechsel in Bonn - und ein linker Sieg in Sachsen-Anhalt wäre dafür das beste Signal.